topplus Neues Holzheizwerk

Kommunale Wärmeversorgung: Geratskirchen heizt mit Hackschnitzeln

Die niederbayerische Gemeinde Geratskirchen hat mit einem Nahwärmenetz Zeichen gesetzt. Im Oktober 2024 nahm die neue Heizzentrale ihren Betrieb auf und versorgt 100 Haushalte mit nachhaltiger Wärme.

Lesezeit: 7 Minuten

Während viele Kommunen in Deutschland mit Machbarkeitsstudien zur kommunalen Wärmeplanung beschäftigt sind und sich eventuell in ferner Zukunft mit dem Umstieg auf eine erneuerbare Wärmeerzeugung beschäftigen, hat sich die niederbayerische Gemeinde Geratskirchen bereits für die Zukunft gerüstet.

Denn die 855-Einwohner-Kommune besitzt seit Oktober 2024 eine eigene Heizzentrale und ein ca. 4 km langes Nahwärmenetz, das rund 100 Haushalte versorgt.

Forstbetrieb ist im Thema

Betreiber ist der Forstbetrieb Maier Lohn und Forst aus dem ca. 30 km entfernt liegenden Triftern. Der Betrieb bietet nicht nur Forstarbeiten, sondern auch kommunale Tätigkeiten und die Brennstoffaufbereitung an und ist im Brennstoffhandel tätig. „Wir haben täglich mit Holz zu tun. So pflegen wir auf ca. 650 km Strecke die Flächen unter Freileitungen und nutzen das Holz als Brennstoff“, sagt Inhaber Maximilian Maier.

Bis 2022 hat er die Hackschnitzel nur verkauft, 80 % davon nach Österreich, während die Haushalte vor Ort fast ausschließlich mit Öl beheizt wurden. „Mit dem Ukrainekrieg haben die Leute plötzlich umgedacht und bei mir angerufen, ob ich sie nicht mit Wärme beliefern kann“, sagt er. Erst hatte Herr Maier nur eine kleine Lösung im Blick, um 5-6 Häuser zu versorgen. Aber dann kam er mit Thomas Moser ins Gespräch, dem Produktmanager der Firma HDG Bavaria aus Massing. „Wir haben fast zwei Jahre lang geplant, verworfen, neu geplant usw., bis wir im September 2023 endlich bauen konnten.“

Das Konzept

Nach einem Jahr Bauzeit hat die Anlage im Oktober 2024 das erste Mal Wärme geliefert. Das Konzept sieht jetzt so aus:

  • Betreiber der Anlage ist die BMH Geratskirchen GmbH & Co. KG, eine Tochter der Maier Lohn & Forst GmbH & Co. KG. Maximilian Maier ist Geschäftsführer.

  • Die BMH Geratskirchen hat am Dorfrand ein neues Heizhaus errichtet, hierfür wurde der Standort des alten Wertstoffhofs genutzt und für den neuen Zweck umgebaut. Somit wurden keine neuen Flächen verdichtet. Der Hackschnitzelbunker fasst 460 m3, das Heizhaus ist mit zwei Hackschnitzelheizkessel vom Typ HDG M300-400 und ein HDG Compact 149 Kessel sowie die Wärmeverteilung und einem kleinen Büro ausgestattet. „Mit ca. 900 kW haben wir noch etwas Puffer, die Heizlast liegt noch unter dem Wert“, sagt Maier. Es gibt bereits schon die nächsten Anfragen, von Anschlussnehmern, die angeschlossen werden wollen. Und auch im Heizhaus ist noch Platz für eventuelle weitere Kessel.

  • An dem Heizhaus steht ein Pufferspeicher mit knapp 32.000 l Volumen, von dem aus die Wärme ins 4 km lange Nahwärmenetz abgegeben wird.

  • In jedem Haus wurden anstelle der Ölheizungen ein Pufferspeicher mit 800 Liter oder 1.000 Liter sowie eine Übergabestation errichtet. Außerdem wurden mit der Nahwärmeleitung auch gleich Datenkabel verlegt, damit jedes Haus einzeln angesteuert werden kann.

  • Bei den Tiefbauarbeiten wurde bereits Glasfaser mitverlegt, damit die Straßen nicht nochmal geöffnet werden müssen.

  • Die Wärme kursiert mit 80 °C Vorlauf und 55 °C Rücklauf im Netz. Die drei Kessel sind in Kaskade geschaltet. Die Steuerung erfolgt über die Temperatur im großen Wärmepufferspeicher am Heizhaus. Fällt sie unter ein bestimmtes Niveau, springt der zweite und dann der dritte Kessel an.

Die Finanzierung

Heizhaus, das Nahwärmenetz und die Übergabestationen haben zusammen rund 3 Mio. € gekostet. Um die Ausgaben zu finanzieren, wurde der Anschluss an das Nahwärmenetz wie folgt abgerechnet:

  • Jeder Anschlussnehmer hat einen Anschlusspreis von 14.400 € (brutto) für Pufferspeicher und Übergabestation einschließlich Kernbohrung ins Haus gezahlt.

  • Dazu kam eine Grundgebühr von 35 €.

  • Der verbrauchsabhängige Wärmepreis liegt hier aktuell bei 12 ct/kWh.

