Meldungen über Produktionsrekorde: Verbrauchertäuschung?
Ein Großteil des deutschen Ökostroms bleibt heute ungenutzt. Daher fordert ein Wissenschaftler der TU Dresden eine ehrlichere Debatte über die Energiewende.
Seit der Einführung des Earth Day in Deutschland am 22. April 1993 steigt der Anteil erneuerbarer Energien kontinuierlich. Nach Berechnungen des Stromversorgers E.ON liegt er derzeit bei ca. 40 Prozent3. Den größten Anteil machen dabei Windenergie an Land, Photovoltaik und Biogas aus. Mit dieser Menge könnte der gesamte bundesdeutsche Strombedarf für knapp vier Jahre auf dem Niveau von 2018 gedeckt werden – und zwar ausschließlich mit alternativen Energiequellen, rechnet E.ON vor.
Erst kürzlich hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Eröffnung des Offshore-Windparks Arkona behauptet, die angeschlossene Leistung des Ostseewindparks von 385 Megawatt könne 400.000 Haushalte mit Strom versorgen.
Bei Flaute produzieren Windparks keinen Strom
„Die Aussage grenzt aber an Verbrauchertäuschung. Tatsächlich kann dieser Windpark noch nicht einmal einen einzigen Haushalt kontinuierlich versorgen“, kritisiert der emeritierte Professor Sigismund Kobe von der Technischen Universität Dresden, der sich schon länger mit Fragen der Energiewende beschäftigt. Wie Kobe ermittelt hat, standen am 22. März 2019 beispielsweise alle Windenergieanlagen in der Ostsee über 12 Stunden lang still. „Daher wären gigantische Speicher nötig, um eine solche Flaute zu überbrücken“, betont der Wissenschaftler.
Dazu stellt er folgende Rechnung an: Der mittlere Jahresverbrauch eines Haushalts liegt bei ca. 3200 kWh. Teilt man diesen durch die Anzahl der Stunden im Jahr: (365 x 24), so erhält man 0,365 kW. Im Mittel benötigt also jeder Haushalt 0,365 Kilowatt Strom. Für die besagten 400 000 Haushalte wären das etwa 146 Megawatt. „Da der Windpark eine installierte Leistung von 385 Megawatt besitzt, kann er näherungsweise je nach Windbedingung im Jahresmittel durchaus eine verfügbare mittlere Leistung von 146 Megawatt bereitstellen. Aber nicht gleichmäßig“, sagt Kobe. Um zum Beispiel die Flaute am 22.3. zwischen 4 und 18 Uhr (14 Stunden) mit Strom aus einem Speicher kompensieren zu können, müsste dieser etwa eine Speicherkapazität von 146 Megawatt x 14 h, also über 2000 Megawattstunden (entspricht 2 Gigawattstunden) besitzen – eine gigantische Größe.
Keine gesicherte Leistung
Genauso naiv hält Kobe Aussagen, dass erneuerbare Energien ohne weiteres kurzfristig die gesicherte Kohlekraftwerksleistung ersetzen könnten, wie es die für Klimaschutz protestierenden Schüler fordern.
Er nennt dazu ein Beispiel: Das sächsische Kraftwerk Boxberg besitzt vier Blöcke. Die kleineren davon haben eine Leistung von 500 Megawatt. „Man würde also etwa 200 Windenergieanlagen vom Typ der Anlagen von Arkona sowie eine Batterie mit derzeit unvorstellbar großer Speicherkapazität benötigen, um nur einen einzigen Block in Boxberg ersetzen zu können“, warnt er. Darum fordert er eine ehrliche und kritische Bestandsaufnahme und einen öffentlichen Diskurs über die Energiewende.
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Seit der Einführung des Earth Day in Deutschland am 22. April 1993 steigt der Anteil erneuerbarer Energien kontinuierlich. Nach Berechnungen des Stromversorgers E.ON liegt er derzeit bei ca. 40 Prozent3. Den größten Anteil machen dabei Windenergie an Land, Photovoltaik und Biogas aus. Mit dieser Menge könnte der gesamte bundesdeutsche Strombedarf für knapp vier Jahre auf dem Niveau von 2018 gedeckt werden – und zwar ausschließlich mit alternativen Energiequellen, rechnet E.ON vor.
Erst kürzlich hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Eröffnung des Offshore-Windparks Arkona behauptet, die angeschlossene Leistung des Ostseewindparks von 385 Megawatt könne 400.000 Haushalte mit Strom versorgen.
Bei Flaute produzieren Windparks keinen Strom
„Die Aussage grenzt aber an Verbrauchertäuschung. Tatsächlich kann dieser Windpark noch nicht einmal einen einzigen Haushalt kontinuierlich versorgen“, kritisiert der emeritierte Professor Sigismund Kobe von der Technischen Universität Dresden, der sich schon länger mit Fragen der Energiewende beschäftigt. Wie Kobe ermittelt hat, standen am 22. März 2019 beispielsweise alle Windenergieanlagen in der Ostsee über 12 Stunden lang still. „Daher wären gigantische Speicher nötig, um eine solche Flaute zu überbrücken“, betont der Wissenschaftler.
Dazu stellt er folgende Rechnung an: Der mittlere Jahresverbrauch eines Haushalts liegt bei ca. 3200 kWh. Teilt man diesen durch die Anzahl der Stunden im Jahr: (365 x 24), so erhält man 0,365 kW. Im Mittel benötigt also jeder Haushalt 0,365 Kilowatt Strom. Für die besagten 400 000 Haushalte wären das etwa 146 Megawatt. „Da der Windpark eine installierte Leistung von 385 Megawatt besitzt, kann er näherungsweise je nach Windbedingung im Jahresmittel durchaus eine verfügbare mittlere Leistung von 146 Megawatt bereitstellen. Aber nicht gleichmäßig“, sagt Kobe. Um zum Beispiel die Flaute am 22.3. zwischen 4 und 18 Uhr (14 Stunden) mit Strom aus einem Speicher kompensieren zu können, müsste dieser etwa eine Speicherkapazität von 146 Megawatt x 14 h, also über 2000 Megawattstunden (entspricht 2 Gigawattstunden) besitzen – eine gigantische Größe.
Keine gesicherte Leistung
Genauso naiv hält Kobe Aussagen, dass erneuerbare Energien ohne weiteres kurzfristig die gesicherte Kohlekraftwerksleistung ersetzen könnten, wie es die für Klimaschutz protestierenden Schüler fordern.
Er nennt dazu ein Beispiel: Das sächsische Kraftwerk Boxberg besitzt vier Blöcke. Die kleineren davon haben eine Leistung von 500 Megawatt. „Man würde also etwa 200 Windenergieanlagen vom Typ der Anlagen von Arkona sowie eine Batterie mit derzeit unvorstellbar großer Speicherkapazität benötigen, um nur einen einzigen Block in Boxberg ersetzen zu können“, warnt er. Darum fordert er eine ehrliche und kritische Bestandsaufnahme und einen öffentlichen Diskurs über die Energiewende.