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„Ohne Bebauungspläne der Gemeinden wird die AgriPV scheitern!“

Rechtsanwalt Jens Vollprecht schildert im top agrar-Interview, welche Hemmschuhe es aktuell noch bei der Agri-Photovoltaik in Deutschland gibt.

Lesezeit: 6 Minuten

Bei der Innovationsausschreibung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) im April 2022 haben nur zwölf Agri-Photovoltaikprojekte teilgenommen. Die geringe Beteiligung spiegelt aber nicht den Markt wieder, der sich derzeit stark entwickelt, sagt Rechtsanwalt Jens Vollprecht von der Kanzlei Becker Büttner Held aus Berlin, der Investoren durch das Ausschreibungsverfahren begleitet hat und zusammen mit dem Fraunhofer ISE Seminare zur AgriPV anbietet. Er sieht allerdings noch einige Hemmschuhe für die Technik.

An der Innovationsausschreibung haben nur wenig Agri-Photovoltaikanlagen teilgenommen. Zudem war die Runde auch stark unterzeichnet. Woran hat das gelegen?

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Vollprecht: Die geringe Beteiligung hat uns auch gewundert. Es könnte allerdings daran gelegen haben, dass sich an der Ausschreibung nur innovative Konzepte beteiligen dürfen. Der Verordnungsgeber „übersetzt“ das mit der Vorgabe, dass nur Anlagenkombinationen bestehend aus Wind- oder Solaranlagen auf der einen und aus anderen Techniken wie Speichern auf der anderen Seite teilnehmen durften. Agri-PV ist ja an sich schon innovativ. Die Agri-PV-Projekte müssen bei den Innovationsausschreibungen also doppelt so innovativ sein wie die Konkurrenz. Zudem gab es weitere Hürden. So waren die Projekte nur auf 2 MW beschränkt.

Welche Erkenntnis können Sie aus dem Ergebnis noch ziehen?

Vollprecht: Die Kombination aus Speicher und Solaranlage scheint insgesamt sehr praxisrelevant zu sein. Denn nur für solche Kombinationen wurden Gebote abgegeben. Wir hatten damit gerechnet, dass mehr Parkplatz-PV-Anlagen teilnehmen und diese bezüglich der Kosten der Agri-PV überlegen sind. Dann hätten die Betreiber potenzieller Parkplatzanlagen niedrigere Gebote abgeben können und die Agri-PV aus dem Rennen geworfen. Allerdings hat sich nur eine Parkplatz-PV-Anlage beworben.

Kann man denn von dem Ausschreibungsergebnis auf die allgemeine Marktsituation schließen?

Vollprecht: Das würde ich nicht sagen. Das Interesse an der Technik ist allgemein sehr groß und wird sich unabhängig von den Innovationsausschreibungen weiterentwickeln.

Was macht Sie da so sicher?

Vollprecht: Was wir an vielen Beratungsanfragen merken: Die Landwirte haben bei der Agri-PV, anders als bei herkömmlichen Freiflächenanlagen, nicht nur die Stromproduktion im Blick, sondern weitere Effekte wie Schutz vor Starkniederschlägen, Hagel, Wind- und Bodenerosion oder die Beschattung, die für ein besseres Bodenklima und mehr Bodenfeuchte sorgen kann. Durchscheinende Module als Abdeckung, die gleichzeitig auch noch Strom produzieren und damit ein gesichertes Einkommen generieren, bieten also in mehrfacher Hinsicht Vorteile bei den zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels.

Würden Sie denn sagen, dass Betreiber wegen dieser Vorteile auf das EEG verzichten können?

Vollprecht: Man muss die EEG-Vergütung derzeit in vielen Fällen als Stützrad sehen. Noch fährt die Agri-PV nicht allein. Zwar gibt es innovative Ansätze mit senkrecht stehenden und bifacialen Modulen, die schon sehr kostengünstig Strom produzieren und ohne EEG-Vergütung auskommen können. Aber gerade hoch aufgeständerte horizontale Systeme sind so teurer, dass eine finanzielle Förderung über das EEG notwendig ist. Zudem dürfte es für die Finanzierung der Anlagen hilfreich sein, wenn eine finanzielle Förderung nach dem EEG in Anspruch genommen werden könnte. Die Strompreise sind derzeit zwar ziemlich hoch. Aber man weiß nicht, wie sich diese entwickeln. Darum ist für eine gewisse Zeit noch eine Anschubfinanzierung über das EEG nötig. Auch aus diesem Grund ist es sehr positiv, dass die Agri-PV mit dem EEG 2023 „eigene“ Fördertatbestände erhalten hat. Aber die Erlösstruktur ist nur einer der vielen Hemmschuhe für die Agri-PV.

