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Redispatch-Kosten: Was für lokale Strompreiszonen spricht – und was nicht

Die Teilung Deutschlands in mehrere Strompreiszonen könnte bis 2025 hunderte Millionen Euro sparen, zeigt eine neue Studie. Es gibt aber auch viel Gegenwind vor allem aus dem Süden.

Lesezeit: 14 Minuten

Der Verband der europäischen Übertragungsnetzbetreiber Entso-E hat im Rahmen eines Berichts über Strompreiszonen (Bidding Zone Review) untersucht, welche Auswirkungen eine neue Aufteilung von Strompreiszonen in Deutschland hätte.

Strompreiszonen in der EU und Koalitionsvertrag

Eine Strompreiszone oder auch Stromgebotszone oder auf Englisch „Bidding Zone" genannt, bezeichnet eine Region, in der der Großhandelspreis an der Strombörse einheitlich ist, also unabhängig davon, wo der Strom verbraucht wird. Aktuell bilden Deutschland und Luxemburg zusammen eine einheitliche Preiszone. Ansonsten orientieren sich die Strompreiszonen in der EU hauptsächlich an den Landesgrenzen. Es gibt aber auch Länder, die in mehrere Zonen geteilt sind, zum Beispiel Schweden, Norwegen und Italien. Die kommende Regierung hat sich im Koalitionsvertrag vorerst auf den Erhalt des Status Quo geeinigt.

Entso-E-Bericht: Fünf Zonen sinnvoll

Die untersuchten Alternativen würden Deutschland in zwei bis fünf Zonen teilen. Die Analyse kommt zu dem Schluss, dass all diese Teilungen einen Vorteil für die Gesamteffizienz hätten. Die höchste Kosteneinsparung gäbe es demnach bei der Aufteilung in fünf Zonen, mit einer durchschnittlichen jährlichen Einsparung von 339 Mio. €. Berechnet wurde das für das Zieljahr 2025. Für die angenommenen Wetterbedingungen wurde ein Durchschnitt über mehrere Jahre gebildet.

Weniger Redispatch-Kosten

Ausschlaggebend für die höhere Effizienz sind dabei die geringeren Redispatch-Kosten. Es kommt also seltener zu Situationen, in denen etwa Windkraft in Norddeutschland abgeregelt werden muss und Gaskraftwerke in Süddeutschland einspringen, um den Strombedarf zu decken. Netzengpässe spiegeln sich innerhalb einer Strompreiszone nicht im Preis wieder. Deshalb suggeriert ein günstiger Strompreis an windigen Tagen aktuell, dass der günstige Windstrom überall in Deutschland verfügbar ist, auch wenn er nicht ausreichend transportiert werden kann. Die Aufteilung in mehrere Strompreiszonen würde ca. drei Jahre dauern.

Vorteile und Herausforderungen bei Stromzonensystem

Welche Vorteile das System bietet und warum aus Sicht der Energiewissenschaft eine Aufteilung in mehrere Zonen sinnvoll ist, erklärten drei Wissenschaftler in einem Pressebriefing des Science Media Centers. „In der Politik und auch im Koalitionsvertrag entsteht ja manchmal der Eindruck, dass es darum geht, bei der Einteilung in mehrere Strompreiszonen den einen etwas wegzunehmen und den anderen zu geben. Also so was wie ein Soli oder der Länderfinanzausgleich“, sagt Prof. Leon Hirth, Energiepolitikexperte bei der Hertie School. Stattdessen gehe es darum, das Stromsystem intelligenter und damit günstiger und sicherer zu machen.

