topplus Reform der Netzentgelte

Bundesnetzagentur vernachlässigt Bioenergie

Die Bundesnetzagentur plant eine Überarbeitung der Netzentgelte. Trotz Unterstützung fordert das Hauptstadtbüro Bioenergie mehr Berücksichtigung der Netzdienlichkeit von Biogasanlagen.

Lesezeit: 4 Minuten

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) will im Verfahren zur Festlegung der Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom (AgNes) die Netzentgelte neu verteilen. Hintergrund ist das Außerkrafttreten der Stromnetzentgeltverordnung. Wenngleich die Verbände im Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) die Initiative der BNetzA begrüßen, äußern sie auch Bedenken im Hinblick auf die vorgeschlagene Umsetzung.

Kritik ernten vor allem die fehlende Berücksichtigung der Netzdienlichkeit von Bioenergieanlagen sowie klare Aussagen zum Bestandsschutz. „Dass sich die BNetzA dem Thema der Neuverteilung der Netzentgelte annimmt und den Diskussionsraum eröffnet hat, ist ein wichtiger erster Schritt. Dennoch fokussiert sich die BNetzA in ihrem Entwurf hauptsächlich auf finanzielle Regelungsinstrumente sowie auf Aspekte der Standortsteuerung“, kritisiert Sandra Rostek, Leiterin des HBB.  Eine zentrale und für die Bioenergiebrache relevante Kenngröße bleibe unberücksichtigt: die Netzdienlichkeit von Bioenergieanlagen. „Die pauschale Gleichbehandlung sämtlicher EE-Anlagen hinsichtlich netzbezogener Kosten ist aus unserer Sicht sachlich nicht gerechtfertigt“, sagt sie.

Relevanter Beitrag

Laut der Verbände leisten Biogas- und Biomethananlagen sowie Holz(heiz)kraftwerke durch ihre steuerbare Einspeisung einen relevanten Beitrag zur regionalen Netzstabilität, zur Vermeidung von Redispatch-Maßnahmen sowie zur Versorgungssicherheit im ländlichen Raum. Sie können saisonal, aber auch im Tagesverlauf ihre Leistung erhöhen oder herunterfahren und so kurzfristig mehr Energie in Form von Strom und Wärme bereitstellen und Netze entlasten.

Daneben hegt Rostek erhebliche Bedenken hinsichtlich der vorgeschlagenen Umsetzung der Regeln für Bestandsanlagen. „Bereits am Netz befindliche Anlagen haben bei ihrer Planung und Finanzierung auf die damals geltenden Rahmenbedingungen vertraut. Die geplante Umsetzung kann je nach Ausgestaltung zu Lasten der Technologien gehen, die sich frühzeitig für die Energiewende eingesetzt haben“, bemängelt sie.

Diese und weitere Kritikpunkte finden Sie auch in der Stellungnahme des HBB, welche auf der Webseite zu finden ist.

 BEE: Flexibilitätsanreize wichtig

Auch der Bundesverband Erneuerbare Energie e. V. (BEE) hat seine Stellungnahme zum Diskussionspapier der Bundesnetzagentur vorgelegt. Dabei sei es entscheidend, dass ein neues Netzentgeltsystem rechtssicher etabliert werde und eine Steuerungswirkung für den Anreiz von Flexibilitäten sowie eine optimale Netznutzung entfalte, fordert BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter. „Der Ausbau der Erneuerbaren Energien hat wieder deutlich an Dynamik gewonnen. Sie liefern mittlerweile den weitaus größten Anteil am deutschen Strommix und sind daher systemsetzend. Das erhöht den Reformdruck auf das Gesamtsystem und die Anpassung der Netze.“

Das aktuelle Netzentgeltsystem sei nicht mehr dazu geeignet, Ausbau und Integration der Erneuerbaren in dieser neuen Erzeugungsrealität zu steuern. Eine Reform sei daher nötig. Ein neues Netzentgeltsystem müsse aber rechtssicher, netz- und systemdienlich sein und Flexibilitäten anreizen. Sie seien die neue Leitgröße im Strommarkt. Prämisse sollte aus Sicht der Erneuerbaren-Branche daher sein, lokale Signale sowie Netzzustandssignale zu setzen und nicht eine möglichst breite Finanzierungsbeteiligung an den Netzentgelten zu erreichen.

Netzdienliche Anlagen bevorzugen

Bei der Ermittlung eines möglichen Einspeisenetzentgeltes (ENE) müsse neben der räumlichen Steuerung auch der Zeitpunkt der Einspeisung Berücksichtigung finden – also die Fahr- bzw. Betriebsweise einer Anlage ein maßgebliches Kriterium darstellen. „Anlagen, deren Betrieb nachweislich netzdienlich erfolgt, müssen in einem solchen Entgeltsystem berücksichtigt werden. Dafür könnten sie von reduzierten ENE profitieren oder aber gänzlich davon befreit werden. Damit entsteht über das ENE eine Lenkungswirkung und es wird mehr Flexibilität und Effizienz im Netz gezielt angereizt“, so Peter. Eine pauschale Gleichbehandlung sämtlicher EE-Anlagen hinsichtlich netzbezogener Kosten lehnt der BEE dagegen ab.

Die im Arbeitspapier skizzierten Instrumente eines Arbeits-, Leistungs- oder Grundpreises erfüllen nach Ansicht der Branche nicht die Anforderungen an ein geeignetes Einspeisenetzentgelt. Hier könnte ein entsprechend modifizierter Kapazitätspreis die richtigen Anreize setzen.

“Ein Kapazitätspreis bepreist die richtigen Parameter, nämlich die Anschluss- und Übertragungskapazität im Netz. Richtig ausgestaltet schafft er Raum für ein flexibleres Verhalten am Netzanschlusspunkt und die Nutzung der vorhandenen Netzkapazität. Somit könnten auch der Anlagenbestand und Speicher angesprochen werden,” so Peter.

Auch die Netzbetreiber profitierten von positiven Effekten: Da nur eine fest vereinbarte Kapazität ganzjährig zur Verfügung gestellt werden müsse, sei eine bessere Planung des Netzes möglich. Geschickt kombiniert könnten Kapazitätspreis und intelligent ausgestalteter Baukostenzuschuss dazu beitragen, den Zubau räumlich effektiv zu steuern, Flexibilitäten zu heben und somit Redispatchkosten zu senken, ist sich die EE-Branche sicher.

Ihre Meinung ist gefragt

Was denken Sie über dieses Thema? Was beschäftigt Sie aktuell? Schreiben Sie uns Ihre Meinung, Gedanken, Fragen und Anmerkungen.

Wir behalten uns vor, Beiträge und Einsendungen gekürzt zu veröffentlichen.

Mehr zu dem Thema

top + Wissen, was wirklich zählt

Zugang zu topagrar.com & App: Nachrichten, Marktdaten, Empfehlungen. Jetzt 4 Wochen testen!

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

E-Mail-Adresse

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.