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Kommunen vernachlässigen riesiges Biogaspotenzial der „Braunen Tonne“

Bei einem Pressetermin bei der Bioabfall-Biogasanlage von Reterra in Coesfeld wurde deutlich: Lebensmittel- und Gartenabfälle könnten sehr viel russisches Erdgas ersetzen.

Lesezeit: 5 Minuten

Der Landesverband Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen (LEE NRW) fordert eine Zeitenwende in der Abfallwirtschaft. „Es ist ein Unding, dass in Zeiten wie diesen nach wie vor 40 Prozent organische Abfälle in der Restmülltonne landen“, moniert der LEE NRW-Vorsitzende Reiner Priggen, „dieser Irrwitz wird noch dadurch getoppt, dass dieser wichtige Rohstoff für die Biogasnutzung vielerorts unter hohem Energieaufwand in Müllverbrennungsanlagen verbrannt wird.“ Denn diese benötigen meistens Erdgas als Stützfeuerung, weil Bioabfall feucht ist und per se nicht brennt. Sinnvoller wäre die Vergärung in Biogasanlagen.

Die Biogaserzeugung auf Basis von Bioabfällen ließe sich nach überschlägigen Berechnungen so auf gut 10 Mrd. kWh jährlich in etwa verdoppeln. Würden endlich im großen Stil auch Lebensmittelabfälle für die Biogasproduktion genutzt, ergäbe sich eine noch eine weitere Steigerung. Derzeit werden bundesweit rund 60 Mrd. kWh importiertes Erdgas für die Stromerzeugung eingesetzt. Allein mit einer konsequenten Nutzung von Bioabfällen könnten die Erdgasimporte für die Stromproduktion um annähernd 17 % gesenkt werden.

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Braune Tonne sollte Pflicht werden

Für den LEE NRW muss deshalb schnellstens bundes- und landesweit in allen Städten und Gemeinden eine Braune Tonne verpflichtend eingeführt werden, um die Bioabfälle flächendeckend gezielt einzusammeln und anschließend für die Biogaserzeugung zu nutzen. Für eine optimale dezentrale Verwertung der eingesammelten Reststoffe sind nach Einschätzung des LEE NRW neue Standorte für Abfallvergärungsanlagen notwendig, die durch den aktuell geltenden Landesentwicklungsplan beschränkt werden. „Gerade jetzt, in Zeiten drohenden Gasmangels, müssen wir die vorhandenen heimischen Energierohstoffe konsequent nutzen“, so Priggen.

Wie es anders geht, zeigen die Wirtschaftsbetriebe des Kreises Coesfeld (WBC) in Zusammenarbeit mit der Reterra West GmbH & Co. KG: Im Kreisgebiet sind im vergangenen Jahr insgesamt 46.675 Tonnen Bio- und Grünabfälle eingesammelt worden. Deren Anteil am kreisweiten Abfallaufkommen lag im Jahr 2021 bei 42 % - landesweit ein Spitzenwert. „Dank eines fraktionsübergreifenden Beschlusses im Kreistag vor rund zehn Jahren nutzen wir bilanziell alle Bio- und Grünabfälle komplett für die Energieversorgung“, verweist WBC-Geschäftsführer Stefan Bölte auf ein „Leuchttumprojekt“ des kreisweiten Klimaschutzkonzeptes, für das der Kreis 2019 mit dem European Energy Award in Gold ausgezeichnet worden ist.

Günstiges Heizen und niedrige Müllgebühren

Das aus den Bio- und Grünabfällen gewonnene Biogas wird in einem zweiten Arbeitsschritt gereinigt, sodass es problemlos ins „normale“ Erdgasnetz eingespeist werden kann. „Umgerechnet können wir jährlich bis zu 1.500 Haushalte mit Wärme versorgen“, rechnet WBC-Geschäftsführer Bölte vor. Diese Biowärme aus heimischen Rohstoffen nutzt nicht nur dem Klimaschutz und der Versorgungssicherheit. „Das eingespeiste Biomethan, das wir verkaufen, hilft im Ergebnis, die Müllgebühren für alle Haushalte niedrig zu halten.“

Bei der Biomethanerzeugung allein will es die WBC nicht belassen. An die Anlage soll ein Elektrolyseur mit 1 MW im ersten und 2 MW im zweiten Schritt angedockt werden, um so grünen Wasserstoff herzustellen: „Das Genehmigungsverfahren für den von uns vorgesehenen kleinen Elektrolyseur ist aber planungs- und genehmigungsrechtlich identisch mit dem einer chemischen Großanlage, was das Vorhaben sehr erschwert.“ Der Strom für die Elektrolyse soll aus Wind- und Solarparks kommen. In einem zweiten Schritt könnte der Wasserstoff dann mit dem CO₂ aus der Biomethanproduktion zu synthetischem Methan synthetisiert werden. Für einen wirtschaftlichen Betrieb ist laut Bölte sind aber laut Bölte deutlich mehr CO₂ und Wasserstoff nötig, als aktuell in der Anlage erzeugt wird.

"Enkeltaugliche Energiewende"

Auch Coesfelds Bürgermeisterin Eliza Diekmann steht voll hinter diesen Wasserstoff-Plänen. Für sie ist diese Nutzung ein weiterer Baustein auf dem Weg zu einem nachhaltigen Coesfeld: „Für uns als Kommune ist es wichtig, dass wir auch die Ressourcen, die sich uns hier vor Ort im Münsterland bieten, erkennen und nutzen. Regenerative Energie, die wir aus Sonne, Wind oder Wasser gewinnen, macht da nur den Anfang; für biogene Stoffe sehe ich da noch viele Möglichkeiten. Dort, wo wir uns unabhängiger machen können von fossilen Brennstoffen und uns stattdessen autark aufstellen, sollten wir die Gelegenheit nutzen – für eine enkeltaugliche Energiewende.“ Wie sie bei dem Pressegespräch deutlich macht, ist es für sie unverständlich, dass man sich überhaupt über eine Steigerung der Bioabfallvergärung unterhalten müsse. Das sollte selbstverständlich für alle Kommunen sein.

Weitere Abfallströme

Technisch ist es „überhaupt kein Problem“, mehr Biogas aus biogenen Abfällen zu erzeugen“, sagt Hendrik Becker, „die Technologie ist vorhanden und ausgereift. Was wir brauchen, sind die politischem Signale, um richtig loslegen zu können.“ Becker ist Gründer und Gesellschafter der PlanET Biogastechnik GmbH mit Sitz in Gescher, einem der führenden Hersteller von Biogasanlagen.

Für ihn liegt es auf der Hand, auch weitere organische Reststoffe wie beispielsweise aus der aus der Landwirtschaft oder Lebensmittel- Industrie zu nutzen. „Damit lässt sich das Potential für „Waste to Energy“ deutlich erhöhen“, so Becker. Auch der langjährige Bioenergieexperte sieht große Chance für den Einsatz von Biogas für die Herstellung von grünem Wasserstoff in Form von synthetischem Methan: „Da stehen wir noch ganz am Anfang.“

Eine erste Versuchsanlage kann sich Becker wie auch Reiner Priggen gut am Standort Coesfeld vorstellen. Für den LEE NRW-Vorsitzenden setzen die Stadt Coesfeld und der Kreis Coesfeld nicht nur beim Ausbau der Windenergie nachahmenswerte Akzente: „Was die Wirtschaftsbetriebe des Kreises Coesfeld zusammen mit Reterra machen, ist für andere Kommunen eine Blaupause, wenn es um die energetische Verwertung von Bioabfällen geht. Wir brauchen schnell mehr von solchen Coesfelds.“

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