Am 1. Juli hat das Bundeswirtschaftsministerium die zweite Stufe des Notfallplans Gas, die sogenannte Alarmstufe, auf die erste Stufe, die sogenannte Frühwarnstufe, zurückgenommen. „Voraussetzungen für die Alarmstufe liegen nicht mehr vor. Die Versorgungslage hat sich erheblich verbessert“, sagte Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) in einem Pressegespräch.
Die Bundesregierung hatte die Alarmstufe am 23. Juni 2022 ausgerufen, nachdem Russland Gasflüsse nach Deutschland deutlich reduziert hatte. 2021 war Russland noch mit 65 % der Hauptlieferant von Gas nach Deutschland. Über Nord Stream eins kamen ab 2022 nur noch 40 % der Leitungskapazität an. Später stellte Russland die Pipeline-Lieferungen dann ganz ein. „Heute können wir feststellen, dass die Gasversorgungssicherheit in Deutschland hoch ist“, sagt Reiche.
Gas aus Deutschland
Laut Reiche sei es gelungen, die durch den russischen Angriffskrieg verursachte Energiekrise zu überwinden: mit neuen Lieferwegen durch LNG-Infrastruktur und durch Diversifizierung der Gasversorgung. Die Gaspreise haben sich stabilisiert und die Gasspeicher tragen zur Sicherheit bei. Wir werden weiter alles dafür tun, damit die Gasversorgung sicher bleibt“, erklärt sie. Dazu soll auch die Gasförderung im Inland ausgebaut werden.
Im Jahr 2024 kam Erdgas laut Reiche aus folgenden Importländern:
48 % kamen aus Norwegen,
25 % aus den Niederlanden,
18 % aus Belgien,
8 % stammten aus in Deutschland angelandetem LNG, Tendenz steigend.
LNG auch für Osteuropa
Die in großer Geschwindigkeit errichteten vier LNG-Terminals in Wilhelmshaven, Mukran (auf Rügen) und Brunsbüttel zur Anlandung von Flüssiggas würden einen ganz wesentlichen Beitrag leisten, um Gasversorgung resilienter aufzustellen und weiter zu diversifizieren. „Damit leisten wir auch einen wichtigen Beitrag zur europäischen Versorgungssicherheit, vor allem für osteuropäische Länder, die keinen Zugang zu Häfen haben“, sagt sie.
„Eine Vielzahl von neuen LNG-Projekten sind weltweit geplant. Das wird in diesem Jahr schon zu einem Anstieg des weltweiten LNG-Angebotes um 5 % führen“, sagt Reiche.
Gaspreise sinken, bleiben aber über dem Niveau vor der Krise
Der Gaspreis bewegt sich trotz starker innenpolitischer Spannungen derzeit bei weitgehend stabilem Niveau von circa 34 €/MWh. „Die Preise sind zwar immer noch doppelt so hoch wie vor der Krise. Aber im Vergleich zum Jahr 2022, wo wir in der Spitze Gaspreise von mehr als 300 €/MWh hatten, finden wir heute einen sehr stabilen Gasmarkt in Europa vor“, sagt die Ministerin.
Mit der Abschaffung der Gasspeicherumlage ab dem Jahr 2026 will die Bundesregierung Wirtschaft und Verbraucher um 2,89 €/MWh entlasten. Das wären laut Reiche für einen Durchschnittshaushalt 54 €/Jahr.
Reiche: "Erdgas bleibt wichtig"
Erdgas bleibt laut Reiche auch weiterhin wichtig für die Energieversorgung:
Erneuerbare Energien sollen die Hauptrolle bei der Stromversorgung spielen. Allerdings werde Gas gebraucht, um Zeiten zu überbrücken, in denen es keinen Wind und keine Sonne gäbe. „Wir brauchen Gaskraftwerke zur Versorgungssicherheit“, so die Ministerin. Erdgas könne dabei ergänzt werden durch Pumpspeicherkraftwerke, Biogas und Großbatteriespeicher.
Auch bei der Prozesswärme würde Gas eine wichtige Rolle spielen.
Der Wasserstoffausbau sei weltweit in Verzug. Gründe seien gestiegene Projektkosten, hohe Zinsen und nicht intakte Lieferketten. „Es ist in den letzten drei bis vier Jahren klar geworden, dass der unmittelbare Sprung zu grünem Wasserstoff mittelfristig nicht wettbewerbsfähig ist. Sein Preis hängt stark vom Strompreis ab“, sagt sie. Darum sei der EU-Kommission jetzt offen für „blauen“ Wasserstoff, der aus Erdgas hergestellt würde. Dann könnte die Stahl- und die Chemieindustrie blauen Wasserstoff in die Industrieprozesse einführen. „Aber wann wir einen globalen Markt für Wasserstoff haben, der ähnlich funktioniert wie Gas oder Ammoniak, ist zum heutigen Zeitpunkt noch nicht abzusehen“, sagt sie.
Brandbrief der Biogasbranche
Wie Reiche ausführte, könnte auch inländisches Biogas zur Versorgungssicherheit beitragen. Aber den Anlagenbetreibern fehlt seit Jahren ein Bekenntnis der Politik. Dazu gehört das nach wie vor viel zu geringe Ausschreibungsvolumen für Anlagen, die eine zehnjährige Anschlussvergütung anstreben.
In einem Brandbrief an Ministerin Reiche Ende Juni 2025 bemängelt der Fachverband, dass sich die Lage angesichts des immer noch nicht von der EU notifizierten Biomassepakets weiter zuspitze. Betroffen seien Tausende Anlagen, die in den Jahren 2004 bis 2006 ans Netz gegangen seien. Ein großer Anlagenbauer aus Bayern habe bereits bekanntgegeben, dass er aufgrund der unsicheren Rahmenbedingungen 20 % der Belegschaft entlassen müsse.
Der Fachverband kritisiert auch, dass das Bundeswirtschaftsministerium das Biomassepaket der EU-Kommission noch nicht einmal zur Genehmigung vorgelegt habe. Damit sei die rechtzeitige Genehmigung für die nächste Ausschreibung im Oktober höchst fraglich. „Die Situation in der Branche ist dramatisch und die Zeit drängt. Wir wenden uns daher an Sie mit der dringenden Bitte, sich der Kommission für eine baldige Genehmigung einzusetzen“, heißt es in dem Brief.