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Solarspitzengesetz: Das Ende der Volleinspeisung?

Das Solarspitzengesetz stellt neue Anforderungen an alle, die eine Photovoltaikanlage bauen wollen. Bau und Betrieb neuer Anlagen werden komplexer und schwieriger zu kalkulieren.

Lesezeit: 4 Minuten

Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im "Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben".

Wieder etwas Neues: Mit dem Solarspitzengesetz möchte die Bundesregierung Vorsorge treffen für Zeiten mit Erzeugungsüberschüssen, also für Zeiten, in denen mehr erneuerbarer Strom erzeugt als benötigt wird. Denn das gefährdet die Stabili­tät der Stromversorgung und führt zu Folgekosten.

Die Börsen­strompreise sinken immer häufiger: 2024 waren sie an rund 460 Stunden negativ – insbesondere getrieben von der Photovoltaik (PV) im Sommer und in der Mittagszeit.

Für die nächsten Jahre erwarten Experten aufgrund der Gesetzesänderung ­einen steigenden Einfluss der negativen Preise auf den Ertrag von (neuen) PV-Anlagen.

Das Solarspitzengesetz heißt mit vollständigem Namen „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsrechts zur Vermeidung von temporären Erzeugungsüberschüssen“. Es nimmt Änderungen an sieben verschiedenen Gesetzen und Verordnungen vor: unter anderem am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), am Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) und am Messstellenbetriebsgesetz (MsbG). Es ist am 25. Februar 2025 in Kraft getreten. Betroffen sind neben der Photo­voltaik auch andere Bereiche, wie die Kraft-Wärme-Kopplung.

Unter anderem, weil sonst übliche Erläuterungen fehlen, herrscht in Praxis und Beratung noch eine Menge Unsicherheit über die Folgen des Gesetzes. Hinzu kommt, dass bisher notwendige Vorgaben der Bundesnetzagentur ausstehen und mehrere Paragrafen im Ge­setzespaket noch von der EU beihilferechtlich genehmigt werden müssen.

Im Folgenden stellt Energieberater Elmar Brügger, Landwirtschaftskammer NRW, stellt die neuen Regeln im Bereich Photovoltaik vor. Sein Fazit: Aussagen zur Wirtschaftlichkeit von neuen PV-Anlagen sind zurzeit nur schwer zu treffen. Eines lässt sich aber relativ sicher beantworten: Volleinspeiseanlagen werden es schwer haben, sich wirtschaftlich zu rechnen.

Von nicht betroffen bis überrascht: Das gilt für Bestandsanlagen

Photovoltaik (PV)-Anlagen, die vor dem 1. Januar 2025 ans Netz gegangen sind, sind von den gesetzlichen Neuerungen grundsätzlich nicht betroffen. Andere sind es allerdings doch:

  • Viele Anlagen, die seit dem 1. Januar Strom einspeisen und direkt vermarkten, müssen rückwirkend statt der Stunden- eine Viertelstundenmessung vornehmen, um ihren PV-Strom zukünftig auch viertelstundenscharf in der Auktion am Day-Ahead-Markt (Spotmarkt) vermarkten zu können.

  • Unglücklich vom Gesetz betroffen sind Betreiber, die ihre PV-Anlage ab dem 25. Februar, also nach Inkrafttreten des Solarspitzengesetzes, ans Netz gebracht haben und bringen. Sie müssen sich an die neuen gesetzlichen Regelungen halten. Dies sind häufig PV-Betreiber, die den Start ihrer Volleinspeiseanlage in der Hoffnung darauf, dass die beihilferechtliche Genehmigung des Solarpakets 1 endlich erfolgt, und/oder mit dem Wunsch, den Förderzeitraum durch einen Start Anfang des Jahres zu verlängern, ins neue Jahr 2025 verschoben haben. Für sie ist nun fraglich, ob ihre Anlage ohne Eigen­verbrauch und Speicher wirtschaftlich sein kann.

