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topplus Reststoffe in der Biogasanlage

Statt Energiepflanzen: Biogas aus Stroh, Mist und Co.

Beim Forschungsprojekt „Landwirtschaftliche Rest- und Abfallstoffverwertung“ haben Biogasexperten bei 15 Anlagen die Umstellung auf Koppelprodukte untersucht. Jetzt liegen die Ergebnisse vor.

Lesezeit: 7 Minuten

Dieser Beitrag gehört zu einer dreiteiligen Serie über den Einsatz von Reststoffen in Biogasanlagen:

1. Ergebnisse des Forschungsprojekts „Landwirtschaftliche Rest- und Abfallstoffverwertung“

2. Reportage über eine Biogasanlage, die schon seit 2004 Reststoffe einsetzt

3. Reportage über eine Bioabfall-Vergärungsanlage

Waren Biogasanlagen früher wegen der „Vermaisung“ der Landschaft eher verpönt, sind Interviews mit Anlagenbetreibern seit Februar 2022 beliebte Formate sogar zur besten Sendezeit im Fernsehen. Immer wieder stellen Moderatoren oder Fachpolitiker die Frage: Können wir die Biogasproduktion in Deutschland ausdehnen, um russisches Erdgas zum Teil zu ersetzen? Und gelingt das ohne Energiepflanzen?

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Das Potenzial scheint vorhanden zu sein: Derzeit wird nur rund ein Drittel des Wirtschaftsdüngers aus deutschen Ställen in Biogasanlagen genutzt. Auch bei anderen Reststoffen und Koppelprodukten bestehen noch erhebliche ungenutzte Potenziale.

Zudem werden Anlagenbetreiber mit Anforderungen an den Substrateinsatz bei der Teilnahme an den EEG-Ausschreibungen („Maisdeckel“), steigenden Anbau- und Ausbringungskosten sowie sinkenden Vergütungen konfrontiert. Darum sind alternative und kostengünstigere Substrate gefragt.

Wie die Wissenschaftler gearbeitet haben

Vom 1. November 2020 an haben Biogasexperten im Projekt „Landwirtschaftliche Rest- und Abfallstoffverwertung“ (kurz: LaRA) bei 15 Biogasanlagen Lösungsansätze für den Einsatz von landwirtschaftlichen Koppelprodukten ermittelt.

Die Wissenschaftler unter Federführung der Technischen Hochschule Ingolstadt (THI) haben zu jeder der drei Kategorien (Stroh, Mist und Landschaftspflegegras) fünf Biogasanlagen ausgewählt und anlagentechnisch, prozesstechnisch und ökonomisch analysiert. Das Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e. V. (ATB) hat die Prozesstechnik untersucht, während sich die Biogasexperten des Centralen Agrar-Rohstoff Marketing- und Energie-Netzwerks (C.A.R.M.E.N.) aus Straubing der Wirtschaftlichkeit und der Akzeptanz gewidmet haben.

Eine Untersuchung des Deutschen Biomasse-Forschungszentrums (DBFZ) hat die ungenutzten Potenziale analysiert. „Neben Waldrestholz machen hier Festmist, Landschaftspflegematerial und Getreide- und Körnermaisstroh den größten Part aus“, erklärt Biogasexperte Robert Wagner von C.A.R.M.E.N.

Wo Koppelprodukte in der Biogasanlage Probleme machen

Die Reststoffe bzw. Koppelprodukte haben unterschiedliche Eigenschaften. „Typisch für Getreide- und Maisstroh sind lange Partikel, die zu Verstopfungen führen oder Rührwerke umwickeln können sowie die Fließfähigkeit einschränken“, sagt Norbert Grösch vom Institut für neue Energiesysteme der THI. Zudem gibt es viele leichte Substratanteile, die zur Entmischung oder zum Aufschwimmen neigen. Bei Maisstroh kann es zudem zu Sedimenten kommen, wenn bei falscher Bergetechnik Sand an dem Stroh anhaftet.