Intelligente Stromsysteme gegen Engpässe

Hirth zeigt das Dilemma auf, wenn es nur eine Strompreiszone gibt: „Wenn an der Küste viele Windräder offshore und onshore Strom im Überschuss produzieren, drückt das in ganz Deutschland den Strompreis. Der Strom kann aber gar nicht abtransportiert werden.“ Wenn jetzt in Stuttgart beispielsweise aufgrund des niedrigen Strompreises ein intelligentes Energiemanagementsystem dafür sorgt, dass ein Elektroauto geladen wird, kommt es zum Konflikt: Der Windstrom im Norden kann nicht abtransportiert werden, es kommt dort zur Abregelung. Und wegen des Anreizes, jetzt wegen der Strompreises viel zu laden, müssen Netzbetreiber wegen des höheren Stromverbrauchs im Süden u.a. Reservekraftwerke hochfahren, um den Ausgleich (Redispatch) sicherzustellen. „Ähnlich ist das beim Export: Beim niedrigen Strompreis exportieren wir an der Südgrenze viel Strom nach Österreich, Schweiz oder Frankreich, auch wenn der Strom physikalisch gar nicht vorhanden ist“, sagt Hirth.

Heute schon verschiedene Strompreise

Er weist auch noch einmal darauf hin, dass es in Deutschland heute schon über 900 verschiedene Strompreise gibt. „Wir haben rund 900 Verteilnetzbetreiber in Deutschland, die alle unterschiedliche Netzentgelte auf den einheitlichen Börsenstrompreis aufschlagen. Es ist also unsinnig zu fordern, dass wir einheitliche Endkundenpreise in ganz Deutschland haben müssten.“ Darum müsse man in Vergleichsportalen immer seine Postleitzahl angeben, weil jede Region andere Strompreise habe. „Die Unterschiede bei den Netzentgelten sind im Übrigen deutlich höher, als die Unterschiede bei einem Strompreiszonensplit wären“, ordnet Hirth die Lage ein.

Redispatch-Kosten könnten drastisch steigen

Die Redispatchkosten könnten sich nach einer Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der EU-Kommission (Join Research Centre) bis 2040 sogar versechsfachen, mahnt Martin Bichler, Professor für Decision Sciences and Systems an der Technischen Universität München. In dem Zusammenhang regt Neuhoff eine Reform der Netzentgeltregelung an. „Mit der aktuellen Regelung ergeben sich viele Fehlanreize, die eine flexible Nachfrage behindern“, sagt er.

Vorteil lokaler Preissignale bei Energiewende

Und der europäische Bericht bezieht sich noch nicht einmal auf die aktuelle Lage: „Der Bericht der europäischen Übertragungsnetzbetreiber wurde fünf Jahre später als geplant vorgelegt. Er ist keine Vorausschau, sondern bezieht sich auf die Vergangenheit. Der starke Photovoltaikausbau wurde darin deutlich unterschätzt“, sagt Prof. Karsten Neuhoff, Leiter der Abteilung Klimapolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). „Je mehr Erneuerbare im System sind, desto mehr wird auch das Netz herausgefordert, desto wichtiger sind lokale Preissignale, um hohe Redispatch-Kosten zu vermeiden“, erklärt er. Ebenso unterschätzt sei im Bericht die installierte Leistung von Batteriespeichern.

Netzausbau unzureichend für steigende Nachfrage

Wenn Strom aus Überschussregionen wie im Norden in den Süden transportiert werden soll, müssten die Übertragungsnetzkapazitäten vervielfacht werden, mahnt er. „Das ist in vielen Netzausbauplänen gar nicht vorgesehen“, sagt er. Zudem befürchten Netzbetreiber laut Leon Hirth, dass sie mit dem Redispatch-Prozess irgendwann nicht mehr hinterherkommen und dass einfach Fehler unterlaufen und es zu Zwischenfällen kommt im Betrieb.

Kosten und Anforderungen des Netzausbaus

Dazu kommen enorme Kosten. „Wir sprechen da bei den aktuellen Netzausbauplänen von knapp 20 Mrd. €, die man da pro Jahr ansetzt oder einplant“, ergänzt Bichler. Außerdem werde der Stromverbrauch aufgrund von E-Mobilität, neuen Rechenzentren sowie Elektrolyseuren für die Wasserstoffproduktion so stark und schnell von heute knapp 500 TWh auf 750 TWh bis 2030 steigen, dass der Netzausbau gar nicht hinterher käme.

