Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Milchpreis Maisaussaat Ackerboden Rapspreis

topplus Energie und Ernährung

Lichtmesstag Triesdorf: Mehr Ehrlichkeit und Koordination zur Bewältigung der Energie- und Lebensmittelkrise

Beim Lichtmesstag in Triesdorf zeigten die Referenten, wo es bei der aktuellen Energiepolitik hakt und wo Bundes- und Landesregierung nachlegen müssen, um die selbstgesteckten Ziele zu erreichen.

Lesezeit: 7 Minuten

Die Energiekrise 2022 hat die Einstellung der Bevölkerung zu Energie- und Klimafragen maßgeblich verändert. „Energie ist deutlich teurer und wird nie mehr günstig zu haben sein. Gleichzeitig ist der Umbau der Energieversorgung zu bewältigen“, berichtet Norbert Bleisteiner, Leiter des Fachzentrums für Energie und Landtechnik (FEL), beim Triesdorfer Lichtmesstag im Februar 2022. Thema der von 200 Teilnehmern besuchten Vortrags- und Diskussionsveranstaltung war „Krisenzeiten bei Energie und Lebensmitteln – Verfügbarkeit und Bezahlbarkeit.“

Spannungsfeld Fachkräftemangel und Bürokratie

Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Bleisteiner hat die politischen Ziele für Bayern verdeutlicht: „In sieben Jahren sollen die jährlichen Treibhausgas-Emissionen auf ca. 440 Mio. t CO2-Äquivalente und bis 2045 auf Null reduziert werden. Umgerechnet müssten dafür allein in Bayern pro Woche 26 Fußballfelder PV-Anlagen, zwei Mega-Windräder neu gebaut und 1250 Wohnungen energetisch saniert werden. Ungeklärt, wie das angesichts von Fachkräftemangel, Genehmigungsverfahren und unzureichender Verfügbarkeit von Material und Rohstoffen zu bewerkstelligen ist.“

Die Reaktionen der Politik bezeichnet Bleisteiner als „Schmerztherapie“, die nicht an die Wurzeln der Probleme gehe. Man habe auf einen milden Winter gehofft und den Rettungsschirm für Haushalte aufgespannt. Der Staat vermittle die Botschaft „Wir helfen“. Viele politische Reaktionen würden bestehende Zielkonflikte offenlegen. „Bausteine, von denen wir uns politisch und gesellschaftlich distanziert haben, bleiben nun doch im Rennen: Atomkraftwerke gehen in Streckbetrieb, Kohlekraftwerke werden weiter betrieben, LNG wird importiert und Terminals in Rekordzeit gebaut“, zählt er auf. Eigentlich wolle man auch keine energetische Nutzung von Holz, keine biogenen Treibstoffe, keine Biogasanlagen, kein Fracking, keine CO2-Abspaltung & Einlagerung und kein Tempolimit. So bleibe vieles offen und langfristige Antworten sind Mangelware.

6 Forderungen zum Energieausbau

Für eine Neuausrichtung und eine Implementierung von erneuerbaren Energien fordert Bleisteiner einen massiven Netzausbau unter Beachtung der der Physik. Sonne und Wind stehen nur zu bestimmten Zeiten zur Verfügung und auch Wind bleibt wechselhaft. Um Nachfrage-Spitzen abzudecken können, müssen Stromanbieter diese mit Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken abpuffern und da wird es „schmutzig und teuer“! Bleisteiners Appell hat verschiedene Zielrichtungen:

