Negative Börsenstrompreise und das Solarspitzengesetz vom 25.02.2025 stellen Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen vor neue Herausforderungen. Betreiber von Photovoltaikanlagen müssen anders planen, wenn sie nach 20 Jahren EEG-Laufzeit (sogenannte Post-EEG-Anlagen) an den Weiterbetrieb denken.
Warum es mit der Installation eines Batteriespeichers allein nicht getan ist und was Sie zudem beachten sollten, damit Sie am Ende nicht noch draufzahlen, erklärt im top agrar-Interview Johannes Cloerkes, Solar-Sachverständiger aus Nettetal (Nordrhein-Westfalen).
Sie stellen viele aktuelle Weiterbetriebskonzepte für Photovoltaikanlagen, die nach 20 Jahren EEG-Laufzeit keine Förderung mehr erhalten, infrage. Warum?
Cloerkes: Mit dem starken Zubau von Solaranlagen hat sich die Welt der Photovoltaik deutlich geändert. In den letzten 2,5 Jahren wurde mehr Solarstromleistung installiert, als in den zehn Jahren zwischen 2012 bis 2022. Das Solarspitzengesetz wurde daraufhin mit der Regelung verabschiedet, dass neue Anlagen bei Zeiträumen mit negativen Börsenstrompreisen keine Vergütung mehr erhalten. Ich vermute, dass die Anzahl der Stunden mit negativen Börsenstrompreisen deutlich steigen wird. Der Rekord von 2024 mit über 450 Stunden könnte 2025 mit 800 bis 1.000 Stunden übertroffen werden. Allein im Mai 2025 hatten wir schon über 150 Stunden. Trotz des starken Zubaus von großen Batteriespeichern wird wahrscheinlich in absehbarerem Zeitraum kaum genügend Kapazität installiert werden, um dem Problem begegnen zu können. Durch viele Gespräche und Seminare im Rahmen meiner Tätigkeit als Sachverständiger, aber auch als Mitglied in der Vollversammlung der Industrie- und Handelskammer weiß ich, dass viele Betreiber die Problematik nicht im Blick haben.
Das Solarspitzengesetz betrifft ja aber vor allem Neuanlagen. Was bedeutet das für Post-EEG-Anlagen?
Cloerkes: Dass nur Neuanlagen betroffen sind, ist gar nicht so sicher. Denn laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung prüfen, ob die Bestimmungen des Solarspitzengesetzes mit der Nullvergütung bei negativen Preisen auch auf Bestandsanlagen ausgeweitet werden soll. Man muss sich klarmachen, dass der EEG-Finanzierungsbedarf für 2025 bei 17 Mrd. € liegt. So, wie die neue Bundeswirtschaftsministerin jetzt schon agiert, ist nicht ausgeschlossen, dass die Summe irgendwann zur Diskussion steht. Dazu kommt, dass die beihilferechtliche Genehmigung des EEG ohnehin Ende 2026 ausläuft.
Aber noch gibt es doch eine Anschlussvergütung.
Cloerkes: Ja, nach dem EEG 2021 erhalten die ausgeförderten Anlagen automatisch den Jahresmarktwert Solar. Abzüglich des Abzugsbetrags betrug die Anschlussvergütung im Jahr 2024 für PV-Anlagen mit Smartmeter 3,72 ct/kWh, ohne diesen lag der Wert bei 2,816 ct/kWh. Doch die Monatsmarktwert Solar sind aktuell massiv gesunken, auch bedingt durch die starke Einspeisung von Solarstrom in den Sonnenmonaten. Von Januar ist der Wert von 11,5 ct/kWh bis im Mai auf 1,9 ct/kWh gesunken, wie im Portal www.netztransparenz.de ersichtlich ist. Zudem gilt diese Anschlussregelung bislang nur bis Ende 2027. Zwar hat die Bundesregierung das im Solarpaket 1 bis Ende 2032 verlängert. Dieses Solarpaket ist bisweilen nicht von der EU-Kommission notifiziert, daher kann sich noch nicht sicher darauf bezogen werden. Größere PV-Anlagen in der Direktvermarktung sind ebenso von negativen Börsenstrompreisen betroffen, denn für die Direktvermarkter würde so ein Verlustgeschäft entstehen. Und aktuell kommt noch die Diskussion um die Netzentgelte hinzu.
Was genau meinen Sie?
Cloerkes: Im Mai hat die Bundesnetzagentur ein Diskussionspapier veröffentlicht, wonach nun auch Einspeiser von Strom Netzentgelte zahlen sollen. Bislang werden diese nur von Stromverbrauchern erhoben. Ob dies eintreffen wird und wie viel dann ein Einspeiser zahlen müsste, ist noch offen, dazu läuft jetzt ein Konsultationsverfahren. Das könnte dazu führen, dass eine Einspeisung unattraktiver wird. Ein Netzentgelt reduziert den gesunkenen Marktwert Solar. So ist der Strom aus Post-EEG-Anlagen fast nichts mehr wert. Rechnet man Steuerberatung, Versicherung, Wartung, Reinigung und evtl. Rückstellungen für Reparaturen ein, wird ein Betrieb bei einer Vergütung von unter 2 ct/kWh schnell unwirtschaftlich.
