„Endlich erhöht der neue Wirtschaftsminister den Takt beim Klimaschutz – weil es höchste Zeit ist. Deutschland liegt deutlich im Rückstand. Nicht erst seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist klar, dass jetzt Ärmel hochkrempeln und anpacken gilt“, kommentiert Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund die „Eröffnungsbilanz Klimaschutz“ von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Laut Siegesmund werde die Verfügbarkeit von Strom aus Erneuerbaren zunehmend wettbewerbsentscheidend für den Wirtschaftsstandort Thüringen. Schon jetzt sei erkennbar, dass immer mehr Unternehmen klimaneutral produzieren wollen. Vor dem Hintergrund der Klimakrise werde diese Entwicklung weiter zunehmen.
Wie Siegesmund äußerten sich zahlreiche Verbände und Politiker zu Habecks Klimaschutzplänen.
Stimmen aus der Politik
- Bayerns Wirtschafts- und Energieminister Hubert Aiwanger: „Die im internationalen Wettbewerb stehende Wirtschaft benötigt bezahlbare Energiepreise. Ich freue mich, dass die Bundesregierung die von Bayern geforderte Absenkung der EEG-Umlage auf Null für das Jahr 2023 beschlossen hat. Es bedarf allerdings deutlich weitergehender und sofort wirksamer Entlastungen für die Stromverbraucher in Deutschland – wie zum Beispiel der Absenkung der Stromsteuer auf das europarechtliche Mindestmaß sowie der Einführung eines Industriestrompreises für die stromkostenintensive Industrie. Auch die CO2-Bepreisung gilt es mit Augenmaß und entsprechenden Ausnahmeregelungen für im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen zu gestalten, sodass Carbon Leakage vermieden wird.“
- Dr. Nina Scheer, Klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion: „Bei der Umsetzung muss statt Begrenzungsmechanismen auf die Erreichbarkeit und Überrundung der gesetzten Ziele gesetzt werden, um diese sicher zu erreichen und bereits entstandene Defizite auszugleichen. Dies betrifft auch die Verfügbarkeit von Flächen und unterstellten Ausbaumengen erneuerbarer Energien. Für manche solcher Maßnahmen wird es auch auf eine Wirksamkeit noch in 2022 ankommen, um absehbare Stagnationen im Ausbau zu vermeiden. Für den Umstieg auf erneuerbare Energien muss zudem die Entwicklung von Netzen für Strom und Gas bzw. Wasserstoff und Wärme aufeinander abgestimmt werden. Auf europäischer Ebene kommt es ebenfalls auf eine Stärkung der erneuerbaren Energien an. Die Einstufung von Atomenergie als „nachhaltig“ wäre dabei verfehlt und nicht zu rechtfertigen, da Milliarden-Investitionen fehlgeleitet würden.“
- Mario Brandenburg, Sprecher für Forschung, Technologie und Innovation der FDP-Bundestagsfraktion: „Damit die bisherigen Versäumnisse ausgeglichen werden und unsere ehrgeizigen Ziele erreichbar sind, müssen technologische Klimainnovationen stärker gefördert und schneller umgesetzt werden als bisher. Mit den beiden geplanten Oster- und Sommergesetzespaketen setzt Bundesminister Robert Habeck hierfür wichtige Akzente. Die geplante Neuauflage der Wasserstoffstrategie als eine der zentralen Weichenstellungen für eine grüne Marktwirtschaft wird ein zentrales Vorhaben in diesem Jahr sein. Als Innovations-Booster wird sich hierbei die im Koalitionsvertrag festgeschriebene Technologieoffenheit beweisen. Daneben werden Carbon Contracts for Difference als Förderinstrument einen wertvollen Beitrag für eine grüne Transformation der Wirtschaft leisten. Sie müssen als anpassbares und atmendes Instrument gestaltet werden, welches offen für Feedback aus der Industrie ist.“
Stimmen der Energiebranche
- Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE): „Die angekündigten Oster- und Sommerpakete mit eilbedürftigen Gesetzen und Maßnahmen sind wichtige Etappen, um Investitionen für Erneuerbare-Energien-Anlagen und die Kopplung der Sektoren anzureizen. Immer noch bestehen Hemmnisse und Deckel in den Energiegesetzen und fehlen Flächen und Genehmigungen. Die vorgeschlagenen Pläne kommen aus Branchensicht zur richtigen Zeit. Wir werden diese Vorhaben sowie energiewirtschaftliche Fragen wie die Erarbeitung eines neuen Strommarkts eng begleiten und unterstützen den neuen Kurs ausdrücklich. Eine neue Ära der Energie- und Klimaschutzpolitik hat begonnen.“
