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topplus Kritische Situationen im Stromnetz

Ostern droht kein Stromnetzausfall

Am letzten Wochenende hat es bei viel Wind- und Solarstromproduktion laut „Vernunftkraft“ eine Krise im Stromnetz gegeben. Wissenschaftler und Verbände sehen das nicht dramatisch.

Lesezeit: 5 Minuten

Eine „Dunkelflaute“ ist eine Wetterphänomen, bei dem die Erzeugung von Wind- und Solarstrom zum Erliegen kommt. Diesen Fall hat es zuletzt am Samstag, den 4. April gegeben, zeigt eine Analyse des emeritierten Physikprofessors Sigismund Kobe (ehemals TU Dresden) in Zusammenarbeit mit dem Verein Vernunftkraft – einer der Energiewende und vor allem der Wind-, Solar- und Biomassenutzung kritisch eingestellten Vereinigung.

Kritik an negativen Strompreisen

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Am späten Samstagnachmittag sind demnach ca. 30 Gigawatt (GW) Solar- und Windstromleistung unkontrolliert weggefallen und mussten durch konventionelle Kraftwerke ersetzt werden. Nur ein Zuschalten von allen verfügbaren Pumpspeicherkraftwerken sowie ein Hochfahren von Braunkohlekraftwerken habe einen drohenden Netzzusammenbruch verhindert. Zudem hätten 5 GW Strom importiert werden müssen zu einem hohen Preis.

Am Sonntag bei viel Sonne und Wind hätten die Wind- und Solarkraftwerke wieder viel Strom produziert (siehe Grafik). Wegen der geringen Stromabnahme am Wochenende hätten die konventionellen Kraftwerke wegen des Einspeisevorrangs der erneuerbaren Energien abgeregelt werden müssen. „Trotzdem war noch zu viel Strom im Netz und muss zu "negativen" (Höchst-)Preisen (50 €/MWh) verklappt werden. Nur so war ein Netzzusammenbruch zu verhindern“, erklärt Kobe und kritisiert, dass diese „Abfallgebühr“ den Stromkunden aufgebürdet würde. Damit sei u.a. eine Abschaffung des „Solardeckels“ kontraproduktiv.

NegativeStrompreise werden zunehmen

In der Tat führen die guten Windverhältnisse vermehrt zu negativen Strompreisen, zeigt eine Analyse der Beliner Unternehmensberatung enervis. „Allein bis Ende März 2020 haben wir, vornehmlich bei sehr guten Windverhältnissen, an rund 130 Stunden negative Preise gesehen; im gleichen Vorjahreszeitraum hatten wir hingegen nur ca. 90 negative Stunden“, erläutert Tim Steinert, Senior Consultant bei enervis. Das sei vor allem darauf zurückzuführen, dass eine hohe Einspeisung erneuerbarer Energien, vor allem durch Windenergie, auf niedrige Stromnachfrage trifft und zu negativen Spotpreisen führt. enervis geht davon aus, dass sich die Anzahl negativer Strompreisstunden insbesondere kurzfristig im laufenden Jahr deutlich erhöhen könnte. „Unsere Szenarien zeigen, dass aufgrund der aktuellen Situation je nach Dauer und Schwere eines Nachfragerückgangs ein signifikant höherer Anstieg negativer Preise – auch im Vergleich zu 2019 – eintreten kann; also erkennbar höher als vor der Coronkrise für 2020 erwartet“, sagt Steinert.

Aufgrund gesetzlicher Regelungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) würde dieser Effekt der Krise zu nicht unerheblichen Erlöseinbußen bei den Betreibern führen. Denn sie erhalten für alle Zeiträume negativer Spotpreise mit mindestens sechs Stunden Dauer keine EEG-Vergütung.

