Der 25. April ist der internationale Tag des Baumes. Dazu passt, dass die Agroforstwirtschaft aktuell ein weltweites Comeback erfährt, erklärt die Koordinationsstelle Agroforst-Systemforschung (kAFo) an der Universität Hohenheim. Agroforstsysteme kombinieren schattenspendende Bäume und Büsche mit Ackerbau oder Weidewirtschaft auf einer Fläche. Dadurch würden landwirtschaftliche Systeme nicht nur widerstandsfähiger gegen Klimarisiken – auch die Biodiversität werde gefördert, so die Wissenschaftler. Wie aktuelle Entwicklungen zeigen, ist die Agroforstwirtschaft auch für viele Landwirte eine Alternative zur Kurzumtriebsplantage – selbst zur Produktion von Holzbrennstoffen.
Derzeit wird in verschiedenen Projekten an dem Thema geforscht. Es gibt unterschiedliche Ansätze zur Wahl der Bäume, zur Streifenbreite, zur Vermarktung möglicher Früchte oder zur Kombination mit Tieren. Wir haben hier verschiedene Informationen zusammengestellt.
Koordination in Hohenheim und Freiburg
„Besonders in Baden-Württemberg gibt es eine wichtige Agroforst-Tradition“, so Michael Cormann von der Koordinationsstelle Agroforst-Systemforschung (kAFo) an der Universität Hohenheim: In keinem anderen Bundesland finden sich mehr alte Streuobstwiesen. Leider galten sie lange Zeit als unwirtschaftlich und wurden vernachlässigt. In den vergangenen Jahren ging deshalb ein beträchtlicher Anteil dieser Flächen verloren. „Doch mit modernen Ansätzen können wir neue Agroforstsysteme schaffen, die den heutigen ökologischen und ökonomischen Anforderungen gerecht werden“, sagt er.
Um dieses Nutzungssystem systematisch weiterzuentwickeln, intensivieren die Universität Hohenheim in Stuttgart und die Albert-Ludwigs-Universität Freiburg ihre Zusammenarbeit: Durch gemeinsame Forschungsprojekte, Lehrangebote und langfristige Versuchsflächen wollen die Beteiligten die Agroforstwirtschaft zu einem Eckpfeiler einer nachhaltigen Landnutzung und eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Umwelt machen. Der erste Kooperationsworkshop hat nun konkrete Schritte für die strategische Zusammenarbeit definiert.
Weitere Informationen: Koordinationsstelle Agroforst-Systemforschung (kAFo): https://kafo.uni-hohenheim.de/
Projekte des Agroforst-Fachverbandes
Der Deutsche Fachverband für Agroforstwirtschaft (DeFAF) e.V. ist aktuell in über zehn Projekten tätig und auch weitere Akteure wie z.B. das HumusKlimaNetz, das ZALF und einige Universitäten haben Projekte mit Bezug zur Agroforstwirtschaft mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Hier eine Auswahl:
AgroWiNs
Projektlaufzeit: 01.12.2024 – 31.12.2025
Das Projekt AgroWiNs „Agroforst in die Praxis: Förderung des Wissenstransfers zur praktischen Umsetzung und der Sichtbarkeit von Hemmnissen und potenziellen Lösungen für Agroforstsysteme in Niedersachsen“ soll maßgeblich dazu dienen Hemmnisse detailliert zu analysieren, sichtbar zu machen und lösungsorientiert anzugehen, um damit die Etablierung von Agroforstsystemen in Niedersachsen zu fördern. Das Projekt wird gefördert vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
Weitere Infos https://agroforst-info.de/agrowins/
MODEMA
Projektlaufzeit: 01.06.2024 – 31.05.2027
Der DeFAF baut im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Förderprogramm „Nachwachsende Rohstoffe“ ein deutschlandweites Modell- und Demonstrationsnetzwerk für Agroforstwirtschaft auf. Das Netzwerk umfasst mehrere eigenständige Vorhaben; eines davon ist MODEMA, das ebenfalls vom DeFAF e.V. koordiniert wird.