Beim Mist gibt es große Unterschiede zwischen Rinder-, Pferde- und Geflügelmist, z.B. bezüglich des Stroh- und Dunganteils. Auch ist der TS-Gehalt bei Rinder- und Pferdemist geringer als beim Geflügel. „Beim Rindertretmist haben wir zudem einen ersten Substrataufschluss durch den Tritt der Wiederkäuer, was sich positiv auf die Gäreigenschaften auswirkt“, erklärt der Wissenschaftler.

Bei höheren Reststoffgehalten hat der TS-Gehalt einen Einfluss auf die Fließfähigkeit: Sie nimmt ab etwa 10 % TS im Fermenter deutlich ab. Gleichzeitig ist die Wärmeverteilung im Fermenter bei hohen TS-Gehalten schwieriger. Zudem lässt sich die Temperatur schwerer auf gleichmäßigem Niveau halten, was Probleme beim Gärprozess verursachen kann. Gerade im Winter kann es passieren, dass der Temperaturbereich zwischen mesophil (bis 40 °C) und thermophil (ab 50 °C) schwankt. „Das sollte der Anlagenbetreiber unbedingt vermeiden, da die Bakterienstämme auf ein bestimmtes Temperaturniveau angepasst sind und die Gasproduktion bei Über- oder Unterschreiten gehemmt wird“, warnt Grösch.

Welche technischen Lösungen es bereits gibt

Was die Wissenschaftler im Laufe des Projekts festgestellt haben:

  • Bei der Rührtechnik hat sich eine Kombination aus Langsamläufern und Schubrührwerken bewährt.
  • Ein Paddelrührwerk sollte nahe der Feststoffeinbringung platziert werden, um Schwimmdecken einzurühren und aufzulösen.
  • Neben der robusten Rührtechnik ist ein Frequenzumrichter sinnvoll, um eine hohe Stromaufnahme des Rührwerks zu verhindern.
  • Die Fließfähigkeit lässt sich mit kürzeren Faserlängen und einer höheren Gärtemperatur verbessern. Auch das reduziert die Stromaufnahme der Rührwerke. Darum ist eine Zerkleinerung von Stroh, Mist und Gras sinnvoll.
  • Für eine bessere Wärmeverteilung rät Grösch dazu, die Dämmung des Fermenters einschließlich der Gashaube zu verbessern.
  • Zudem kann der Betreiber die Heizleistung über eine externe Substrat­beheizung erhöhen.
  • Bei der Substrateinbringung sollten leichte und schwere Einsatzstoffe im Dosierbehälter geschichtet werden.
  • Mit Fräswalzen oder anderen Lösungen sollten knäuelige Substratpartikel aufgelockert werden – das gilt besonders für Getreidestroh oder Gras.
  • Die Eintragsschnecken müssen groß dimensioniert sein.
  • Bei hohen Gärbehältern sollten die Substrate nicht über Schnecken, sondern über eine Flüssigfütterung (mit vorheriger Anmaischung des Materials) in den Fermenter gepumpt werden.

Warum die Substratqualität schwankt

Bei einer näheren Analyse der eingesetzten Reststoffe stellte das ATB aus Potsdam Schwankungen im Aschegehalt fest. „Das hängt mit der Lagerung des Mistes zusammen. Daher sollte jeder Betreiber vor dem Einsatz der Reststoffe eine Laboranalyse zum Aschegehalt durchführen lassen“, rät Dr. Christiane Herrmann, Leiterin der AG Umweltbioverfahrenstechnik am ATB.

Auch sind die Anteile an Lignin, Zellulose und Hemizellulose in den Reststoffen verglichen mit üblichen Energiepflanzen hoch. „Bei Stroh ist Zellulose und Hemizellulose in höheren Mengen vorhanden, die im Prozess relativ langsam abbaubar sind“, sagt Herrmann. Der Ligningehalt ist allerdings vergleichsweise niedrig verglichen mit den anderen Koppelprodukten, die wir untersucht haben.

Wenn der Betreiber bei gleichem Gasertrag Maissilage durch Reststoffe ersetzen will, muss er in der Regel mehr Substrat einsetzen. „Am höchsten ist die Ersatzmenge bei Rindermist. Hier ist das 2,7-Fache notwendig, um gleiche Gaserträge zu erzielen“, sagt sie.

