topplus Agri-PV-Anlage für Unternehmen

Solarstrom für die Molkerei, Schatten für die Kühe

Angrenzend an ihr Werk in Biessenhofen baut Nestlé eine Agri-PV-Anlage. Der Solarstrom soll einen Teil des Stromverbrauchs decken. Die Solarmodule dienen als Unterstand für Kühe.

Lesezeit: 5 Minuten

Mit einer innovativen Agri-Photovoltaik (Agri-PV)-Anlage will das Lebensmittelunternehmen Nestlé die Erzeugung von Solarstrom für die eigene Produktion mit einer Weide und Schattenmöglichkeit für Kühe verbinden. Dazu baut das Unternehmen direkt neben dem Werk im bayerischen Biessenhofen (Allgäu) auf 4,7 ha eine hochaufgeständerte Agri-PV-Anlage mit einer Leistung von 4,5 MW. Die Investitionskosten liegen bei 3 Mio. €.

Strategie zur Senkung der CO2-Emissionen

Hintergrund ist, dass Nestlé in den Bezug von Solar- und Windstrom investiert. „Wir haben ein Screening über alle Standorte in Deutschland gemacht und geprüft, wo wir Solarstrom zur Selbstversorgung auf den Dächern produzieren können“, sagt Jörg Schmitt, bei Nestlé europaweit zuständig für die Reduktion von CO2, Energie und Wasser.

Einer der größeren deutschen Standorte ist Biessenhofen. Hier produziert das Unternehmen Säuglingsmilchnahrung der Marke Beba, Kulinarik-Produkte der Marke Thomy sowie Trink- und Aufbaunahrung für Menschen mit besonderen Ernährungsbedürfnissen von Nestlé Health Science. Zuerst war geplant, die Dächer der Produktionshallen sowie Parkplatzüberdachungen mit PV-Anlagen zu belegen. „Aber dann hat der benachbarte Landwirt angeboten, eine Fläche in der Nähe des Werks zu verpachten, um dort eine Freiflächenanlage zu platzieren“, blickt Schmitt zurück.

Im Laufe der Planung kamen das Projektteam des Unternehmens, der Landwirt und die inzwischen als Projektierer beauftrage Baywa r.e. darauf, eine Agri-PV-Anlage zu errichten. „Uns hat überzeugt, dass die Anlage weniger Fläche beansprucht und gleichzeitig Schatten für Kühe spenden kann“, erklärt Schmitt.

Direktleitung ins Werk

Um das Werk direkt mit Strom aus der Anlage versorgen zu können und damit Umlagen wie Stromsteuer oder Netzentgelte zu sparen, ist eine Direktleitung von dem Park ins Werk geplant. Schon heute könnte der Standort, der im Jahr rund 26 GWh Strom verbraucht, rund 25 % seines Bedarfs mit der Anlage decken. „Wir speisen den restlichen Strom ins Netz ein, bekommen aber dafür keine EEG-Vergütung, sondern den üblichen Börsenstrompreis“, sagt Schmitt. Grund: Die Auflagen, die mit dem EEG verbunden sind einschließlich der Teilnahme an einer Ausschreibung, standen für ihn in keinem Verhältnis zum Mehrerlös.

Künftig könnte die eingespeiste Strommenge noch weniger werden. Denn es sind fünf Großwärmepumpen zur Wärmeversorgung geplant. Das soll Erdgas einsparen und damit den CO2-Fußabdruck weiter senken. Auch für deren Betrieb soll der Solarstrom dienen. Positiver Nebeneffekt: Die Wärmepumpen sollen zukünftig als Flexibilitätsoption dienen. „Wenn der Strompreis an der Börse negativ ist, speise ich nicht ein, sondern lass die Wärmepumpen ein wenig mehr laufen“, sagt er.

Die Solarstromanlage reduziert nicht nur den CO2-Fußabdruck des Standorts. Bei Stromerzeugungskosten von rund 7 bis 9 ct/kWh spart der Betrieb auch erheblich Kosten ein. „Wir haben in Deutschland 71 % unseres Unternehmens-Strombedarfs inzwischen über Stromlieferverträge (PPA) abgedeckt“, sagt er. Darunter fällt jetzt auch der Solarstrom der Agri-PV-Anlage. Einen höheren Anteil hält er für riskant. Denn er muss auch dann die Abnahme garantieren, wenn das Werk den Strom aufgrund von Produktionsschwankungen nicht benötigt. Für die restlichen 29 % hat Nestlé Ökostromzertifikate eingekauft und investiert damit nach den Richtlinien der RE100 indirekt in den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Mehr Tierwohl

Die Module sind 2 m hoch aufgeständert, damit die Kühe darunter Schatten finden. „Wir haben einen Teil des Parks mit 1,80 m Modulhöhe als Kälberweide gestaltet“, sagt Schmitt. Landwirt Gerhard Metz hält insgesamt 65 Kühe. „Kühe brauchen ausreichend Schatten an den zunehmend heißen Tagen, den sie durch die PV-Anlage bekommen können. Dies verbessert nicht nur ihre Lebensqualität, sondern wirkt sich auch positiv auf ihre Gesundheit und Milchleistung aus“, erklärt er.

Auch wenn Schmitt nicht an die Auflagen im EEG gebunden ist, erfüllt die Anlage die Vorgaben der DIN SPEC 91434. „Wir haben das vor allem für den Landwirt gemacht, damit er zum Beispiel den Status für Dauergrünland erhalten kann“, sagt Schmitt.

Der Auslauf hat den Bio-Landwirt bewegt, direkt neben der teilüberdachten Weide einen neuen Kuhstall zu bauen und damit aus dem Ort auszusiedeln. Denn als Biobetrieb ist er verpflichtet, den Kühen Weidegang anzubieten. „Das ist in diesem Projekt schon eine Besonderheit, dass sowohl das Unternehmen als auch der Landwirt mit der Anlage viele Vorteile haben und ihre jeweilige Produktion modernisieren können“, sagt Dr. Stephan Schindele, Agri-PV-Produktmanager bei der Baywa r.e.

Die Anlage ist als Cow-PV-Konzept entwickelt. Das bedeutet: Die Tiere können nicht überall zur gleichen Zeit grasen, sondern werden in Abschnitten über die Fläche geführt. „Der Landwirt hat noch mehr als die 4,7 ha Weidefläche zur Verfügung, aber ein Teil ist mit den Modulen bestückt, die jetzt Schatten spenden oder die Tiere vor Starkregen schützen“, sagt Schindele. Immer zwei Module sind hintereinander pultdachförmig installiert. Ein Modultisch ist damit 4,40 m lang, während eine Reihe rund 200 m lang ist.

Grasernte möglich

Die Modulreihen stehen mit 3,30 m so weit auseinander, dass neben der Beweidung auch eine Grünlandbewirtschaftung problemlos möglich ist. Die Durchfahrt eines Schleppers mit Mähwerk und Ladewagen für die Ernte von Grünfutter wurde bereits erfolgreich getestet. Da die Module Schatten auf das Gras werfen und es schlechter trocknen würde, kann der Landwirt es an den schattigen Stellen auch aufnehmen und in einer Heutrocknungsanlage bzw. auf Flächen, die ungehindert von der Sonne beschienen werden, trocknen.  

„Wir sehen die Zukunft der Agri-PV ganz klar im Bereich Acker- und Dauergrünland. Gerade Gras kommt mit Halbschatten unter den Modulen besser zurecht als Ackerfrüchte“, resümiert Schindele.

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