Nicht erst im Wahlkampf zur Bundestagswahl fordern konservative Politiker und Parteien die Rückkehr zu Großkraftwerken auf Basis von Kernenergie, Erdgas oder sogar Kohle. Sie sehen darin eine Möglichkeit zur Strompreissenkung. Die Energiewende würde in Deutschland dagegen zu hohen Strompreisen und damit zur Deindustrialisierung führen.
Die (Noch-)Bundesregierung scheint nur etwas fortschrittlicher eingestellt zu sein: Immerhin setzt sie in der Kraftwerksstrategie auf den Bau von neuen Gaskraftwerken, die bei Bedarf mit Wasserstoff betrieben werden können.
Großkraftwerke sind nicht flexibel
Allen diesen Ideen ist aber eines gemein: Sie helfen weder, den Strompreis zu senken, noch den Herausforderungen der Energieversorgung zu begegnen. Und schon gar nicht sind Kohle- oder Erdgaskraftwerke ein Mittel, um den Klimawandel zu stoppen. Doch, selbst wenn man das Klimaschutzargument außen vor lässt: Gegen Großkraftwerke spricht, dass sie wenig flexibel sind und damit die wachsende dezentrale Erzeugung und den nötigen, variablen Verbrauch von Strom konterkarieren.
Dabei hilft ein Blick in den Bericht der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEA): Der globale Markt für Atomkraftwerke stagniert seit Jahren auf sehr niedrigem Niveau, eine echte Renaissance ist, anders als oft behauptet wird, nicht in Sicht. Die Ursachen für das schwache Wachstum sind extrem hohe Investitionskosten, sehr lange Bauzeiten von bis zu 15 Jahren und ebenso extrem hohe Finanzierungsrisiken, die praktisch nur von Staatsunternehmen übernommen werden können.
Erneuerbare bringen Wertschöpfung aufs Land
Ganz anders die Erneuerbaren: Sie sorgen für Wertschöpfung im Land und in den Regionen, bieten immer mehr Menschen attraktive Arbeitsplätze (heute sind es deutschlandweit rund 390.000) und senken Importkosten und Importrisiko. Batterien, Biogas- und Biomethananlagen, Wasserkraftwerke und die Wasserstoffproduktion sowie ein flexibler Verbrauch gekoppelt mit einer intelligenten Steuerung und Digitalisierung sind modernere und sinnvollere Alternativen als teure und unflexible Großkraftwerke. Gerade mit Blick auf die außergewöhnliche langen Phasen der Dunkelflauten im bisherigen Winter könnten sie eine schnelle und sinnvolle Lösung sein.
So ließe sich aus den Fehlern lernen
Doch derzeit setzt die (Noch-)Bundesregierung mit ihrem Zögern die Energiewende massiv aufs Spiel. Dabei sollte sie aus den Fehlern der Vergangenheit lernen. Im Laufe der letzten drei Jahrzehnte hat es nicht nur beim Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag feiert, fatale Fehlentscheidungen gegeben, deren Auswirkungen bis heute zu spüren sind:
Die 2007 eingeführte Besteuerung von reinen Biokraftstoffen wie Biodiesel oder Pflanzenöl führten innerhalb kürzester Zeit zum Ende dieser Klimaschutzmaßnahme im Verkehr. Mit dem Verbrauchsrückgang ist auch das Steueraufkommen zurückgegangen, womit die Bundesregierung nichts gewonnen hat. Zudem sind Hunderte von Biodieselproduktionsstätten, über 600 dezentrale Pflanzenölmühlen usw. in Deutschland verschwunden und damit viel heimische Wertschöpfung. Gewonnen haben nur die Mineralölkonzerne, weil sie Biokraftstoffe als Beimischungskomponente in den Markt bringen und damit das Geschäft komplett übernehmen konnten. Zudem kommt der Klimaschutz im Verkehr seit Jahrzehnten nicht von der Stelle.
Schon im Jahr 2009 hatten wir in Deutschland eine schwere Gaskrise. Da eine Einigung über den zukünftigen Lieferpreis bis Ende Dezember 2008 nicht erreicht wurde, stellte der russische Erdgaslieferant Gazprom zum Jahresbeginn 2009 die Erdgaslieferungen an die Ukraine ein. Das hatte in Deutschland die Angst vor einem Lieferstopp geschürt. Schon damals brachte sich die Biogasbranche in Stellung – wie 2022 ohne Erfolg. Stattdessen setzte Deutschland weiter auf russisches Erdgas und musste 2022 die Konsequenzen tragen.