  1. Alle Bürgerinnen und Bürger sind aufgefordert den Konsum deutlich zu reduzieren, vor allem bei der Mobilität und privaten Konsum;
  2. Eine ganzheitliche Planung ist erforderlich, um die erneuerbaren Energien voran zu bringen. Hier gelte es prioritär, den Netzausbau voran zu bringen. Unabhängig davon seien regionale Lösungen mit Energienutzung vor Ort sinnvoll.
  3. Durch Beteiligung an der Wertschöpfung ist die Akzeptanz der von Belastungen betroffenen Bürgern zu sichern.
  4. Die Grundlagen der Betriebswirtschaft sind zu akzeptieren. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. So wird immer eine bestimmte Angebotsmenge gebraucht, um Preisschwankungen und Unsicherheiten abzuwenden.
  5. Ganzheitliche und realistische Zielsetzung – nicht alles, was man sich wünscht, ist umsetzbar und es gilt Verantwortung zu tragen. Eine Lastenverlagerung ins Ausland oder Verwerfungen für andere Bereiche greifen zu kurz und sind egoistisch.
  6. Umsetzung eines multifaktoriellen Ansatzes bei der Flächennutzung dadurch, dass Klimalandwirtschaft betrieben und neben Lebensmittel- und Energieerzeugung Maßnahmen zur Erhöhung der Biodiversität umgesetzt werden.

Energieversorgung und Netzausbau

Rainer Kleedörfer, Leiter Zentralbereich Unternehmensentwicklung/Beteiligungen der N-ERGIE Aktiengesellschaft zog eine ernüchternde Bilanz zum bisherigen Verlauf der Energiewende: Nach 20 Jahren sei es gelungen, 20 % des Energieverbrauchs über erneuerbare Energien abzudecken. Wenn wir so weitermachen, würden wir rein rechnerisch noch weitere 80 Jahre brauchen, um klimaneutral zu werden. Positiv bewertet er, dass es in Deutschland gelungen ist, das Wirtschaftswachstum vom Energieverbrauch zu entkoppeln. Doch hohe Importe von Mineralöl, Erdgas und Steinkohle, Rohstoffknappheit und weltweiter Wettbewerb verdeutlichen die deutsche Import-Abhängigkeit. Auch beim teuren und klimaschädlichen Schwenk zu LNG bleibe die Abhängigkeit bestehen. Mit Investitionen im Bereich Flüssiggas binde man sich langfristig weiter an fossile Brennstoffe und gleichzeitig an die USA.

Als „Irrglaube“ bezeichnet Kleedörfer den Standpunkt, dass in Deutschland Politik gemacht werden kann und die Welt diesem Beispiel folgen werde. Er fordert mehr Ehrlichkeit. Die Lieferanten-Länder seien oft keine lupenreinen Demokratien und es gelten dort andere Umwelt- und Arbeitsstandards als bei uns.

Und Märkte funktionieren nach einfachen Regeln: hohe Nachfrage stößt auf hohe Preise – auch im Bereich Energie und Rohstoffe. Deshalb ist seine Forderung, den Fokus auf die Bezahlbarkeit zu richten. Der Preisanstieg von Strom und Energie habe sich schon Mitte 2021 abgezeichnet. Die sprunghafte Nachfrage in 2022 habe den Preisanstieg dann deutlich verschärft.

Privatkunden haben nicht weniger verbraucht

Die Zahlen der N‑ERGIE zeigen, dass die privaten Haushalte 2022 gegenüber 2021 beim Gasverbrauch nichts eingespart haben. Den tatsächlichen Rückgang des Gasverbrauchs könne sich die Industrie auf die Fahne schreiben, die durch Effizienzsteigerungen, Ausweichen auf Erdöl, Werksschließungen, Produktionsverlagerung ins Ausland oder Insolvenz die Gasversorgung im Winter 2022/23 gerettet habe. Für die Zukunft gelte es den Blick auf Speicheroptionen zu richten, um Schwankung der Stromerzeugung und des Stromverbrauchs abzufedern und Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Eine verbreitete Illusion sei der Glaube, mit erneuerbaren Energien allein wäre das zu erreichen. Diese Gegebenheiten gelte es den Politikern klar zu machen.

Neben dem Rohstoffmangel ist der Fachkräftemangel eine entscheidende Stellschraube. Der Wille zum Umbau allein sei nicht ausreichend. Es brauche die Kraft von mehreren 100.000 Fachkräften, um die erforderlichen baulichen Maßnahmen und Installationen zu schaffen. Als Energieversorger konzentriert sich die N-ERGIE derzeit auf den Stromnetzausbau. Der Ausbaubedarf orientiere sich dabei am Zuwachs von Erneuerbaren Energien und werde eng mit den Kommunen abgestimmt. Noch wichtiger sei es, mehr zu koordinieren als den Netzausbau zu beschleunigen. Zudem müsse man konventionelle Kraftwerke zubauen. Denn vor 2030 stehe Wasserstoff als Energiespeicher nicht in nennenswertem Umfang zur Verfügung.

