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topplus Verfassungsbeschwerde zum Klimaschutz

Klimaschutzgesetz: „Ein bahnbrechendes Urteil für die Energiewende“

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz in Deutschland stellt einige Entscheidungen der Bundesregierung infrage. Es gibt erste Vorschläge für die Nachbesserung.

Lesezeit: 8 Minuten

Das am Donnerstag (29. April) veröffentlichte Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Klimaschutzgesetz könnte erhebliche Auswirkungen auf die Klimaschutzgesetzgebung in Deutschland haben – und damit auch auf die Energiewende. Das zeigen die vielfältigen Reaktionen auf das Urteil, das Teile des Klimaschutzgesetzes für verfassungswidrig erklärt hat, die wir hier zusammengefasst haben.

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Der Nebel lichtet sich langsam

Die Auswirkungen des Richterspruchs werden jetzt erst nach und nach klar. Denn es hatte insgesamt vier Verfassungsbeschwerden gegeben, über die das BVerfG zu urteilen hatte. Sie richteten sich unter anderem gegen das 2019 verabschiedete deutsche Klimaschutzgesetz. Kläger und Unterstützer sind Jugendliche und Erwachsene aus dem In- und Ausland, Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV), BUND, Deutsche Umwelthilfe (DUH), Greenpeace, Germanwatch und Protect the Planet. Mit ihren Verfassungsbeschwerden verleihen sie ihrer Kritik Nachdruck, dass die Ziele und Maßnahmen Deutschlands nicht ausreichen, um ihre Grundrechte wirksam vor den Folgen der Klimakrise zu schützen sowie die Verpflichtungen aus dem Pariser Klima-Abkommen zu erfüllen.

Erste Auslegung des Urteils

Das Bundesverfassungsgericht habe mit der Entscheidung einen Paukenschlag gesetzt, kommentieren die Rechtsanwälte Dr. Roda Verheyen und Dr. Ulrich Wollenteit aus Hamburg das Urteil, das bereits am 24. März 2021 gefällt, aber erst am 29. April veröffentlicht wurde. Aus dem 127 umfassenden Dokument ergeben sich aus juristischer Sicht folgende Konsequenzen:

  • Der Klimawandel ist real und der Gesetzgeber muss ihm entgegen wirken
  • Klimaschutz ist Menschenrecht und justiziabel, heute und in Zukunft.
  • Der Gesetzgeber muss sich an den Vorgaben der Wissenschaft orientieren und schlüssige Konzepte vorlegen, wie der Pfad zur Treibhausneutralität aussehen soll.
  • Heutige Generationen greifen in die Freiheitsrechte zukünftiger Generation ein, indem sie sich bis 2030 zu viele Treibhausgasemissionen zugestehen: Das Klimaschutzgesetz hat Reduktionslasten in unzulässiger Weise auf die Zukunft und die dann Verantwortlichen verschoben.
  • Deswegen sind § 3 Absatz 1 Satz 2 und § 4 Absatz 1 Satz 3 Bundes-Klimaschutzgesetz vom 12. Dezember 2019 in Verbindung mit Anlage 2 mit den Grundrechten unvereinbar.
  • Der Gesetzgeber muss bis 31.12.2022 nachbessern.

„Durchbruch für den Klimaschutz“

„Das Urteil ist ein Durchbruch“, meinen Professor Felix Ekardt und die Fachanwältin für Verwaltungsrecht, Franziska Heß, die die Klage vertreten haben. „Erstmals hat eine Umweltklage vor dem Bundesverfassungsgericht Erfolg. Die Politik wird massiv nachbessern und deutlich ambitioniertere Ziele und Instrumente festsetzen müssen. Unsere Klage hat aufgezeigt, dass grundrechtlich Nullemissionen dramatisch früher nötig sind als bisher anvisiert und das Paris-Ziel grundrechtlich verbindlich ist.“

Für das Klima sei das Urteil allerdings noch zu wenig, weil die Richter nicht mit der gebotenen Klarheit zeitnahe Nullemissionen einfordern würden. „Wir werden daher prüfen, ob wir zusätzlich eine Beschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einlegen.“