Weitere Projekte finden sich auf der Seite des DeFAF: https://agroforst-info.de/laufende-projekte/
Weitere Projekte zum Thema Agroforst
AGROfloW
Agroforstsysteme bieten ländlichen Kommunen die Möglichkeit, Ziele im Hochwasser- und Gewässerschutz und bei der Wärmewende in Kombination zu erreichen. Kommunen könnten sich dementsprechend als Schlüsselakteure bei der Ausweitung der Agroforstwirtschaft erweisen, indem sie die Chancen dieses Ansatzes erkennen und sich mit Landwirten als wichtigen neuen Kooperationspartnern zusammenschließen.
Im Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) AGROfloW wollen zwei Forschungseinrichtungen deshalb Partnerschaften zwischen Kommunen und Landwirtschaft ins Leben rufen, die Agroforstsysteme zur Erreichung wasserbezogener Ziele umsetzen. Beteiligt sind das Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) der Hochschule Trier und die Forschungsgruppe Wasser (FG Wasser) der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes; sie begleiten die Etablierung der Agroforstflächen und deren weitere Entwicklung wissenschaftlich.
Weitere Infos finden Sie hier: Mehr Hochwasserschutz, mehr Dürreschutz, saubere Gewässer, mehr erneuerbare Wärme – Agroforstwirtschaft hilft Kommunen
Pappelwert
Im Rahmen von PappelWERT werden sechs Agroforstsysteme mit Pappeln in der Modellregion „Norddeutschland“ auf Acker- und Grünland etabliert und die wirtschaftlich optimalen Maßnahmen zur Bewirtschaftung definiert. Zusätzlich erprobt das Projektteam Wertschöpfungsketten – insbesondere in der stofflichen Verwertung – in Kooperation mit Unternehmen der Holzindustrie aus der Region. Ziel ist es, den Landwirten eine wirtschaftlich interessante und stabile Vermarktung von Pappelholz zu ermöglichen. Die Produktpalette ist breit und umfasst Holzwerkstoffe, z.B. OSB- und MDF- Platten, Furnierholz im Caravanbau, Konstruktionselemente im Gebäude bis hin zu innovativen Holzverbundwerkstoffen. Weitere Infos: www.pappelwert.de/
DigAForst
Ziel von DigAForst ist die Anlage von zwei Agroforstsystemen in der Agrarintensivregion in Nordwestniedersachsen und deren dreidimensionale Kartierung, Inventarisierung und Bewertung durch KI-gestützte Robotertechnik. Geplant ist, mithilfe eines autonom navigierenden Roboters einen digitalen Zwilling der Agroforstsysteme zu erstellen, um wirtschaftlich interessante Parameter wie z. B. den optimalen Erntezeitpunkt, den Wert der Biomasse oder die CO2-Bindungskapazität abzuleiten. Damit lassen sich Handlungsempfehlungen für das Management und die Bewirtschaftung der Agroforstsysteme geben.
Daneben stehen auch Untersuchungen zu Verwertungsmöglichkeiten für die angebauten Gehölze auf der Agenda. So wird die Eignung des Agroforstmaterials zur stofflichen Verarbeitung und Nutzung z. B. für Holz-Kunststoff-Verbundwerkstoffe überprüft. Schließlich soll das Projekt auch aufzeigen, ob Agroforstsysteme ein nachhaltiges und wirtschaftlich auskömmliches Geschäftsmodell für landwirtschaftliche Betriebe darstellen und welche Chancen und Grenzen sich beim Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten ergeben. Weitere Infos finden Sie hier.
Infos zur Förderung
Die Förderung von Agroforstsystemen ist durch die Verordnung zur Durchführung der Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAPDZV) vom 24. Januar 2022 vorgesehen. Darüber informierte die Bundesregierung im Dezember 2023 nach einer parlamentarischen Anfrage.
In der Verordnung seien in Paragraf 4 Absatz 2 GAPDZV allgemeine Anforderungen für die Direktzahlungen festgelegt. Demnach müssen mindestens zwei Streifen mit maximal 40 Prozent Gehölzanteil an der jeweiligen landwirtschaftlichen Fläche, oder verstreut über die Fläche in einer Anzahl von mindestens 50 und höchstens 200 solcher Gehölzpflanzen je Hektar, gepflanzt werden. Zudem müsse eine Pflanzung mit unterschiedlichen Baum- und Strauchartenanteilen vorgenommen werden.
