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topplus Diskussion um Solarstrom

Pro und Kontra: Solarausbau nur noch mit Großanlagen?

Der Solarboom führt teils zur Netzüberlastung oder negativen Strompreisen. Denn viele Kleinanlagen speisen gerade mittags ungesteuert ins Netz. Sollte man daher nur noch auf Großanlagen setzen?

Lesezeit: 5 Minuten

Ende 2024 lieferten rund 4,75 Mio. Solaranlagen laut Strom-Report 14,5 % des im Jahresverlauf in Deutschland produzierten Stroms. Die Anlagen produzierten etwa 72 Mrd. kWh Strom, wovon 60 Mio. kWh ins Netz eingespeist und 12 Mrd. kWh selbst verbraucht wurden.

Viele der Solaranlagen liegen auf Hausdächern und haben weniger als 10 kW Leistung. Da sie eine feste Einspeisevergütung erhalten, speisen sie den Strom meist ungeregelt ein. Das bedeutet: Gerade mittags ist die Einspeisung in den Monaten März bis Oktober so hoch, dass die Strompreise an der Börse immer häufiger ins Negative rutschen – mit fast 460 Stunden im Jahr 2024 ein neuer Rekord.

Da die Installation neuer Anlagen boomt und auch 2025 mit einem zweistelligen Gigawatt-Ergebnis gerechnet wird, gibt es erste Überlegungen, wie es weiter gehen könnte. Prof. Lion Hirth, Energieökonom an der Hertie School in Berlin, hat daher den Vorschlag gemacht, künftig nur noch Großanlagen auf der Freifläche zu fördern, die sich steuern lassen. Das würde auch erheblich Installationskosten einsparen. Dazu gibt es aber auch Gegenargumente, wie Michael Sterner, Professor für Energiespeicher, Wasserstoff und Energiesysteme an der OTH Regensburg, deutlich macht. Wir haben beide Positionen aufgeführt.

Pro: „Großanlagen lassen sich besser regeln“

„Die Bundesregierung solle sich beim Solar-Ausbau künftig nicht mehr auf Klein- sondern auf Großanlagen fokussieren. Ein Grund ist, dass Großanlagen bei Stromüberschuss konsequenter abregeln. Das ist wichtig für die Systemstabilität und die Vermeidung von Stromüberschuss-Situationen.

Es gibt aber noch einen viel simpleren Grund: Große Solarparks sind viel günstiger als kleine Solaranlagen. Wie überall in der Wirtschaft haben große Anlagen viel geringere Stückkosten (Skalenvorteile). Bei Solar kommen die hohen Installationskosten auf schrägen Dächern hinzu.

Der Unterschied ist gewaltig: je kW Leistung kostet eine kleine Solaranlage auf einem Einfamilienhaus etwa drei Mal so viel wie ein großer Solarpark. Auch große Solaranlagen auf den Flachdächern von Gewerbegebäuden sind viel günstiger als Kleinanlagen. In Deutschland könnten wir so durch einen Schwenk hin zu Großanlagen jedes Jahr etwa 7 Milliarden Euro sparen – ohne auch nur eine kWh Solarstrom weniger zu erzeugen.

Im Jahre 2023 haben wir in Deutschland nach Daten des Marktstammdatenregisters rund 15 GW Solaranlagen installiert. Ungefähr die Hälfte der Leistung entfällt auf Anlagen bis 30 kW. Die Investitionskosten für Kleinanlagen betragen heute rund 1300 bis 2600 €/kW. Große Freiflächenanlagen im 10 MW-Segment kosten ca. 400 bis 600 €/kW.

Bei diesen Kosten betragen die Investitionskosten für den Anlagenmix wie in 2023 rund 14 Mrd. €. Würde man stattdessen die gleiche Photovoltaikleistung nur mit großen Solarparks ans Netz bringen, betrügen die Investitionskosten gut 7 Mrd. € und damit ziemlich genau die Hälfte. 

Die Module selbst kosten auf dem internationalen Großhandelsmarkt übrigens noch um die 125 €/kW. Bei Kleinanlagen machen sie also gerade mal noch 8 % der Gesamtkosten aus. Mit anderen Worten: Auch wenn die Modul-Preise weiter sinken, hat das quasi keinen Einfluss auf die Kosten von kleinen Solaranlagen.“ (Prof. Lion Hirth, Herti School Berlin)

Kontra: „Wir brauchen Klein- und Großanlagen!“

„Der direkte Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch ist bei Aufdachanlagen um Längen besser und einfacher als in der Freifläche. Dazu kommt die höhere gesellschaftliche Akzeptanz: Bei Solarparks sind Bürgerinitiativen nicht selten, die oft in einem Bürgerentscheid enden.  

Auch fällt die Kostendifferenz in der Praxis nicht so stark aus wie von Prof. Hirth angegeben. Aufdachanlagen kosten weniger als 1000 €/kW, während Freiflächenanlagen teilweise auch mehr als 600 €/kW zu Buche schlagen. Zudem bekommen Betreiber unter den neuen Vorgaben, dass es bei negativen Strompreisen keine Vergütung mehr geben soll, Schwierigkeiten bei der Finanzierung. Banken fordern nicht selten Risikoabschläge von mehr als 20 %, sodass die Finanzierung nicht einfach ist.

Das ist bei Aufdachanlagen komplett anders. Hier stehen Selbstversorgung, Unabhängigkeit und eine Teilautarkie im Vordergrund. Das wird in den makroökonomischen Betrachtungen oft vernachlässigt. Zudem können mit dem neuen Energiewirtschaftsgesetz auch Kleinanlagen an der Strombörse teilnehmen samt Speichern und größere Dachanlagen müssen regelbar sein.

Gerade in der Landwirtschaft hat die Selbstversorgung einen hohen Stellenwert: mit Nahrungs- und Futtermittel, aber auch mit Wasser und Energie. Mein Fazit: wir brauchen beides und sollten beides anschieben und nicht unnötig gegeneinander ausspielen.

Eine ähnliche Diskussion hatten wir bereits bei Heim- versus Großspeicher im Batteriebereich. Hier lagen und liegen die theoretischen Betrachtungen meilenweit von der Praxis entfernt. So hatte das Bundeswirtschaftsministerium in seinen Langfristszenarien aufgeführt, dass wir Großspeicher und Heimspeicher nicht brauchen. Sie seien im Vergleich zum Netzausbau in der Gesamtmodellierung unwirtschaftlich.

Das hat sich im Nachhinein als komplett falsch erwiesen. Wenn die Modelle falsche Annahmen für die Zukunft treffen, ist das eine Sache, wenn aber nicht mal die Realität abgebildet wird – wie es bei Speichern der Fall ist – hat die Bundesregierung die falsche Entscheidungsgrundlage für ihre Strategien.“ (Prof. Michael Sterner, OTH Regensburg). 

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