Das BVerfG erklärt die 1,5-Grad-Grenze des Pariser Klima-Abkommens mit seinem Urteil letztlich für verfassungsrechtlich verbindlich. Die grundrechtliche Freiheit und das Staatsziel Umweltschutz verpflichteten den Gesetzgeber, einen vorausschauenden Plan zu entwickeln, um mit den noch möglichen Restemissionen sorgsam umzugehen. Das sei nicht gewährleistet, wenn keinerlei konkrete Planung für die Zeit nach 2030 stattfinde und überdies fast das gesamte Budget nach der bisherigen Klimapolitik bis 2030 aufgebraucht sein werde. Die Klimapolitik müsse also stark beschleunigt werden.

„Verträge sind einzuhalten“

„Das Bundesverfassungsgericht unterstreicht den Grundsatz: Verträge sind einzuhalten. Dieses Urteil ist deshalb ein wichtiges Signal für den Klimaschutz und die Energiewende“, sagt Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE). Das Gericht beurteilte insbesondere die Verschiebung von wichtigen Meilensteinen der Treibhausgas-Minderung auf den Zeitraum nach 2030 als freiheitsverletztend. „Die bisherigen Klimaziele bis 2030 sind nicht ansatzweise ambitioniert genug, um zunächst die Teilziele zu erreichen und Deutschland auf dem Weg der Klimaneutralität maßgeblich voranzubringen. In Folge dessen werden nach 2030 entsprechend größere Schritte notwendig sein, die dann mit deutlich ambitionierteren Maßnahmen verknüpft werden müssen“, sagt sie.

Positiv auch für die Landwirtschaft

„Das Ergebnis der Verfassungsbeschwerde ist ein großer Erfolg auch für uns Bauern“, erklärt Jan Wittenberg, Mitglied im Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft und Ackerbauer und Mutterkuhhalter in Niedersachsen. Die Folgen des Klimawandels seien bereits auf den Höfen zu spüren. „Das vierte Jahr in Folge leiden wir unter Trockenheit, die Ernten sind unsicherer geworden und viele Bauern haben nicht mehr genug Futter für ihre Tiere. Das wird für die kommenden Generationen noch dramatischer werden“, befürchtet er. Das Urteil stelle klar: Generationsübergreifender Klimaschutz sei ein Grundrecht. „Wir fordern die Bundesregierung auf, das Urteil ernst zu nehmen und sich jetzt ambitioniert für Klimaschutz in der Landwirtschaft einzusetzen!“

Aus Sicht des Deutschen Bauernverbandes (DBV) sind die bereits festgelegten sehr ambitionierten Reduktionsziele des Klimaschutzgesetzes für das Jahr 2030 nur mit erheblichen Anstrengungen erreichbar. Strengere Reduktionsziele nach dem Jahr 2030 dürfen die Produktivität und somit die nachhaltige heimische Lebensmittelversorgung nicht gefährden. Eine damit verbundene mögliche Verlagerung der Produktion ins Ausland könne zudem zu höheren weltweiten Emissionen der Lebensmittelproduktion führen, sodass ein Grenzausgleichmechanismus zwingend erforderlich sei.

Die Bindung von Kohlenstoff in Bodenhumus stelle hingegen eine aktive Maßnahme des Sektors zum Klimaschutz dar. Allerdings könne dieses erhebliche Potenzial nur mithilfe einer Anreizkomponente, d. h. einer Honorierung, effektiv genutzt werden. Die EU habe sich in dieser Woche durch das EU-Klimagesetz zu den Leistungen der Land- und Forstwirtschaft in Bezug auf die Kohlenstoffbindung und die dadurch notwendige Förderung bekannt. Nun sei es wichtig, auch in Deutschland effektive Maßnahmen zur Nutzung der landwirtschaftlichen Potentiale zu etablieren.

Schulze will schnelle Nachbesserung

Das Verfassungsgericht gebe dem Gesetzgeber einen klaren Auftrag, auch über das Jahr 2030 hinaus klare gesetzliche Vorgaben für den Weg zur Klimaneutralität zu schaffen, erklärt Bundesumweltministerium Svenja Schulze. „Damit wir keine Zeit verlieren, werde ich noch im Sommer Eckpunkte für ein in diesem Sinne weiterentwickeltes Klimaschutzgesetz vorlegen, das langfristige Planungssicherheit schafft“, betont sie.