Herausforderungen beim Stromzonensystem

Einheitliche Stromgebotszonen haben laut Neuhoff den Nachteil, dass man keine Transaktionen zwischen den Gebotszonen mehr machen kann und auf den Handel innerhalb der kleinen Gebotszone angewiesen ist. „Eine Alternative wäre ein lokaler Strommarkt, bei dem die Verbraucher per App den Strompreis vor Ort sehen und darauf reagieren können.“ International sei das Modell sehr erfolgreich.

Leon Hirth plädiert dafür, Unternehmen der energieintensiven Industrie industriepolitisch zu unterstützen. Dazu gehören seiner Meinung die Branchen Chemie, Alu, Kupfer, Zement oder Elektrostahl, die viel Strom verbrauchen. „Viele stehen heute schon mit dem Rücken an der Wand und für sie wären selbst kleine Änderungen am Strompreis sehr schmerzhaft.“ Sie sollten dann finanziell entschädigt werden, wenn der Strompreis gegenüber dem Einheitspreis steige. „Durch die Aufteilung in Stromgebotszonen wird viel Geld gespart, das sonst für den Redispatch und Engpasserlösen ausgegeben wird“, sagt Hirth. Mit diesem Geld könne man die Schwerindustrie entschädigen. Damit würde das wertvolle Preissignal bestehen bleiben, weshalb auch für die Industrie ein Anreiz bestehe, flexibel auf lokale Überschüsse und Knappheiten zu reagieren.

Folgen eines einheitlichen Strompreiszonensystems

Sein Resümee: „Wenn wir in Deutschland an einer einheitlichen Gebotszone festhalten, wird es dazu führen, dass wir nicht nur den Strommarkt schrittweise immer weiter rückabwickeln werden, sondern auch sehr viel länger an Großkraftwerken festhalten werden müssen sowie den Batterieausbau und auch den Elektroauto- und Erneuerbaren-Energien-Zubau in vielen Regionen ausbremsen werden. Und das wäre ziemlich bitter aus meiner Sicht.“

Auch Agora hält Einsparungen für möglich

Das Festhalten an der einheitlichen Strompreiszone erzeugt auch laut Denkfabrik Agora Energie in zunehmendem Maße Fehlanreize, die wiederum Eingriffe von Seiten der Netzbetreiber zur Stabilisierung des Netzes notwendig machen (Redispatch). Die Kosten für diese Eingriffe stiegen zwischen 2019 und 2023 von 1,3 auf 3,2 Mrd. € und könnten in den kommenden Jahren weiter anwachsen.

Eine Umstellung von der einheitlichen Preiszone auf ein System lokaler Preise kann diese Kosten einsparen und zugleich die Versorgungssicherheit in Deutschland stärken, wie eine neue Studie von Agora Energiewende und dem Fraunhofer IEE zeigt. Denn mithilfe lokaler Preise lassen sich Angebot und Nachfrage gezielter in Einklang bringen und damit das Übertragungsnetz gleichmäßiger auslasten. Bereits 2023 hätte ein solches System laut der Agora-Analyse die Stromkosten für Unternehmen und Haushalte im bundesweiten Durchschnitt um gut 6 Euro pro Megawattstunde senken können. Dieser Preisvorteil verstärkt sich, wenn künftig mehr flexible Verbraucher und Speicher ans Netz kommen und der Ausbau der Erneuerbaren Energien voranschreitet.

Schleswig-Holstein dafür

Sich krampfhaft an eine einzige Gebotszone im Strommarkt zu klammern, passe nicht mehr in die heutige Zeit und schon gar nicht zu einem klimaneutralen Deutschland. „Das haben nun auch die europäischen Übertragungsnetzbetreiber begriffen und empfehlen eine Unterteilung in fünf Gebotszonen. Ich begrüße die Empfehlungen ausdrücklich. Denn Marktwirtschaft darf nicht nur in Sonntagsreden vorkommen - die Preise müssen das reale Verhältnis von Angebot und Nachfrage abbilden“, kommentiert Schleswig-Holsteins Energiewendeminister Tobias Goldschmidt den Bericht.  