Der 2009 eingeführte Güllebonus für Biogasanlagen im EEG hat wegen der schlechten Ausgestaltung zu einem Boom beim Anbau von Mais geführt. Denn Anlagenbetreiber haben auch für den Strom, den sie mit dem Mais erzeugt haben, die höhere Einspeisevergütung erhalten. Davor hatten viele Biogasexperten im Vorfeld gewarnt – ohne Erfolg. Den Anlagenbetreibern ist kein Vorwurf zu machen, sie haben sich gesetzeskonform verhalten. Für viele Branchenvertreter gilt diese politische Entscheidung aber zu den folgenreichsten, gesetzlichen Fehlentscheidungen. Denn sie haben schon wenige Jahre später zum massiven Imageverlust der Biogasbranche geführt, der bis heute anhält – auch wenn es bis heute viele gute Argumente für Mais gibt.
Die massive Kürzung der Einspeisevergütung für Photovoltaik im EEG 2012 hat zu einem dramatischen Firmensterben geführt. Über 80 % der Solarbranche mit über 80.000 Arbeitsplätzen sind innerhalb von nur drei Jahren aus Deutschland verschwunden und vor allem nach China abgewandert. Heute kaufen deutsche Betreiber vor allem bei den Asiaten Anlagen ein, die ehemals in Deutschland entwickelt wurden. Als Folge der Energiekrise hat die aktuelle Bundesregierung erkannt, wie schwerwiegend der Fehler war: Laut Medienberichten hat Wirtschaftsminister Robert Habeck in der Energiekrise 2022 überlegt, „wie die Solarindustrie nach Deutschland zurückgeholt werden könnte“.
Schon 2012 heutige Probleme vorausgesagt
Nach dem Atomunglück in Fukushima hat die Bayerische Staatsregierung im Jahr 2011 den Ausstieg des Freistaates aus der Atomenergie bis zum Jahr 2022 beschlossen und die daraus entstehenden Herausforderungen und Lösungen im Bayerischen Energiekonzept „Energie innovativ“ beschrieben. Ziel war es unter anderem, die Stromerzeugung aus erneuerbare Energien deutlich schneller auszubauen und ihren Anteil am Gesamtstromverbrauch bis zum Jahr 2021 auf mindestens 50 Prozent anzuheben.
Die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft schrieb in dem 2012 entwickelten „Bayernplan“: „Der angestrebte massive Ausbau der Windenergie und Photovoltaik führt wetter- und tageszeitabhängig zu starken Schwankungen der Stromerzeugung. Zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit sieht das Bayerische Energiekonzept zusätzlich zu bereits bestehenden gesicherten Kapazitäten (fossile, Wasser- und Biomassekraftwerke) den Zubau neuer, hocheffizienter Gaskraftwerke mit einer Gesamtleistung von 4 GW elektrischer Leistung vor, die bei einer Benutzungsstruktur von ca. 3.600 h/a rund 14,4 Mrd. kWh Strom im Jahr erzeugen würden. Die Biogaserzeugung wäre bei konsequenter und nachhaltiger Ausschöpfung aller Potenziale in der Lage zum Gelingen der Energiewende beizutragen“.
Die Politik hatte die Pläne aber nicht weiterverfolgt. Heute, 13 Jahre später, treten genau die Probleme bei Dunkelflaute, Sturm oder Mittagspeak verstärkt auf, die die LfL und andere Experten damals schon beschrieben haben. Und bis heute erkennt die Politik nicht, welche Chancen die Biogasanlagen dabei bieten.
Die Auflistung zeigt, welche Auswirkungen schnelle, unausgereifte und vordergründig politisch opportune Entscheidungen haben können, bei denen immer wieder Empfehlungen von Wissenschaftlern ignoriert wurden.
So sieht es ein Biogasanlagenbetreiber
Der Anlagenbetreiber Michael Reber aus Baden-Württemberg hat zu der Diskussion um neue Gaskraftwerke ein Youtube-Video veröffentlicht.