Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat seit Amtsantritt wenig Sympathien für Biokraftstoffe der ersten Generation gezeigt, also solche, die wie Bioethanol aus Agrarrohstoffen wie Getreide hergestellt werden. Nun hat er klargestellt, wie er sich den weiteren Umgang mit solchen erneuerbaren Energien vorstellt.
Gegenüber den Zeitungen der „Funke Mediengruppe“ sprach sich Özdemir am Wochenende für einen schrittweisen Ausstieg aus den Biokraftstoffen aus. „Wenn es nach mir geht, wofür wir Getreide nutzen – also Teller, Tank oder Trog –, dann sage ich ganz klar: Teller first!“, erklärte der Bundesminister. Getreide sollte in erster Linie für die menschliche Ernährung genutzt werden, bisher sei das nicht der Fall.
Özdemir: „Teller first“
Nach Özdemirs Überzeugung hat die Herstellung von Biosprit aus Nahrungspflanzen keine Zukunft, „vor allem nicht, wenn wir das Thema Ernährungssicherheit und bezahlbare Lebensmittel ernst nehmen“. Der Grünen-Politiker würde es daher befürworten, „wenn wir ab 2030 im Verkehrssektor auf Kraftstoff aus Anbaubiomasse verzichten würden“.
Cem Özdemir stellte im Interview jedoch klar, dass er dies nicht alleine entscheidet. Er wirbt deshalb für „eine vernünftige Einigung in der Bundesregierung, dass wir schrittweise runtergehen vom Biosprit aus Nahrungspflanzen, um diese für die menschliche Ernährung nutzen können“.
Hemmerling: Dekarbonisierung nur mit Biokraftstoffen
Der Deutsche Bauernverband (DBV) kann Özdemirs Idee wenig abgewinnen. Nach Überzeugung des stellvertretenden DBV-Generalsekretärs Udo Hemmerling wird der Verkehrssektor ohne Biokraftstoffe nicht zu dekarbonisieren sein. „Und im angemessenen Ausmaß sind sie kein Gegensatz zwischen Teller und Tank, sondern eine sinnvolle Verbindung“, gibt Hemmerling zu bedenken.
Baumann: Ohne Biokraftstoffe fehlen 5 Mrd. €
Auch der Geschäftsführer beim Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB), Elmar Baumann, kann die Argumentation von Özdemir nicht nachvollziehen. Für ihn geht der Hinweis auf „Teller first“ angesichts von Rekordernten bei Getreide in Russland und auf der Südhalbkugel an der Marktrealität vorbei.
„Der Bundeslandwirtschaftsminister sollte sich darüber hinaus die Mühe machen zu erklären, welche absehbaren Folgen sein wenig durchdachter Vorschlag für Landwirtschaft, Ernährung und Klimapolitik hätte“, meint Baumann. Er gibt zu bedenken, dass ohne Biokraftstoffe im ländlichen Raum jährlich rund 5 Mrd. € wirtschaftliche Impulse fehlen würden. Zudem wachse Raps als wichtigster Rohstoff für die Biokraftstoffproduktion in Deutschland in der Fruchtfolge. Ohne die Nachfrage durch den Biodieselsektor würde weniger Raps angebaut, was engere Fruchtfolgen bedeutet. „Um weniger Pflanzenschutzmittel einzusetzen, ist genau das Gegenteil erforderlich“, so der VDB-Geschäftsführer.
Lücke bei Eiweißfuttermitteln absehbar
Er erinnert daran, dass bei der Herstellung von Biodiesel und Bioethanol außerdem wertvolles Eiweißfuttermittel als Koppelprodukt anfällt, das über die Tierhaltung der menschlichen Ernährung dient. Ohne Biokraftstoffe würde der Landwirtschaftsminister daher der heimischen Eiweißfuttermittelproduktion einen Dämpfer versetzen, was der von der Bundesregierung angestrebten Verringerung der Importabhängigkeit zuwider liefe.
„Und schließlich sind Biokraftstoffe bis auf Weiteres das wichtigste Mittel, um fossile Kraftstoffe und Treibhausgasemissionen im Straßenverkehr zu verringern“, betonte der VDB-Geschäftsführer wie zuvor schon der DBV. Er hofft daher, dass Özdemirs Kollegen im Bundeskabinett ihm „diesen Schildbürgerstreich“ rechtzeitig ausreden.