Die Strompreise in einer einheitlichen Preiszone würden irreführende Preissignale senden. Die jetzt vorgeschlagene Teilung würde diese Probleme der Netzstabilität beheben.

Und die vorgeschlagenen fünf Gebotszonen würden die Kosten für die Verbraucher senken: „Die Studie zeigt, dass mehrere Preiszonen in Deutschland die Redispatch-Kosten um mehr als 600 Mio. € senken. Auch wenn man alle Vor- und Nachteile gegeneinander aufwiegt, landet man bei einem positiven Gesamteffekt von 339 Mio. € bei fünf Zonen. Das sind Kosten, die sonst von uns allen über unsere Stromrechnung getragen werden, jedes Jahr“, erklärt Goldschmidt. Gleichzeitig würden die Strompreise im Süden um nur 0,13 ct/kWh steigen. Das sei wahrlich kein Anlass, eine Deindustrialisierung herbeizureden.

In Schleswig-Holstein würde der Großhandelspreis um 0,8 ct/kWh sinken. Grüner Wasserstoff für ganz Deutschland könnte hier entsprechend günstiger erzeugt werden. Zu Befürchtungen, dass der Erneuerbaren-Zubau zum Erliegen käme, bestehe angesichts der etwas niedrigeren Strompreise kein Anlass. 

Massive Kritik aus Bayern

Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger reagiert mit scharfer Kritik: „Die deutsche Wirtschaft braucht weiterhin die einheitliche Strompreiszone. Jede andere Debatte führt nur zu einer großen Verunsicherung bei allen Akteuren und schadet der Wirtschaft in Süd wie Nord gleichermaßen.“ Der Windstrom im Norden werde an Wert verlieren und der Strom im Süden werde teurer. 
Aiwanger setzt stattdessen auf ein verstärktes Engagement beim Netzausbau als wirksamste Antwort auf Netzengpässe: „Deutschlandweit wird am Netzausbau gearbeitet, die regionale Energieerzeugung und Speicherlösungen werden vorangetrieben. Das ist die wirksamste Antwort auf Engpässe. Nur so schaffen wir eine starke, resiliente Energieversorgung für die Zukunft – ohne Preismauern zwischen Nord und Süd.“
 
Der Minister warnt, dass sich die negativen Folgen nicht auf Süddeutschland beschränken. Die Aufteilung würde beispielsweise den Marktwert von Windstrom aus dem Norden senken. Das hätte zur Konsequenz, dass die EEG-Ausgleichszahlungen steigen, was letztlich die Steuerzahler begleichen müssen.

Der Vorsitzende der CSU-Fraktion Klaus Holetschek ergänzt: "Die Empfehlung ist skandalös und kurzsichtig. Wenn Bayern von den anderen Regionen Deutschlands getrennt wird, drohen uns höhere Strompreise und Wettbewerbsnachteile für unsere Unternehmen. Besonders absurd: Die erforderlichen Vorbereitungen würden sich über drei bis fünf Jahre hinziehen. Bereits ab 2027 werden aber der SüdOstLink und ein Jahr später der SüdLink dafür sorgen, dass Strom aus Überkapazitäten in Nord- und Ostdeutschland einfach nach Bayern transportiert werden kann. Damit hat sich das Problem ohnehin erledigt. Der Netzausbau ist bereits in vollen Gange. EU und Bund dürfen diesen unsinnigen Vorschlag keinesfalls unterstützen!"

Auch BEE sieht keine Vorteile

Eine Teilung möge theoretisch funktionieren, halte aber dem Praxischeck nicht stand, warnt Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energie (BEE). Erwartbar wären nicht nur negative Folgen für die Entwicklung der Preise, sondern auch für die Investitionssicherheit sowie den Ausbau der erneuerbaren Energien und von Flexibilitäten. „Potenziellen (geringen) Vorteilen in einigen Bereichen des Kurzfristmarkts stehen deutliche Nachteile im gesamten Langfristmarkt gegenüber,” so Peter.