Außerdem böten auch die Bundesländer eine Investitionsförderung von Agroforstsystemen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) an. Bislang seien in Bayern und in Mecklenburg-Vorpommern solche Fördermaßnahmen in Anspruch genommen worden.
Die Antwort der Bundesregierung können Sie hier im Detail nachlesen.
Weitere Infos dazu liefert auch das DeFAF-Themenblatt Nr. 3: „Agroforstsysteme in der GAP ab 2023 – ein Überblick“
Wirtschaftlichkeit von Agroforst
Vor der Anlage eines Agroforstsystems stellen sich viele Landwirte natürlich auch die Frage nach der Wirtschaftlichkeit. „Da Agroforstsysteme so vielfältig in ihrer Ausgestaltung sind, ist es allerdings nicht möglich, konkrete und allgemeingültige Zahlen zu nennen“, sagt Isabelle Frenzel, beim DeFAF zuständig für den Wissenstransfer.
Das DeFAF-Themenblatt zu wirtschaftlichen Aspekten gibt einen Überblick über die Punkte, die wirtschaftlich bei Agroforstsystemen zu beachten sind. In der Tabelle auf S. 10 werden Beispielsysteme mit Pappeln und Walnussbäumen gezeigt. Dabei liegen die Summen für ein System zwischen 2.873-14.490 €. „Das sind aber lediglich Beispielbetriebe und stellen keinen allgemeinen Richtwert dar“, sagt Frenzel.
Die wirtschaftlichen Bedingungen sind sehr individuell und hängen z.B. ab von der Baumartenwahl (Pappelruten sind z.B. kostengünstiger als Walnussbäume), der Menge der bestellten Ware (teilweise sind Mengenrabatte möglich oder Lieferkosten werden prozentual geringer bei größeren Mengen), der Qualität der Pflanzware, der Komplexität und dem Planungsaufwand des Systems, von den verwendeten Baumschutzvarianten (manche Pappelsysteme werden je nach Wilddruck z.B. auch komplett ohne Baumschutz gepflanzt, es gibt unterschiedliche Varianten von Einzelbaumschutz oder es kann flächendeckend eingezäunt werden), von den Vermarktungsmöglichkeiten vor Ort etc.
Geschäftsmodell Klimaschutzleistungen
Die Lignovis GmbH ist seit vielen Jahren im Bereich Holzanbau und Agroforst tätig und hat einen Großteil der in den letzten Jahren in Deutschland neu etablierten Agroforstsysteme gepflanzt. Das Unternehmen ist maßgeblich auf schnellwachsende Pionierbaumarten (Pappel, Weide) fokussiert, hat aber auch Erfahrung mit anderen Baumarten.
Lignovis hat in den vergangenen Jahren ein Konzept entwickelt, über welches Agroforstsysteme als Klimaschutzinstrument durch Spenden/Sponsoring/Zertifikate finanziert werden können.
Die gemeinnützige VIVO Carbon gGmbH (www.vivocarbon.de) wurde im Dezember 2023 gegründet. Ziel von VIVO Carbon ist es, relevante Klimaschutzleistungen in hochproduktiven Systemen zu erbringen und zusätzliche positive ökologische Nebeneffekte (Bodenschutz, Biodiversität, Tierwohl etc.) zu erreichen. Dabei werden Landwirten das Investitionsrisiko abgenommen und die schnellwachsenden Bäume gemeinsam professionell bewirtschaftet. Um eine langfristige CO2-Speicherung zu gewährleisten, verantwortet VIVO Carbon die Gehölzernte und stoffliche Verwertung z.B. als Holzwerkstoffe.
2024 wurden bereits drei Agroforst-Klimaschutzprojekte realisiert, für 2025 sind mindestens fünf weitere geplant. Aktuell entwickelt VIVO Carbon einen Zertifizierungsstandard für die Kohlenstoffbindung in Agroforstsystemen als DIN-SPEC, gemeinsam mit einem 15-köpfigen Konsortium.
Dienstleistungen rund um Agroforst
Um optimale wirtschaftliche Bedingungen für Agroforstsysteme zu schaffen, ist eine gute Planung essenziell. Diese kann auch mit Beratern zusammen durchgeführt werden. Hierzu gibt es das Beratungsnetzwerk Agroforst, das der DeFAF initiiert hat. https://agroforst-beratungsnetzwerk.de