  • Betreiber von PV-Bestands­anlagen, die freiwillig zu den neuen Regelungen wechseln und bisher keine verringerte Vergütung bei negativen Strompreisen hinnehmen mussten, erhalten eine Erhöhung der EEG-Vergütung um 0,6 Cent/kWh. Diese Erhöhung steht allerdings unter einem EU-beihilferechtlichen Genehmigungsvorbehalt und wird bis dahin nicht gewährt.
    Eine Überlegung zum Wechsel lohnt, wenn der Messstellenbetreiber – zum Beispiel der Netzbetreiber – das intelligente Messsystem (Smart Meter und Gateway) laut Messstellenbetriebsgesetz in den Hausanschlusskasten einbauen lässt. Die hierfür gesetzlich geregelten Unterhaltungskosten sollten bei einer Wirtschaftlichkeitsbetrachtung einbezogen werden.
    Am ehestens rechnet sich die Umstellung vermutlich für PV-Anlagen mit einem hohen Eigenverbrauchsanteil und einer noch relativ langen Restlaufzeit. Insgesamt sind aber noch so viele Fragen offen, dass aktuell keine befriedigende Antwort möglich ist. 

Weitere offene Fragen:

  • Unklar ist, ob ältere Eigen­verbrauchsanlagen (vor dem 1. April 2012 ans Netz gegangen) bei einer Umstellung auf das neue Recht die Erhöhung um 0,6 Cent/kWh auch für den eigen­verbrauchten Strom er­halten können.

  • Was ist, wenn eine Bestandsanlage einen neuen Batteriespeicher integriert? Fällt dann die ganze Anlage unter die Regeln des Solarspitzengesetzes oder nur der Batteriespeicher?

Kein Geld bei negativen Preisen

Neu ist, dass nun auch kleinere PV-Anlagen keine EEG-Vergütung erhalten, wenn die Preise an der Strombörse negativ sind. Zum Ausgleich verlängert sich ihr Vergütungszeitraum. Betroffen sind Neuanlagen – Inbetriebnahme ab dem 25. Februar 2025 – und solche Bestands­anlagen, die freiwillig wechseln. Es gilt Folgendes:

  • Neue PV-Anlagen mit einer installier­ten Leistung zwischen 2 und <100 kWp erhalten bei negativen Strompreisen keine Einspeisevergütung für ihren Strom, wenn die Anlage mit einem intelligenten Messsystem ausgerüstet ist.

  • Anlagen kleiner 2 kWp werden von dieser Regelung betroffen sein, sobald es dem Stand der Technik entspricht, dass auch sie mit einem intelligenten Messsystem ausgerüstet werden können.

  • Anlagen mit 100 kW und mehr sind verpflichtend in der Direktvermarktung und benötigen hierfür auf jeden Fall ein intelligentes Messsystem.

  • Bestands-PV-Anlagen von 2016 mit mehr als 500 kWp erhalten bei längeren negativen Strompreisen bereits heute schon keine EEG-Vergütung mehr. 

  • Bei Anlagen, die mit ­einem intelligenten Messsystem ausgerüstet sind, wird die Zahl der Viertelstunden, in denen aufgrund negativer Strompreise keine Vergütung erfolgt, gezählt und nach folgender Vorgehensweise an das Ende des 20-jährigen EEG-Förderzeitraums angehängt:

Da die Anlagen nicht immer in Volllast laufen, wird die Anzahl der Viertelstunden mit 0,5 multipliziert und das Ergebnis auf die nächste volle Viertelstunde aufgerundet. Die so ermittelte Viertelstundenzahl (Volllastviertelstunden) entspricht einem Zeitkontingent, um das der Vergütungszeitraum verlängert wird. Dabei ist den Monaten des Jahres aufgrund der unterschiedlichen durchschnittlichen Sonnenscheinstunden eine unterschiedliche Anzahl an Volllastviertelstunden zugeordnet. Für den Monat Januar sind es zum Beispiel 87, für April 442, für ­Juni 508, für September 371 und für November 118.

