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Naturstrom: „Keine langfristigen Energielieferverträge mehr möglich“

In einem Pressegespräch anlässlich der Hauptversammlung gaben Vertreter der Naturstrom AG einen Einblick, welche Auswirkungen die turbulenten Energiemärkte auf die Energielieferung haben.

Lesezeit: 5 Minuten

Für den Öko-Energieversorger naturstrom AG war das abgeschlossene Geschäftsjahr schwierig. Als Grund nannte der scheidende Vorstandsvorsitzende, Dr. Thomas Banning das schwache Windjahr 2021, das zu 25 % weniger Stromproduktion geführt habe. Die im vierten Quartal stark steigenden Strompreise konnten den Rückgang umsatzmäßig nur zum Teil kompensieren.

Zudem habe die Preisentwicklung an den Energiemärkten die Marge bei der Belieferung gedrückt. Eigene Erzeugungsanlagen konnten zwar den Preisauftrieb für die Kunden dämpfen. „Das führte aber auch zu einem geringeren Ergebnis“, führte Banning aus.

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Neuausrichtung der Energieversorgung

Bei der Hauptversammlung hat der Öko-Energieversorger Naturstrom AG die Weichen für die Zukunft gestellt. Im Rahmen einer strategischen Neujustierung wird der bisherige Geschäftsbereich Energieerzeugung in dem neuen Unternehmen „NaturEnergy“ verselbständigt. Auch in den Führungsorganen des Unternehmens ergeben sich erhebliche Veränderungen: Der Vorstandsvorsitzende Dr. Thomas Banning und der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Hermann Falk scheiden aus. Sophia Eltrop komplettiert als neue CFO ab Oktober den dann wieder dreiköpfigen Vorstand. Den Vorstandsvorsitz übernimmt der langjährige Vorstand Oliver Hummel. Der Umsatz 2021 lag bereits über 450 Mio. Euro, für das laufende Jahr wird damit gerechnet, die Schwelle von 500 Mio. Euro zu überschreiten.

Künftig konzentriert sich die naturstrom AG auf ihre Rolle als Ökostrom- und Ökogasanbieter sowie als Energielieferant und -dienstleister in dezentralen Quartiers-, Wärme- und Mieterstromprojekten. „Unsere Stärke liegt darin, grüne Energie in den Markt und zu den Menschen zu bringen“, bekräftigt Vorstand Oliver Hummel. „Dabei kommt es uns auf den Mehrwert für die Energiewende an – egal ob bei unseren deutschlandweiten Öko-Energieprodukten oder den maßgeschneiderten Quartierstarifen. In beiden Bereichen gibt es noch viel zu tun und vor dem Hintergrund der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen großes Wachstumspotenzial.“

"So große Schwankungen wie noch nie"

In den Energiemärkten gibt es aktuell so große Schwankungen wie nie zuvor. Lag der Großhandelsstrompreis Anfang 2021 noch bei 5 ct/kWh, ist er aktuell auf 70 ct gestiegen, erklärt Hummel. Auch beim Gaspreis geht es seit Monaten nur aufwärts. „Doch während sich der hohe Gaspreis mit den geringen Lieferungen aus Russland erklärten lässt, ist der Grund für den Strompreis vielschichtiger“, sagt er. Ein wichtiger Grund dafür seien die Produktionsrückgänge der französischen Atomkraftwerke (AKW), die aktuell nur noch 50 % der Leistung liefern. Gründe dafür sind Wartungsarbeiten und Ausfälle, aber auch niedrige Wasserstände und hohe Wassertemperaturen in den Flüssen. Darum können die AKW nicht entsprechend gekühlt werden. „Darum importiert Frankreich viel Strom und treibt damit die Preise hoch“, sagt Hummel. Die niedrigen Wasserstände führen zudem dazu, dass Kohlekraftwerke nicht ausreichend mit Kohle beliefert werden können.