- Robert Busch, Geschäftsführer im Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne): „Jetzt müssen alle an einem Strang ziehen: Bundesländer und Kommunen ebenso wie Netzbetreiber und der Artenschutz. Der Fahrplan ist ehrgeizig, aber machbar. Besonders schnelle Erfolge können bei der Photovoltaik erzielt werden. Ein Zubau von 200 GW bis 2030 ist realistisch, wenn bestehende Fesseln konsequent gelöst und Bürokratie abgebaut werden. Um die Weichen für den beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien zu stellen, braucht es ein modernes weiterentwickeltes Strommarktdesign, das sich auf den Markt stützt.“
- Hermann Albers, Präsident des Bundesverbands WindEnergie (BWE): „Wir begrüßen die angekündigte persönliche Dialogoffensive ausdrücklich. Die Erfahrungen in den Bundesländern zeigen, dass die Energiewende insbesondere dort vorankommt, wo die politisch Verantwortlichen glaubwürdig, persönlich und frühzeitig das Gespräch vor Ort suchen. Dabei müssen vor allem die Chancen der Energiewende für einen wirtschaftlichen und technologischen Neuaufbruch im ländlichen Raum besser herausgestellt werden. Wir teilen die Einschätzung, dass ein verbindliches Flächenziel definiert und in allen Bundesländern umgesetzt werden muss. Energiewirtschaftlich braucht es den Zubau der Windenergie in allen Bundesländern. Besonders der verbrauchsstarke Südosten und Südwesten müssen beim Zubau sehr zügig stark aufholen.“
- Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft (BSW): „Die neue Bundesregierung scheint die Schlüsselrolle der Solarenergie bei der Lösung der Klimakrise und die Dringlichkeit von Kurskorrekturen erkannt zu haben. Die Branche setzt hohe Erwartungen in sie und hofft auf eine schnelle Entfesselung der Solarenergie. Jetzt kommt es darauf an, dass im angekündigten Solar-Beschleunigungspaket schnell die wichtigsten Marktbarrieren beiseite geräumt werden.“
- Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV): „Das genannte Zieljahr 2045 für Klimaneutralität ist unzureichend. Die 1,5°C-Grenze, auf welche sich die Bundesregierung beruft, wird mit einem solchen Pfad mit Sicherheit verfehlt werden. Der SFV hat als äußersten Kompromiss im Lichte dieses Ziels die Jahreszahl 2030 gefordert; selbst dann muss in großem Stil in die technische und ökologische CO₂-Rückholung eingestiegen werden. Wo die Eröffnungsbilanz von einer Verdreifachung spricht, wäre eher eine Verzehnfachung notwendig.“
- Janet Hochi, Geschäftsführerin Biogasrat: „Wirksamer Klimaschutz in Deutschland braucht mehr als den beschleunigten Ausbau der Wind- und Sonnenenergie. Für eine klimaschonende, ökologisch nachhaltige und verlässliche erneuerbare Energieerzeugung brauchen wir in Deutschland Biogas und Biomethan, die jederzeit verfügbar und unabhängig von Witterungsbedingungen für die sichere und kosteneffiziente Versorgung der Menschen mit Energie im Strom-, Wärme- und Verkehrssektor sorgen und so fossile Energieträger bereits heute erfolgreich ersetzen. Die nachhaltigen Potenziale der Bioenergie sind bei Weitem nicht ausgeschöpft, ein Sofortprogramm mit Maßnahmen für mehr Klimaschutz muss daher auch die Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für die Bioenergieerzeugung und -nutzung in Deutschland adressieren.“
- Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei der Ökoenergiegenossenschaft Green Planet Energy: „Minister Habeck tut gut daran, mögliche Widerstände und Konflikte mit Anwohner ernst zu nehmen und Bürger stärker einzubinden, um sie für den von ihm skizzierten Energiewende-Turbo zu gewinnen. Da blieb der Minister abseits von Absichtserklärungen leider etwas vage. Dabei existieren konkrete Konzepte bereits. So eignen sich ehemalige Braunkohlegruben bestens für einen oft sehr viel konfliktärmeren Zubau von großen Wind- und Solarparks. Der Koalitionsvertrag kündigt eine Stiftung an, die sich um die ehemaligen Tagebauflächen kümmern soll. Wir schlagen vor, dass diese Stiftung die Braunkohleflächen schnell an Erneuerbare-Energien-Projekte vergeben soll – vorrangig Bürgerenergie vor Ort. Auch das so genannte „Energy Sharing“, also das Teilen von gemeinschaftlich produziertem Ökostrom zwischen den Mitgliedern von Erneuerbaren-Gemeinschaften, ist ein wichtiger Türöffner hin zu mehr Akzeptanz und Partizipation. Hier hinkt Deutschland anderen europäischen Ländern hinterher, noch immer gibt es rechtliche Hürden und fehlende Anreize.“