Was bremst die Technik noch?

Vollprecht: Die Anlagen sind zwar eng an die Landwirtschaft gekoppelt, aber im sog. unbeplanten Außenbereich in der Regel nicht zulässig. Da die Anlagen aber genau dort errichtet werden sollen, ist für den Bau ein Bebauungsplan nötig, den die Gemeinden aufstellen. Viele Kommunen werden derzeit überrannt mit Anfragen zu Freiflächenanlagen und haben die Befürchtung, Fehler zu machen. Tatsächlich haben die Kommunen aber ein weites Planungsermessen. Aufgrund der schon erwähnten Doppelnutzung können Agri-PV-Anlagen mögliche Flächenkonkurrenzen entschärfen und dies macht es leichter, entsprechende Festsetzungen im Bebauungsplan zu rechtfertigen. Wenn die Gemeinden keine Bebauungspläne erlassen, wird der notwendige Ausbau der Freiflächenanlagen und damit auch der Agri-PV scheitern. Die Kommunen spielen daher insoweit eine Schlüsselrolle für die Energiewende. Hinzuweisen sei an dieser Stelle auch noch auf das Steuerrecht. Nach unseren Informationen tut sich hier allerdings etwas.

Wie kann man bei der Bevölkerung die Akzeptanz erhöhen?

Vollprecht: Das Wichtigste ist Transparenz, also von Anfang an mit offenen Karten spielen und genau erklären, welche Vor- und Nachteile eine Anlage bietet und was das für die Region bedeutet. Gleichzeitig sollte man von der Möglichkeit der Kommunalbeteiligung nach § 6 EEG Gebrauch machen. Danach kann die Gemeinde mit bis zu 0,2 ct/kWh am Stromertrag beteiligt werden. Ebenso ist es denkbar, einen Bürgerstromtarif aufzulegen und mit dem der Strom aus der Solaranlage die Haushalte zu versorgen. Gesellschaftsrechtlich lassen sich Konzepte entwickeln, die Beteiligungsmöglichkeiten eröffnen.

Ein neues Themenfeld in der Landwirtschaft wird die Wiedervernässung von Moorböden. Es gibt die Idee, im Moor PV-Anlagen aufzustellen, um mit der Pacht bzw. dem Stromertrag Mindererlöse auszugleichen. Wie bewerten Sie das?

Vollprecht: Feststeht, dass die Wiedervernässung politisch als großer Hebel zur Einsparung von Treibhausgas-(THG)-Emissionen im Bereich der Landwirtschaft gilt. Theoretisch wäre es denkbar, die Kosten bzw. die Einbußen durch die Wiedervernässung über Moor-PV-Anlagen auszugleichen. Aber ob das gelingt, hängt auch von der politischen Ausgestaltung ab. Im EEG 2023 ist ein eigener Fördertatbestand für Moor-PV geschaffen worden, was ich sehr begrüße. Problematisch ist meines Erachtens aber u.a., dass die Flächen mit der Errichtung wiedervernässt werden müssen. Technisch sinnvoller wäre es umgekehrt: Erst die Gestelle zu installieren und dann die Wiedervernässung vorzunehmen. Zudem sollte rechtssicher bestimmt werden, ob es sich bei einer Fläche um Moorboden handelt oder nicht. Dies könnte z.B. die BNetzA im Rahmen einer Festlegung klären. Apropos Festlegung: Die BNetzA hat die Möglichkeit, in einer Festlegung die zusätzliche landwirtschaftliche Nutzung vorzugeben. Mit den sogenannten Paludikulturen hätte man dann drei Fliegen mit einer Klappe: Stromerzeugung, Treibhausgasminderung durch Wiedervernässung und Rohstoffgewinnung. Denkbar wäre es möglicherweise außerdem, für die Treibhausgasminderung CO₂-Zertifikate zu generieren. Moorfutures gibt es ja schon. Dann könnten Landwirte auch Einnahmen über den Verkauf der Zertifikate generieren. Aber wie gesagt: Wie überall sind hier die politischen Rahmenbedingungen erfolgsentscheidend.

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