Union bleibt gelassen

„Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist zu akzeptieren. Im Grundsatz verstößt der Gesetzgeber aber nicht gegen das Klimaschutzgebot des Artikels 20a GG“, erklärt die umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Marie-Luise Dött. Es würden lediglich fehlende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 bemängelt. Der nächste Deutsche Bundestag werde sich ohnehin über eine Anpassung des Bundes- Klimaschutzgesetzes beugen müssen, da die EU ihr Klimaziel für 2030 erhöht hat und dies Auswirkungen auf Deutschland haben werde.

Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Andreas Jung, hat sich nach dem Klimaschutzurteil des Bundesverfassungsgerichts für eine Nachschärfung bei der CO₂-Bepreisung ausgesprochen. „Ich plädiere ausdrücklich dafür, dass wir dort nachschärfen", sagte Jung im phoenix-Interview. „Da ist es richtig, dass wir moderat einsteigen und dass wir das in Etappen machen, aber die Schritte müssen jetzt größer werden auf dem Weg bis 2030.“ Die dadurch ansteigenden Kosten bei der Mobilität und Beheizung von Wohngebäuden durch fossile Brennstoffe sollen durch Förderungen abgefedert werden. „Wir haben immer gesagt: Klimaschutz ja, aber wir müssen die Menschen mitnehmen und deshalb fördern wir den Heizungsaustausch, deshalb machen wir die Steuerförderung für die Gebäudesanierung und Kaufprämien für Öko-Autos“, so Jung.

DUH: „Es geht nicht um einfache Nachbesserung“

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) warnt die Bundesregierung, das historische Klimaschutz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht falsch auszulegen und fordert sofortige massive CO2-Einsparungen. Umweltministerin Schulze und andere Regierungsmitglieder würden mit ihren Äußerungen den Eindruck erwecken, als müssten nur die Ziele nach 2030 angepasst werden. Die DUH kündigt an, wenn die Regierung nicht sofort effektive CO2-Einsparmaßnahmen umsetzt, werde sie das vor Gericht erzwingen. „Die Verfassungsrichter sagen klar, dass die Lasten gleich verteilt und nicht auf die nachfolgende Generation abgeschoben werden dürfen“, erklärt Prof. Dr. Remo Klinger, der als Anwalt die zwei von der DUH mit initiierten und finanzierten Verfassungsbeschwerden vertreten hat. Beim derzeitigen Plan der Bundesregierung werde aber das gesamte verfügbare CO₂-Budget, das Deutschland noch hat, bis 2030 verbraucht. Damit dürfte ab dann nicht ein Gramm CO₂ mehr ausgestoßen werden. „Das ist genau das, was das Gericht als verfassungswidrig eingestuft hat“, betont er.Bleibe es beim derzeitigen Kurs, werde die Bundesrepublik das CO₂-Budget von 3,465 Gigatonnen, das ihr für die Einhaltung des 1,5 Grad Limits wissenschaftlich berechnet zusteht, innerhalb weniger Jahre aufbrauchen. Deutschland dürfte dann schon ab 2030 gar kein CO₂ mehr emittieren. Da dies Freiheit und Wohlstand vernichten würde, verletzt die Bundesregierung ihre verfassungsgemäßen Pflichten.Jürgen Resch, DUH-Bundesgeschäftsführer: „Es ist bezeichnend, dass ausgerechnet der Verkehrsminister schweigt. Ihn trifft das Urteil aus Karlsruhe frontal. Wir brauchen jetzt keine Diskussion über neue Ziele für das Jahr 2040 sondern den Beschluss und Umsetzung konkreter Klimaschutz-Maßnahmen noch in diesem Jahr wie dem sofort möglichen Tempolimit, dem Stopp der Lkw-Kaufprämie und stattdessen Reaktivierung der stillgelegten Bahngütertransport-Infrastruktur.“

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