Westmittelfranken im „an‑Land‑Wind“

Von den Herausforderungen bei der Realisierung vor Ort berichtete Dr. Alban Barrón vom regionalen Planungsverband Westmittelfranken. Er ist mit den erreichten Ergebnissen zufrieden, schließlich sei es in den vergangenen Jahren trotz 10‑h‑Regelung gelungen, Windkraft weiter auszubauen. Mit dem „Wind‑an‑Land‑Gesetz“ werden zwei Ziele verfolgt. Zum einen soll bis 2030 80% des verbrauchten Stroms aus Erneuerbaren Energien kommen und zum anderen soll bis 2045 Strom klimaneutral erzeugt werden. Dazu wurden verbindliche Flächenziele für Windenergie festgeschrieben, in Bayern 1,8% der Fläche. Als Drohkulisse dient dabei der mögliche Wegfall der Privilegierung.

In Westmittelfranken sind derzeit ca. 0,5% der Fläche als Vorrang- und Vorbehaltsgebiete und als Flächen in Flächennutzungsplänen festgeschrieben, bis Ende 2027 sollen 1,1% und bis Ende 2032 mind. 1,8% der Regionsfläche stehen. Entscheidend ist, solange der Planträger das Flächenziel erreicht, ist er frei und braucht keine Planungskriterien definieren. Als neue Regelung im Bundesnaturschutzgesetz wurde verankert, dass Windkraftanlagen auch in Landschaftsschutzgebieten gebaut werden können, zumindest so lange, bis die gesteckten Ziele erreicht sind. Der Regionale Planungsverband hat die politische Phase schon abgeschlossen, arbeitet derzeit in der konzeptionellen Phase und ist in Abstimmung mit den Kommunen. Im März soll die Öffentlichkeit beteiligt werden und ab Oktober 2023 stehen die ersten Beteiligungsverfahren an.

Biogasanlagen stabilisieren die Strompreise

Dr. Stefan Rauh (Geschäftsführer Fachverband Biogas e.V.) mahnt eine höhere Wertschätzung und Einbeziehung von Strom und Wärme aus Biogasanlagen an. Fakt sei, Biogasanlagen sichern die Stromversorgung von 10 Mio. Haushalten in Deutschland und versorgen darüber hinaus 1 Mio. Haushalte mit Wärme. Das Angebot der Branche, kurzfristig mehr zu liefern, sei auf dem Tisch. Hohe Strompreise sind für ihn Ausdruck von Knappheiten auf dem Markt. Biogas kann dazu beitragen, Knappheiten zu mildern.

Dass Biogasanlagen dann abgeschöpft werden sollten, wenn sie genau das getan haben und bei hohen Preisen eingespeist haben, ist für ihn nicht nachvollziehbar. Das Vertrauen in die Politik ist erschüttert, auch wenn inzwischen die Politik die positiven Aspekte verstanden habe und Biogasanlagen bis zu einer Bemessungsleistung von 1 Megawatt (ohne zusätzliche BHKW) ausgenommen hat. Klar sei, dass der Strom aus PV‑Anlagen in der Erzeugung günstiger sei, doch die Stärke der Biogasanlagen ist eine sichere Grundlast abdecken, aber auch flexibel reagieren zu können. Für die Zusammensetzung eines günstigen Strompreises sei diese Option elementar, für Energieversorger und Verbraucher. Gleichzeitig muss diese sichere Verfügbarkeit von Energie ausreichend gegenfinanziert sein.

Mehr zu dem Thema

top + Zum Start in die Maisaussaat keine wichtigen Infos verpassen

Alle wichtigen Infos & Ratgeber zur Maisaussaat 2024, exklusive Beiträge, Videos & Hintergrundinformationen

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.