Die Stromerzeugung hat sich auch bei der naturstrom AG verändert. Lag im Jahr 2020 der Anteil des Ökostroms noch bei 99 % Strom aus deutschen Wasserkraftanlagen und 1 % Photovoltaik, setzte sich der Strommix im Jahr 2021 aus 44 % Wasserkraft, 41 % Windkraft und 15 % Photovoltaik zusammen. „Wir haben über über 100 Windkraftanlagen, die aus dem EEG gefallen sind, Stromlieferverträge abgeschlossen. Zudem konnten wir bei neuen Photovoltaikfreiflächenanlagen Stromlieferverträge (PPA) abschließen“, erklärt er. Denn diese Power-Purchase-Agreements lösen immer häufiger die EEG-Vergütung ab. Inzwischen sind auch langfristige Verträge über zehn Jahre möglich. Das ist laut Hummels gerade für die Bankfinanzierung essentiell.

Die Strompreisschwankungen, die zum Teil bis zu 10 ct/kWh am Tag ausmachen, aber auch die Kapriolen auf dem Gasmarkt lassen künftig keine langfristigen Lieferverträge mehr zu. Neben den Einflüssen des Marktes kommen auch immer häufiger neue politische Rahmenbedingungen dazu. „Weder wir noch die Kunden haben daher Interesse an langfristigen Verträgen“, sagt er.

Biogas schwierig

Biogasanlagen sind für die naturstrom AG keine Option mehr. Nur noch in Kombikraftwerken spielen sie eine Rolle für die Zeiten, in denen Wind- und Photovoltaikanlagen keinen Strom liefern. Biogas als Ökogasbeimischung ist laut Hummel auch sehr schwierig geworden. Denn viel Biomethan werde aktuell als Kraftstoff verwendet. „Das ist aus unserer Sicht wenig sinnvoll. denn wir haben ja kein Engpass bei Diesel oder Benzin, sondern bei Erdgas. Darum müsste die Politik gegensteuern und den Wärmebereich attraktiver machen“, fordert er.

Schwierig bleibt auch die Wärmeversorgung über Nahwärmenetze. „Wir haben bei einigen Holhzeizwerken wirtschaftliche Probleme“, berichtet Vorstandsmitglied Dr. Kirsten Nölke. Ebenso sei das neue EEG beim Mieterstrom nachteilig. Denn das EEG regt dazu an, den Strom wieder komplett einzuspeisen. „Wegen des neuen Volleinspeisebonus fallen Selbstversorgungsansätze wie die Mieterstromversorgung herunter. Dabei wäre die Selbstversorgung sehr effizient, weil damit weniger Strom über die Netze transportiert werden müsste“, sagt Nölke. Stark im Kommen sind ihrer Meinung Nahwärmelösungen im Neubau u.a. mit Wärmepumpen, bei denen keine Brennstoffe benötigt werden.

"Hohe Ziele kommen an der Basis nicht an"

Noch-Vorstand Banning kritisiert zudem, dass sich die Bundesregierung immer ehrgeizigere Ziele setze, bei der Basis davon aber nichts zu spüren sei. „Wir sehen keinen Fortschritt bei den Behörden, die immer noch viele Projekte auf die lange Bank schieben aus Angst, Fehler zu machen.“ Viele Kommunen würden auf Festlegungen des Bundes warten, um sich darauf berufen zu können und selbst keine Entscheidung fällen zu müssen. Laut Banning könnten wesentlich mehr Projekte umgesetzt werden, wenn die Behörden hier entscheidungsfreudiger wären. „Es kann doch in der heutigen Zeit nicht sein, dass ein Uhu oder ein Rotmilan ganze Projekte um Jahre verzögert“, kritisiert er. Sein Vorstandskollege Hummel ergänzt: „Große Unternehmen wie Uniper werden staatlich gerettet, während Stadtwerke als Stütze eine Kommune im Rücken haben. Nur Mittelständler wie wir als Ökoenergieanbieter werden benachteiligt. Auch das gehört auf die politische Agenda.“

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