Der BEE hatte bereits letztes Jahr einen gemeinsamen Appell mit anderen Energie- und Wirtschaftsverbänden an die Politik gerichtet und einen Realitätscheck gefordert, der alle wirtschaftlichen Folgen eines Gebotszonensplits berücksichtigt. „Laut Modellierung der ENTSO-E würden Wohlfahrtsgewinne von lediglich 339 Mio. €  für das Zieljahr 2025 gegenüber dem Status Quo in der Region Zentraleuropa generiert werden können, das sind weniger als ein Prozent der zu erwartenden Systemkosten,” sagt Peter.

Kritisch sieht der BEE zudem, dass in den zugrunde liegenden Studien zum ‘Bidding Zone Review’ nur zwei Faktoren - Marktliquidität und Transaktionskosten - untersucht wurden und damit weitere 20 zentrale Aspekte der Energiewende in den Bereichen Netzsicherheit, Markteffizienz, Stabilität, Robustheit der Gebotszonen und Auswirkungen auf die Energiewende außen vor blieben. Damit werden v.a. die Effekte einen Gebotszonensplits mit Blick auf die Marktliquidität ausgeblendet. Der BEE hatte dies in seiner Stellungnahme zum Bidding Zone Review ausführlich erläutert.

“Eine wesentliche Voraussetzung für eine funktionierende Wirtschaft ist Planbarkeit: Um diese Planbarkeit herzustellen, gibt es die Möglichkeit, Strommengen zu einem vereinbarten Termin zu handeln. Dieser langfristige Handel erlaubt ein anspruchsvolles Risikomanagement, die Absicherung von Flexibilitäten oder Kreditrisiken aus dem bilateralen Handel“, erklärt die Präsidentin.

Demgegenüber stehe der kurzfristige Einkauf von Strom am Spotmarkt. Der hochliquide Terminmarkt in Deutschland war einer der Gründe, warum das Land die Energiepreiskrise 2022 vergleichsweise gut überstanden hat", sagt sie. 2018 sei die deutsch-österreichische Stromgebotszone getrennt worden. Als kleinere der beiden Gebotszonen habe Österreich von der Teilung bislang nicht profitiert. Im Gegenteil. Das Handelsvolumen im Terminmarkt in Österreich brach fast vollständig zusammen. „Es ist nicht verwunderlich, dass sich sowohl Österreich als auch die skandinavischen Länder heute über den stabilen Terminmarkthandel in Deutschland langfristig absichern. Ein funktionierender Handel hierzulande ist für den europäischen Kontext zentral”, so Peter.

Kleine Zonen, volatile Preise

Auch habe die Größe der jeweiligen Stromgebotszone einen deutlichen Einfluss auf die betriebswirtschaftliche Grundlage von dringend benötigten Flexibilitäten, aber auch auf die Erzeuger von Erneuerbarer Energie und die Sektorenkopplung. Denn in kleineren Zonen wären die Preise volatiler, da hier einzelne Erneuerbaren-Anlagen mit ihrer Einspeisung temporär einen sehr hohen Anteil an der insgesamt geringeren Stromlast hätten, was vor allem in Strompreiszonen mit bestehenden Netzproblemen zu erhöhten §51 EEG-Zeitfenstern führen würde. „In diesen Zeitfenstern negativer Strompreise wird Strom aus Erneuerbaren-Anlagen nicht vergütet, was nicht nur Neuanlagen, sondern auch Bestandsanlagen in ihrer Wirtschaftlichkeit massiv beeinträchtigen würde. Investitionen werden damit riskanter und weniger attraktiv.“

In der Folge reduziere das nicht nur das Ausbauvolumen der Erneuerbaren, welches sich senkend auf den Strompreis auswirkt, sondern auch die Zahl der Marktakteure nehme ab. Es drohe damit eine Marktkonzentration auf einige wenige Player. „Dabei profitieren wir in Deutschland von der Vielfalt der Akteure. Auch die Sektorenkopplung würde sich verlangsamen. Eine derartige Fehlsteuerung ist zu vermeiden”, fordert Peter und appelliert an die neue Bundesregierung, an der im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD enthaltenen Einigung, auf eine Teilung der Strompreiszone zu verzichten, festzuhalten.