Die Auswirkungen:

  • Je höher die Zahl der Viertelstunden mit negativen Strompreisen – wenn sie während des Sonnenscheins liegen –, desto stärker sinkt die jährliche Einspeisevergütung. Ob die Verlängerung des Vergütungszeitraums dies ausgleichen kann, ist schwer abschätzbar. Beachten Sie, dass sich die Regelung auf die Liquidität auswirken kann.

  • In den vergangenen Jahren stieg der Einfluss der Solarstromproduktion auf den Strompreis: Negative Preise traten deshalb vermehrt in den Sommermonaten zur Mittagszeit auf. Ost-West-Anlagen sind aktuell weniger betroffen als Südanlagen. Allerdings ist offen, wie sich Zahl, Dauer und Zeitpunkt der Zeiten mit negativen Strompreisen entwickeln werden.

  • Durch die neue Regelung besteht ein Anreiz, Strom zu Zeiten mit negativen Preisen im Rahmen von Eigenverbrauch zu verbrauchen oder einzuspeichern. Wer Strom einspeichert, kann ihn später selbst verbrauchen oder einspeisen.

  • Ob Volleinspeiseanlagen zukünftig noch wirtschaftlich sein können, ist fraglich.

Offene Fragen:

  • Welchen Einfluss hat der Bau (großer) Batteriespeicher? Was verändert sich, wenn zunehmend mehr PV-Anlagen in Ost-West-Richtung ausgerichtet sind?

  • Verantwortlich für den Einbau der intelligenten Messsysteme ist der Messstellenbetreiber. Hat es für ihn Konsequenzen, wenn der Einbau nicht, wie gesetzlich gefordert, erfolgt?

Begrenzung auf 60 % der Leistung

Bei neuen PV-Anlagen, die noch nicht mit einem intelligenten Messsystem (iMSys) und einer Steuerungseinrichtung ausgestattet sind, wird die Einspeiseleistung auf 60 % der installierten Leistung reduziert. Bis zum Einbau der Steuerungstechnik gilt:

  • Von der Regelung ausgenommen sind Steckersolargeräte mit einer installierten Leistung von insgesamt bis zu 2 kWp und mit einer Wechselrichterleistung von insgesamt bis zu 800 VA.

  • Bei Anlagen mit einer installierten Leistung von mehr als 2 und weniger als 25 kW wird die installierte Leistung auf 60 % reduziert. Ebenfalls auf 60 % reduziert wird die Einspeiseleistung für Anlagen mit einer installierten Leistung zwischen 25 und bis zu 100 kW, so lange sie nicht über ein iMSys und eine Steuerbox sowie je nach Anlagengröße einen Rundsteuerempfänger verfügen.

Offene Fragen und Bewertung:

  • Nach einer Simulation der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin führt die Kappung der Einspeiseleistung bei neuen PV-Anlagen in der Voll­einspeisung und ohne Speicher zu Abregelungsverlusten bei der erzeugten Solarstrommenge zwischen 1,1 % bei West-Ost-Ausrichtung und 9 % bei Südaus­richtung. Wie genau verändern sich Einspeiseleistung und Wirtschaftlichkeit im Einzelfall?

  • Durch den Einsatz eines optimierten Batteriespeichers und/oder durch den gesteuerten Eigenverbrauch lassen sich Verluste verringern bis vermeiden. Dabei wirft die Optimierung des Batteriespeichers Fragen auf: Wie wird er bestmöglich gemanagt? Welche Technik ist hierfür erforderlich?

  • Betroffen von dieser Neu­regelung sind vor allem Volleinspeiseanlagen.