Viele Betreiber denken daher über einen Eigenverbrauch und die Installation eines Batteriespeichers nach. Wären das Lösungswege?
Cloerkes: Im Einfamilienhaus mit einer Anlage mit 5 bis 10 kW auf jeden Fall. Aber in der Landwirtschaft haben wir schnell 30 bis 100 kW auf den Dächern von Scheunen und Betriebsgebäuden. Rechnet man im Sommer mit einem Ertrag von 5-6 kWh/kW, erzeugt eine 30 kW-Anlage mehr als 150 kWh am Tag. Diese Menge an Strom müsste ein Betrieb erstmal verbrauchen. Da reicht es nicht, wie bei einem Privathaushalt mittags die Waschmaschine und Trockner anzustellen. Bei einem Speicher kommt es darauf an, wie hoch die Ladeleistung ist. Wenn bei einer größeren Anlage pro Stunde 50 bis 80 kWh ankommen, kann diese Menge womöglich nicht ganz in den Speicher geladen werden, ein Teil geht auch automatisch zu negativen Strompreisen ins Netz. Wird der Speicher dagegen überdimensioniert, kann dieser nicht effizient genutzt werden. So kann dann die eingespeicherte Kilowattstunde teurer werden, als wenn man Strom aus dem Netz bezieht.
Heißt das, Sie raten generell von einem Speicher ab?
Cloerkes: Nein, nicht generell. Ich will nur davor warnen, dass die Betreiber meinen, die Speichertechnik könnte alle Probleme lösen. Vielmehr sollte man sich Gedanken machen, wie man große Strommengen über Tag sinnvoll nutzen kann, wenn eine Einspeisung unwirtschaftlich wird. Die PV-Anlage kann nicht einfach an- und abgeschaltet werden, die Produktion ist bisweilen nicht steuerbar. Wichtig ist, dass man den eigenen Lastgang kennt: Wann brauche ich wie viel Strom? Und wie verändert sich der Lastgang im Jahresverlauf und in den Folgejahren? Wann stehen welche Verbräuche an, wann sind Lüfter, Güllepumpen, Trocknungsanlagen oder Gebläse im Einsatz? Das variiert in jedem Betrieb. Wenn die Messungen und Prüfungen ergeben, dass der Strom kaum verwertet werden kann, könnte dies in letzter Konsequenz bedeuten, dass man Teile oder die ganze Anlage stilllegen sollte.
Was ist mit elektrischen Maschinen wie Hoflader oder ein elektrischer Betriebs-Pkw?
Cloerkes: Hier gilt, dass man das Konzept vor der Investition genau durchdenken muss: Wann brauche ich das Fahrzeug? Kann es im Sommer tagsüber Strom der PV-Anlage aufnehmen und wie viel? Ist der Akku auch jeden Tag leer, damit er am nächsten Tag wieder Strom aufnehmen kann? Und was ist im Winter, wenn wenig Solarstrom zur Verfügung steht und teurer Netzstrom bezogen werden muss? Das Gleiche betrifft eine Wärmepumpe, die ja vor allem in der Übergangszeit im Frühjahr und im Herbst Solarstrom nutzen kann. Ein Wärmebedarf ist im Sommer bei viel Sonneneinstrahlung nicht vorhanden. Hier könnte man über einen großen Pufferspeicher mit Elektroheizstab nachdenken. Aber auch dafür muss investiert und gerechnet werden. Zu der Kalkulation gehört auch, dass man sich überlegt: Bringt mich ein dynamischer Stromtarif vielleicht weiter, wenn ich mittags den sehr günstigen Strom aus dem Netz ziehe?
Was ist dann Ihr Fazit?
Cloerkes: Feststeht, dass das Thema Einspeisung ins Netz ab diesem Jahr komplett auf den Kopf gestellt wird und viele Eigenverbrauchskonzepte neu durchdacht werden sollten. Nach 20 Jahren Sicherheit unter dem Schutzmantel des EEG kommen die Betreiber nun in sehr raue Zeiten. Darum müssen Betreiber Werbeaussagen vieler Firmen bezüglich Eigenstromversorgung, möglicher Vergütung und Wirtschaftlichkeit von Batteriespeichern kritisch hinterfragen. Genauso sollten sich aber auch diejenigen Gedanken machen, die Dächer an Betreiber verpachtet haben.
Inwiefern sind auch sie betroffen?
Cloerkes: Früher war es vielleicht interessant, so eine Fremdanlage nach Auslaufen der EEG-Vergütung für kleines Geld zu übernehmen. Aber was will man heute mit einer 100 kW-Anlage auf dem Dach, wenn man den Strom nicht selbst nutzen kann? Da kann ich nur raten, dass diese Landwirte rechtzeitig in den Pachtvertrag schauen, was nach 20 Jahren mit der Anlage passieren soll und wer die Kosten für den Abbau und die Entsorgung der Anlage trägt. Die ganze Situation stellt auch einen Appell an die Politik dar, sich Gedanken zu machen und den Anlagenbetreibern eine Perspektive zu bieten. Denn sonst könnte genau wie bei den Biogasanlagen die Gefahr bestehen, dass viel vorhandene PV-Leistung, die sehr kostengünstig grünen Strom zur Speicherung produzieren könnte, abgeschaltet wird.