Das hat verschiedene Auswirkungen auf den Anlagenbetrieb:

  • Der Platzbedarf für die organische Masse nimmt zu.
  • Die Verweilzeit in der Biogasanlage verringert sich. Das kann bedeutend sein, wenn die Substrate langsam abbaubar sind und Verweilzeiten schon relativ gering waren, sodass die Umsetzung in der Anlage weiter abnimmt.
  • Es fällt mehr Gärrest an, was den Lagerbedarf erhöht.
  • Stroh enthält viel Kohlenstoff (C) im Vergleich zu Stickstoff (N), während Mist (vor allem bei Geflügel) hohe N-Gehalte enthält. „Wichtig ist ein ausgeglichenes Nährstoffverhältnis. Bei zu viel N kann es zur Ammoniakhemmung und damit zu einer geringeren Gasausbeute kommen“, erklärt sie.
  • Bei allen Substraten außer bei Maisstroh ist der Gehalt an Schwefel höher als bei Energiepflanzen. Das bedeutet mehr Schwefelwasserstoff (H2S) im Biogas, was den Aufwand der Gasreinigung erhöht.
  • Mit steigendem Reststoffanteil nahm der oTM-Abbau deutlich ab. „Auch hier haben wir wieder festgestellt, dass mit höherem Reststoffanteil und einem steigenden Ligningehalt in den Subs-tratmischungen auch das Restgaspotenzial anstieg, also die Umsetzung weniger effizient war“, resümiert Herrmann.

Eine gute Substratzerkleinerung vor der Vergärung sowie eine höhere Fermentertemperatur konnten die Effizienz steigern. Allerdings ist eine Gärtemperaturerhöhung kritisch zu sehen, wenn die Ammoniumgehalte in der Anlage schon relativ hoch sind.

Wie Betreiber rohfaserhaltige Stoffe sehen

Während die breite Öffentlichkeit den Einsatz von Reststoffen wie Stroh oder Mist positiv sieht, sind Anlagenbe­treiber gerade bei rohfaserhaltigen Stoffen skeptisch. Das zeigt eine Umfrage von C.A.R.M.E.N. unter rund 670 Bürgern und 120 Biogasanlagenbetreibern.

„Während über 40 % der befragten Anlagenbetreiber Landschaftspflegegras kritisch sehen, könnten sich über 80 % vorstellen, Mist als Substrat einzusetzen“, berichtet Sebastian Altmann, Mitarbeiter bei C.A.R.M.E.N. und selbst Anlagenbetreiber. Er vermutet, dass der große Anteil an verholzter Biomasse und Störstoffe eher zur Ablehnung bei dem Gras führen.

Wie hoch die Stromgestehungskosten sind

Bei den 15 untersuchten Anlagen, die bereits Mist, Landschaftspflegegras und Stroh einsetzen, hat C.A.R.M.E.N. die Wirtschaftlichkeit der Reststoffe berechnet. „Dabei haben wir den Reststoffeinsatz mit einer Anlage verglichen, die ausschließlich Energiepflanzen einsetzt“, sagt Altmann.

Als beste Vergleichszahl haben sich die Stromgestehungskosten erwiesen. In der Übersicht sind diese für drei Rest- bzw. Koppelprodukte im Vergleich (VGL) zu einer Anlage mit Energiepflanzen aufgeführt. Ergebnis: Landschaftspflegegras führt mit 19,45 ct je kWh zu den höchsten Erzeugungskosten, während Mist und Stroh relativ gut im Vergleich zu Energiepflanzen (18,41 ct/kWh) abschneiden.

„Aus den Ergebnissen werden wir jetzt Handlungsempfehlungen und Lösungsansätze für einen gesteigerten Einsatz von Koppelprodukten ableiten“, schildert Biogasexperte Robert Wagner von C.A.R.M.E.N. die nächsten Schritte.

Anschließend ist ein kostenloser Leitfaden für Anlagenbetreiber geplant. Auf der Internetseite  www.carmen-ev.de/ ­ service/forschungsprojekte/lara/ gibt es dazu weitere Informationen.

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