Kritik von deutschen Netzbetreibern

Auch die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber (ÜNBs) 50 Hertz, Amprion, Tennet und Transnet BW kritisieren die Ergebnisse des Reports deutlich. "Die zugrundeliegenden Eingangsdaten seien überholt, die Analysezeiträume nicht kohärent und die berechneten Wohlfahrtsgewinne nicht aussagekräftig”, ordnet Peter den Bericht ein. Die Ergebnisse seien laut den ÜNBs nicht geeignet für eine Entscheidung über die Aufteilung der Gebotszone.

„Die vermeintliche Lösung durch ‚lokale Strompreise‘ in lokalen Stromzonen, die von einigen Akteuren nun vorgeschlagen wurde, ist nichts anderes als eine Aufteilung der deutschen Stromgebotszone“, sagt sie. Echte und wirksame lokale Signale ließen sich hingegen volks- und betriebswirtschaftlich sinnvoller durch die Umsetzung des Energy Sharings, regionale Flexibilitätsmärkte, die direkte Einbindung durch Verteilnetzbetreiber (§14c ENWG), und vieles mehr schaffen. Das ist wirksamer, marktnäher und kostengünstiger,” so Peter abschließend.

Weitere kritische Stimmen

  • Achim Dercks, stellvertretender DIHK-Hauptgeschäftsführer: „Eine Aufteilung Europas in zahlreiche kleinteilige Preiszonen ist ein Kostentreiber für die deutsche Wirtschaft. Sie entzieht dem Markt Liquidität, begünstigt regionale Monopole und erschwert den Handel. Die Folgen sind hohe Strompreise, neue Umlagen und weitere Bürokratie sowie eine tiefgreifende Verunsicherung der Betriebe und Anlagenbetreiber durch einen viele Jahre andauernden Teilungsprozess. Investitionen in die Stromerzeugung und Flexibilitäten wie zum Beispiel Speicher würden ausgebremst.“

  • Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, und Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie: „Der Bidding Zone-Review zeigt klar, dass die Idee einer Aufteilung der deutschen Strompreiszone ökonomisch nicht überzeugen kann und kurzfristig nur sehr geringe Einsparungen zu erwarten wären. Demgegenüber würde eine Aufteilung des deutschen Strommarktes in mehrere Preiszonen zu massiven Unsicherheiten für die Industrie führen und zudem das Investitionsklima für erneuerbare Energien erheblich eintrüben. Eine Aufteilung des deutschen Strommarktes würde insbesondere die industriestarken Regionen in Hochpreiszonen für Elektrizität wandeln. Die im internationalen Vergleich ohnehin bereits sehr hohen Stromkosten würden weiter in die Höhe getrieben, die dort ansässigen Unternehmen erheblich benachteiligt und in ihrer Wettbewerbsfähigkeit massiv geschwächt – mit entsprechenden negativen Folgen für Wohlstand und Beschäftigung. Der fortschreitende Netzausbau wird die aktuellen Engpässe im deutschen Stromnetz und damit den Bedarf netzstabilisierender Eingriffe (Redispatch) in den kommenden Jahren deutlich reduzieren. Dadurch werden die scheinbaren Effizienzgewinne durch eine Aufteilung des Strommarktes weiter abnehmen.“  

Zum Nachlesen

Die Studie "Lokale Strompreise - Wie die Integration der Netzrealität in den Strommarkt gelingt und Kosten senkt" wurde von Agora Energiewende in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer IEE erstellt. Die 96-seitige Studie untersucht, welche Vor- und Nachteile die Einführung lokaler Preissignale auf dem deutschen Strommarkt hat und macht Lösungsvorschläge, wie etwaige Nachteile überwunden werden können. Die Publikation steht zum kostenfreien Download unter www.agora-energiewende.de zur Verfügung.

 

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