Keine besondere Situation

„Wir schätzen die Situation nicht als dramatisch ein, die geschilderte Situation ist in gewissem Maße normal und nicht besorgniserregend“, sagt eine Sprecherin des Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) gegenüber top agrar und verweist auf die Einschätzung des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz. Das Unternehmen ist neben Amprion, Tennet und TransnetBW für die Hochspannungsleitung in Deutschland zuständig. 50Hertz betreibt ein 10.400 km langes Höchstspannungs-Stromnetz (220 kV und 380 kV) im Osten Deutschlands einschließlich Berlin sowie im Raum Hamburg.

Wie das Unternehmen mitteilt, hat selbst ein Anteil von 85 % erneuerbarer Energien im Netz nicht zu Problemen geführt. „Viel Sonne und ein nahezu wolkenfreier Himmel führten Ende März zu einem weiteren Allzeithoch. Am Montag, 23. März, hat 50Hertz in der Mittagszeit knapp 8.500 MW Photovoltaikstrom vollständig und sicher in das Netz integriert und zu den Abnehmern transportiert – ohne ein einziges Megawatt Strom aus Photovoltatik abregeln zu müssen“, heißt es in einer Pressemitteilung. „Wir sind in der Lage, mit meteorologisch bedingten Schwankungen beim Stromangebot aus erneuerbaren Energien routiniert umzugehen und sogar höchste Einspeisewerte in unser System zu integrieren. Auch der derzeitige Rückgang der Stromnachfrage als Folge der Corona-Pandemie-Maßnahmen ist für uns derzeit gut zu managen“, sagt Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung von 50Hertz.

Kurzfristige Last- oder Erzeugungsänderungen würden über den Börsenhandel ausgeglichen. Die Anpassung an mehr oder weniger kurzfristige Angebots- und Nachfrageveränderungen gehöre zu den typischen Anforderungen an die Systemführung, sagte Kapferer weiter. Und bislang habe sich der Bedarf an korrigierenden Regelleistungseinsätzen durch 50Hertz nicht signifikant verändert. „Wir beobachten die Situation aber sehr genau und erhöhen bei Bedarf unsere Regelleistungsreserven“, so Kapferer. 50Hertz stünden im Verbund mit den ÜNB genügend Werkzeuge zur Verfügung, um mögliche Schwankungen auszugleichen.

Speicher und Sektorkopplung müssen stärker vorangebracht werden

„Negative Strompreise sind erst einmal der Beleg dafür, dass klassische Kohle- und Atomkraftwerken nicht das geeignete Backup für eine regenerative Energieversorgung sind. Kein Betreiber von Solar- und Windkraftanlagen käme auf die Idee, jemandem Geld dafür zu bezahlen, dass ihm der Strom abgenommen wird. Darum sollten wir unbedingt über einen schnelleren Kohleausstieg nachdenken“, lautet die Einschätzung des Energieexperten Prof. Volker Quaschnings von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin. „Eine große Dramatik kann ich an der Situation auch nicht erkennen. In den 1990er-Jahren haben so genannte ‚Experten‘ gewarnt, dass mehr als 4 % Erneuerbare Energien im Strommix technisch gar nicht möglich sind. Nun sind wir bei 50 %“, führt er weiter aus.

Wenn es wirklich Probleme geben sollte, ließen sich Solar- und Windkraftanlagen immer noch problemlos abregeln. Die Stromversorgung werde also nicht zusammenbrechen. Seit 30 Jahren werde immer das Schreckgespenst des Blackouts hochgehalten, wenn es um den Ausbau der erneuerbaren Energien gehe. „Unabhängig davon brauchen wir natürlich für den weiteren Ausbau erneuerbarer Energien möglichst bald auch mehr Speicher und flexiblere Backup-Kraftwerke. Mit dem Ausbau erneuerbarer Energien brauchen wir aber nicht darauf zu warten“, sagt er. Deutschland sollte nun schnell die richtigen Weichen für den Ausbau von Speichern und die Sektorkopplung stellen. „Dann können wir bis 2030 auch deutlich mehr als 65 Prozent Erneuerbare erreichen. Das müssen wir auch, wenn wir nicht die Lebensgrundlage unserer Kinder vollkommen zerstören wollen."

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