Vom Eigenheim bis zum großen Dach

Nach Angabe des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW) werden über 80 % der neuen PV-Anlagen auf Eigenheimen in Kombination mit einem Batteriespeicher geplant. Sie sind damit relativ gut für die neuen Regelungen aufgestellt. Allerdings steigt auch für Kleinanlagen der Aufwand etwa für die Installation von Smart Meter und Steuerbox. Ein effektiver Batteriespeicherbetrieb erfordert zudem einen dynamischen Stromtarif und eine entsprechende Steuerung. Zudem ist ein Betrieb in der Direktvermarktung notwendig.

Größere PV-Anlagen auf landwirtschaftlichen Betrieben wurden aufgrund der hohen Kosten bisher eher selten mit Batteriespeichern geplant. Viele Betriebe verfügen bereits über eine Eigenverbrauchsanlage. Neue große Anlagen müssten in der Volleinspeisung betrieben werden.

Offene Fragen:

  • Ab welcher Anlagengröße lässt sich ein Direktvermarkter finden und wann rechnet sich das? Häufig erheben Direktvermarkter unabhängig von der Anlagengröße eine Mindestgebühr von rund 150 € pro Monat.

Das Fazit: Eine vorläufige Bewertung des Solarspitzengesetzes

  • Das Gesetzespaket trat am 25. Februar 2025 in Kraft. Noch fehlen allerdings Vorgaben (Festlegung) der Bundesnetzagentur. Zudem muss noch ein kleiner Teil dieses Paketes von der EU beihilferechtlich genehmigt werden.

  • Ob Volleinspeiseanlagen zukünftig noch wirtschaftlich sein können, ist fraglich. Insgesamt wird es schwieriger, ihre Wirtschaftlichkeit langfristig abzuschätzen.

  • Aktuell besonders betroffen sind Betreiber, die ungewollt in die Regelungen des Solarspitzengesetzes rutschen, zum Beispiel weil sie die Inbetriebnahme ihrer geplanten PV-Anlage in der Hoffnung auf die beihilferechtliche Genehmigung des Solarpakets 1 (und damit auf höhere Vergütungssätze) nach hinten verschoben haben.

  • Interessanter wird die Kombination einer Erneuerbare-Energie-Anlage, etwa Photovoltaik mit Eigenverbrauch, Batteriespeicher und dynamischem Stromtarif.

  • Insgesamt werden Aussagen zur Wirtschaftlichkeit schwieriger. Dazu bestehen zu viele Unsicherheiten bezüglich der Gesetzesauslegung, aber auch bezüglich der zukünftigen Entwicklung: Wie häufig werden Zeiten mit negativen Strompreisen? Bleibt es überwiegend bei der Mittagsspitze im Sommer oder verschieben sich die Zeiten mit negativen Strompreisen vielleicht tendenziell in die Vormittags- und Nachmittagsstunden, weil vermehrt PV-Anlagen mit Ost-West-Ausrichtung entstehen? Wie stark wirkt der preisliche Gegentrend durch einen verstärkten Zubau von Heim- und Großspeichern?

  • Die technischen Anforderungen steigen auch für Kleinanlagen. Bei Wohnhäusern stellt sich die Frage, ob der Aufwand lohnt oder vielleicht ein Rückgang auf eine Balkonanlage unter 2 kWp sinnvoller ist. Kurz: 2-kWp-­Balkonanlagen werden je nach Investitionsvolumen wirtschaftlich interessanter.

Offene Fragen:

  • Was ist bei großen PV-Anlagen, bei denen kein Eigenverbrauch möglich bzw. bei denen er verschwindend gering wäre? Sollte ein Speicher installiert werden? Reicht das? Brauchen Betreiber eine Lieferung an ­einen Dritten? Müssen sie in die Vermarktung?

  • Wann erfolgt die Belieferung mit Smart-Meter-Gateway?

  • Was bedeutet das Gesetz für PV-Bestandsanlagen nach Ende des EEG-Förderzeitraums?

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