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Praxisversuch in Biogasanlagen: Pflanzenkohle erhöht Prozesseffizienz

Ein Forschungsprojekt zeigt, dass es einen weiteren bislang unbekannten Weg der Methanbildung gibt. Das lässt sich nutzen, um den Biogasprozess zu verbessern.

Lesezeit: 4 Minuten

Biogasanlagenbetreiber stehen bei der Auswahl der Substrate vor neuen Herausforderungen: Wegen sinkender Vergütungen für den Strom oder bei der Biomethanerzeugung zum Gasverkauf sind günstige Rohstoffe gefragt. „Betreiber werden ganzjährig nicht mehr überwiegend Mais füttern, der Rohstoffmix wird je nach Preislage stärker schwanken“, erwartet Sven Nefigmann, Geschäftsführer des Pflanzenkohleanbieters Lucrat.

Häufig wechselnde Substrate stellen jedoch die Bakterien im Fermenter vor große Herausforderungen. Denn es gibt unter ihnen verschiedene Spezialisten für bestimmte Einsatzstoffe.

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Internationales Forschungsprojekt mit Pflanzenkohle

Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass sich dieses Problem mit der Zugabe von Pflanzenkohle im Fermenter lösen lässt. An dem Forschungsprojekt waren neben Lucrat als Industriepartner auch der BioEnergieverbund e.V. sowie das Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft der TU Dresden, das Robert-Boyle-Institut sowie die spanische Firma Darwin Bioprospecting Excellence beteiligt.

Bakterien übertragen Elektronen direkt

Üblicherweise findet die Biogasbildung in mehreren Schritten statt. Nach dem ersten Aufschluss der eingebrachten Stoffe, der Hydrolyse und der Acetatbildung entstehen als Zwischenprodukte u.a. CO₂, Wasserstoff sowie flüchtige kurzkettige Fettsäuren wie Essig-, Propion- und Buttersäure. Die Essigsäure (Acetat) ist dabei erwünscht. Eine Überlastung von Anlagen kann dagegen die Anreicherung der hemmenden Propion- und Buttersäure bewirken. Einige Mikroorganismen können Acetat direkt in Methan und CO₂ umwandeln, andere nutzen Wasserstoff und CO₂ zur Methanbildung. „Es gibt aber auch noch einen dritten Weg, bei dem gar nicht erst Wasserstoff freigesetzt wird“, sagt Dr. Christian Abendroth vom Institut für Abfall- und Kreislaufwirtschaft. Dieser neue Weg hätte Vorteile. Denn Wasserstoff ist zwar ein Vorprodukt für Methan, kann in höheren Konzentrationen aber zu einer Hemmung des Biogasprozesses führen.

Bei der Methanbildung dient Wasserstoff (H2) als Elektronenträger, um CO₂ chemisch zu „reduzieren“. Dieser Prozess leitet eine biochemische Reaktionskette ein, welche letztendlich zur Methanbildung führt. Auf diese Weise wird aus H2 und CO₂ das Methan (CH₄) gebildet. „Mikroorganismen können aber über kabelähnliche Verbindungen untereinander auch direkt Elektrononen austauschen, ohne den Umweg über H2 zu machen“, erklärt Abendroth. Dieser „Interspezies-Elektronentransfer“ findet in geringem Umfang natürlich statt. Er lässt sich aber künstlich unterstützen, in dem man leitfähige Substanzen wie Graphit oder die graphitähnliche Pflanzenkohle einsetzt. „Wie stark die graphitartigen Strukturen auf der Kohle ausgebildet sind, hängt von der Art der Pyrolyse ab, also dem Herstellungsprozess der Kohle“, erklärt Nefigmann.

Einsatz in sieben Biogasanlagen

Um mehr über diesen direkten Elektronentransfer zu lernen, haben die Projektpartner Untersuchungen an sieben industriellen Biogasanlagen durchgeführt. Hierbei kamen Floureszenzmikroskopie und auch DNA basierte Methoden zum Einsatz, um so die Zusammensetzung von Mikroorganismengruppen zu untersuchen. Beim Einsatz von Pflanzenkohle haben die Konzentrationen von Essig-, Propion- und Buttersäure abgenommen, ohne dass die Methanproduktion oder Raumbelastung gesenkt wurde. „Das sehen wir als Hinweis auf den verstärkten Elektronentransfer“, erklärt Abendroth.

Zudem haben sie innerhalb der Kohle Hinweise auf eine Anreicherung von Salz liebenden Bakterien, aktive Methanbildner und syntrophe Gemeinschaften gefunden. Die mikrobielle Diversität nahm innerhalb der Kohle zu. Dies zeigt auf, dass die Pflanzenkohle trotz Adsorption von potenziellen Störstoffen auf komplexe Weise in die mikrobielle Methanbildung involviert ist.

Insbesondere die Adsorption von Ammonium ist hierbei relevant, wodurch z.B. einer Hemmung durch Zugabe größerer Mengen von Geflügelmist vorgebeugt wird.

Für wen Pflanzenkohle interessant ist

Was die Projektpartner jetzt aus den Ergebnissen ableiten:

  • Die Zugabe von Pflanzenkohle kann für Anlagen interessant sein, die heute schon an der Belastungsgrenze betrieben werden. Damit lässt sich eine Prozessversauerung und damit ein Absturz verhindern.
  • Die Kohle kann eine Ammoniak-Zellvergiftung verhindern, womit der Betreiber mehr stickstoffhaltige Substrate wie Geflügelmist eindosieren kann.
  • Die Fermenterbiologie kann sich schneller an wechselnde Substrate anpassen.
  • Durch den „direkten Elektronentransport“ können Hemmeffekte auf Mikroorganismen durch Wasserstoff, Propion- und Buttersäure reduziert werden.

Geeignet für Biomethananlagen

Künftig könnte der Effekt interessant bei der direkten Methanisierung sein, sagt Nefigmann: „Vorstellbar wäre ein Festbettreaktor, der mit Pflanzenkohle gefüllt ist. Wenn man dort Rohbiogas, das ja noch ca. 40 % CO₂ enthält, mit Wasserstoff aus der Elektrolyse einführt, können die Bakterien aus Wasserstoff und CO₂ mehr Methan erzeugen.“

In einem separaten Forschungsansatz der Firma Lucrat zeigte sich: Für einen Effekt hat sich eine Pflanzenkohlemenge bei einer 500 kW-Biogasanlage von 48 m3 bzw. 12 t pro Jahr als sinnvoll erwiesen. „Damit schaffen wir 2 Mio. m2 Kapillarfläche pro m3 Faulraum“, sagt Nefigmann.

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