- Julia Möbus, Geschäftsführerin des Deutschen Säge- und Holzindustrie Bundesverbandes (DeSH): „Wir wollen gerade bei der angekündigten nationalen Biomassestrategie ein verlässlicher Partner sein und unterstützen diesen Plan ausdrücklich. Damit wird nun auch deutlich, dass Holz in vielen Sektoren einen entscheidenden Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. Von der gezielten Auswahl von ‚Zukunftsbäumen‘ und dem damit verbundenen Waldumbau über die Waldbewirtschaftung hin zur Holzverwendung in Gebäuden und bei der Energiegewinnung – die Maßnahmen für den Klimaschutz mit Holz müssen aus einem Guss sein, damit wir effizient und ressourcenschonend CO₂-Emissionen reduzieren und das Klima nachhaltig schützen. Diese ganzheitliche Betrachtung sollte die Biomassestrategie der Bundesregierung leisten.“
Stimmen der Umweltverbände
- Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): „Für einen echten Aufschwung braucht es nun schnelle Maßnahmen für den dezentralen Ausbau und die Nutzung der erneuerbaren Energien in Bürgerhand. Eine Energiewende von oben wird scheitern. Positiv ist auch zu sehen, dass Energieeffizienz eine hohe Bedeutung bekommt. Es muss klar gesagt werden: Deutschlands Klimaziele sind noch immer nicht kompatibel mit dem Pariser 1,5-Grad-Ziel. Auch andere Sektoren müssen schnell liefern. Deutschland kann sich keine weiteren Lücken leisten. Besonders die Bereiche Landwirtschaft, Mobilität und Gebäude bleiben hinter ihren Klimazielen zurück.“
- Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH): „Vor allem beim Rückgang des Ausbaus von Wind- und Sonnenenergie und in der verheerenden Verkehrspolitik rächt sich die Tatenlosigkeit der Vorgänger-Regierung im Klimaschutz. Das von Klimaschutzminister Habeck vorgelegte Maßnahmenpaket enthält einige dringend notwendige Maßnahmen. Insgesamt geht das Maßnahmenpaket leider über die unzureichenden Klimaschutzversprechen aus dem Koalitionsvertrag nicht hinaus. Konkrete Maßnahmen vor allem für die Bereiche Verkehr, Kreislaufwirtschaft und Landwirtschaft fehlen.“
- NABU-Präsident Jörg-Andreas Krüger: „Ausschlaggebend für den Erfolg der Klimapolitik der neuen Bundesregierung wird sein, wie konsequent das angekündigte Klimaschutzsofortprogramm auch in den anderen Ressorts umgesetzt wird. Bei der Transformation der Sektoren Mobilität, Wärme und Landwirtschaft darf jetzt keine offene Flanke entstehen, um das 1,5-Grad-Limit nicht zu reißen. Dabei würden auch sofort wirksame Maßnahmen wie ein Tempolimit helfen. Auch dass die Lufthansa 18.000 fast leere Flüge durchführen muss, um Start- und Landerechte zu behalten, muss die Bundesregierung stoppen."
Weitere Stimmen
- Harald Bradke, Vorsitzender des Interdisziplinären Gremiums Klimaschutz und Energiewende im Verein Deutscher Ingenieure (VDI): „Die bisher beschlossenen Maßnahmen verfehlen die Ziele des Klimaschutzgesetzes für 2030 um etwa 200 Mio. Tonnen Treibhausgase. Der Anteil der Erneuerbaren Energien am deutschen Strommix muss so schnell wie möglich bis 2030 verdoppelt werden. Die vorgestellten Maßnahmen sind genau der richtige Weg, um die Klimaschutzziele doch noch zu erreichen. Deutschland hat die richtigen Technologien sowie die Expertise seiner Ingenieure, um diese gewaltige Aufgabe zu meistern.“
- Dr. Wilfried Rickels, Forschungsdirektor Global Commons und Klimapolitik am Institut für Weltwirtschaft in Kiel: „Die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeckvorgestellten Pläne sind geeignet, dass Deutschland seine ambitionierten Klimaziele erreichen kann. Allerdings bleibt Habeck äußerst vage bei der Frage, wie genau er seine Ziele erreichen will. Der Fokus auf den Ausbau der erneuerbaren Energien ist alternativlos. Die Pläne sind daher ein wichtiges Signal, die von Vorgänger Altmaier angezogene Bremse zu lösen. Bislang wird der Ausbau häufig durch langfristige Genehmigungsverfahren und rigide Abstandsregeln wie in Bayern aufgehalten. Habeck will dies ändern, was für den Erfolg seiner Pläne entscheidend sein wird. Eine Priorisierung des Ausbaus von Wind- und Solarparks in Abwägungsentscheidungen ist hier ein richtiger Schritt. Es ist wichtig, nicht aus ideologischen Gründen bestimmte Technologien zu präferieren oder auszuschließen. Daher müssen in Habecks Pläne auch die Abscheidung von CO₂ und dessen Speicherung sowie der Entzug von CO₂ aus der Atmosphäre, so genannte negative Emissionen, Einzug finden.“
- Daniel Chatterjee, Vorsitzender des Klima- und Energie-Ausschusses des VDMA: „Richtig ist, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien deutlich beschleunigt wird. Gerade der industrielle Mittelstand ist für die Transformation hin zu klimaneutraler Wirtschaft auf ein ausreichendes, im Markt zur Verfügung stehendes Angebot grüner Energie und einfache Regelungen für die eigene Erzeugung angewiesen.“