„Die Preise hatten wir 2023 vereinbart. Bei den gestiegenen Preisen für Kessel, Nahwärmenetz usw. liegen die Preise Stand heute eher zwischen 18.500 € und 25.000 € als Anschlussgebühr. Des Weiteren liegt die Grundgebühr auch bereits bei 40 €.  

Der Betrieb

Die Hackschnitzel stammen überwiegend von Privatwaldbesitzern aus der Gegend. Maier kauft ihnen entweder das Holz ab oder die Hackschnitzel, wenn sie selbst einen Hacker haben. In der Region fällt überwiegend Nadelholz an. Der Preis liegt momentan bei 25 €/m3 für waldfrische Hackschnitzel, bei 30 €/m3 für getrocknete Ware. „Für die Kessel sind Hackschnitzel mit 25 bis 30 % Feuchtigkeit ideal, sie sollten nicht zu trocken, aber auch nicht feucht sein“, sagt HDG-Produktmanager Moser.

Seine Erfahrungen:

  • Die Planungsphase kostet sehr viel Zeit und Mühe. „Ich bin sonntags von Tür zu Tür gelaufen und habe fast jedem Hausbewohner unser Modell vorgestellt. Eine transparente und gute Kommunikation ist unglaublich wichtig“, sagt Maier.

  • Eine Trennung von Wärmeproduktion und Wärmeverkauf z.B. durch eine Genossenschaft wäre zwar denkbar, war aber in Geratskirchen kein Thema.

  • Als Unternehmer musste er lernen, sich abzugrenzen. „Anfangs habe ich meine Handynummer weitergegeben, da wurde ich auch sonntags angerufen. Das würde ich bei einem neuen Projekt anders machen.“, sagt er. Feststeht: Die Bürger brauchen eine ständige Anlaufstelle für ihre Fragen. Dazu gehören Auskünfte zur Technik genauso dazu wie die Hilfe beim Ausfüllen von Förderanträgen und vielem mehr. „Das gehört eigentlich nicht zu unseren Aufgaben, aber wir sind ja kein seelenloser Großkonzern, sondern wollen ja auch helfen, wenn wir es können“, sagt er.

  • Er musste den Abnehmern ebenfalls klarmachen, dass der Wärmeverkauf keine Gelddruckmaschine, sondern sehr knapp kalkuliert ist. Oder dass der Hackschnitzelpreis anders kalkuliert wird als z.B. Öl oder Gas. „Wenn man sich die Kurven der letzten Jahre im Vergleich ansieht, ist der Hackschnitzelpreis relativ konstant. Bei Öl und Gas hingegen spielt der Weltmarkt eine große Rolle und schwankt oft sehr“, sagt er.

  • Erfahrungsgemäß ist es für einen Betreiber besser, wenn er nicht aus dem Ort kommt.

  • Ein großer Hemmschuh ist immer wieder die Förderung: Schon Ankündigungen auf eine Änderung lassen viele Bürger abwarten. „Da unsere Regierung in den letzten Jahren sehr viele Änderungen im Bereich dieser Förderung hatte, hat das viele Bürger massiv verunsichert“, sagt er.

  • Ein überzeugendes Konzept ist auch für die Finanzierung wichtig. „Ich hatte einen Bankberater, der wollte mir eigentlich schon absagen, aber als ich ihm vor Ort das Konzept ausführlich erläutert habe, hat er seine Meinung geändert“, sagt Maier.

  • Für wichtig hält er es, ungeplante Preissteigerungen mit einzukalkulieren. Preiserhöhungen während der Bauphase haben das Projekt am Ende 400.000 € teurer werden lassen.

  • Hilfreich ist ausreichend Lagerraum am Heizhaus. „Den Lagerraum muss ich eh bezahlen. Wenn ein Holzlieferant mir Hackschnitzel just in time liefert, muss er sie ja auch lagern und lässt sich das bezahlen. Dann kann ich das auch selbst machen“, sagt er.

  • Die drei einzelnen Kessel haben sich bewährt, da ihr Betrieb immer von den Außentemperaturen abhängt. Nur selten werden alle drei benötigt.

Der Ausblick

Künftig könnte sich Maier noch weitere Entwicklungen vorstellen: Dazu gehört u.a. der Umstieg auf einen elektrisch angetriebenen Radlader zum Befüllen des Hackschnitzelbunkers. Zum Laden würde er gern Solarstrom vom Dach des Heizhauses nehmen. „Aber die Maschinen sind momentan noch viel zu teuer. Und spannend wäre auch, die Batterie des Laders zu nutzen, um den Strom nachts für das Heizhaus verwenden zu können“, sagt er. Doch auch das bidirektionale Laden ist aktuell noch nicht möglich in Deutschland.

Genauso denkbar wäre, sehr günstigen Überschussstrom aus dem Netz mit einer Power-to-Heat-Anlage oder einer Wärmepumpe zu nutzen, die ebenfalls an den Pufferspeicher angeschlossen werden könnten. In einem weiteren Projekt, das er gerade plant, soll ein Teil der Wärme von einer Biogasanlage kommen. „Auch denken wir über eine Flusswärmepumpe nach, die das 12 °C warme Wasser aus einem Fließgewässer nutzt“, sagt er. Hackschnitzelheizkessel würden in allen Fällen immer dafür sorgen, Spitzenlasten oder saisonale Lücken zu decken. Sein Resümee: „Für mich sind Holzhackschnitzel die Zukunft in der Wärmewende. Ohne sie geht es nicht.“

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