Die Bioenergieverbände im Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) bewerten den vorgelegten Koalitionsvertrag grundsätzlich positiv und drängen auf zügiges Umsetzen der geeinigten Vorhaben im Bereich der Bioenergie. „Das klare Bekenntnis zur Bioenergie, das die Verhandler aus CDU/CSU und SPD vereinbart haben, ist ein wichtiger und großer Schritt hin zur Erreichung der deutschen Klimaziele und ein wichtiges Signal an die Holzenergie-, Biogas- und Biokraftstoffbranche“, sagt Sandra Rostek, Leiterin des HBB.
Bioenergie in Strom und Verkehr
Rostek begrüßt, dass die Bioenergie bei Wärme, im Verkehr und bei der steuerbaren Stromerzeugung eine wichtige Rolle spielen soll. Man möchte sich zudem für gleiche und faire Wettbewerbsbedingungen einsetzen und betont die Bedeutung von Entbürokratisierung sowie schnellere und bessere Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Erfolg der Energiewende.
Rostek sieht darin einen neuen positiven Geist, der in der Bioenergiepolitik einziehen soll. Dies setzt sich bei konkreten Ankündigungen fort, wie dem Bekenntnis das Flexibilitätspotenzial der Biomasse konsequent zu heben und Biogasanlagen eine Zukunft zu geben. So sollen die Besonderheiten kleinerer und wärmegeführter Anlagen eine stärkere Berücksichtigung finden.
Darüber hinaus adressiert der Koalitionsvertrag eine Erhöhung der nationalen Treibhausgasminderungsquote für den Verkehr. Der Einsatz alternativer Kraftstoffe, inklusive Biokraftstoffe, soll vorangebracht sowie gleichzeitig die Betrugsprävention beim Import von regenerativen Kraftstoffen gestärkt werden. Auch soll der Einsatz von regenativen Kraftstoffen in der Landwirtschaft durch eine Befreiung von der Energiesteuer gefördert werden.
Zügig umsetzen
„Die im Koalitionsvertrag verankerten Ziele müssen nun zügig und ambitioniert umgesetzt werden,“ mahnt Rostek. Wichtig sei insbesondere eine Überarbeitung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes sowie der THG-Minderungsquote noch in den ersten 100 Tagen der neuen Regierung. Denn nach wie vor führen der nicht gelöste Skandal um gefälschte Upstream-Emission Reduction (UER)-Zertifikate sowie mutmaßlich falsch deklarierte, angeblich fortschrittliche Biokraftstoffe zur finanziellen Schieflage in der heimischen Biokraftstoffbranche und schwächen so nachhaltig den Klimaschutz.
„Daneben gilt es auch, das zum Jahresbeginn erfolgreich verabschiedete Biomassepaket nachzubessern. Während dieses für einen Großteil der Branche bereits eine echte Zukunftschance bietet, wurden die Zukunftsaussichten von vor allem kleinen und wärmegeführten Anlagen aus den Augen verloren,“ sagt Rostek.
Die Leiterin des HBB bemängelt jedoch die Kehrtwende in Sachen Gebäude-Energie-Gesetz: „Für eine erfolgreiche Wärmewende brauchen wir Klarheit und Verlässlichkeit. Die angekündigte Neuausrichtung des Gebäudeenergiegesetzes verunsichert Branchenakteure und hemmt nötige Investitionen,“ sagt sie.
Biogasrat sieht Chancen für Biomethan
„Nach Jahren der Stagnation müssen den Worten nun konkrete Taten folgen, um die nachhaltig verfügbaren Biogas- und Biomethanpotenziale für eine souveräne, klimaneutrale und systemeffiziente Energieversorgung im Strom-, Wärme-, Verkehrssektor endlich zu nutzen“, fordert Janet Hochi, Geschäftsführerin im Biogasrat e. V.
Mit Blick auf die Aufgaben der kommenden Bundesregierung bei der Transformation des Energiesystems müssten in dieser Legislaturperiode die Weichen für den Ausbau von erneuerbaren Gasen, wie Biomethan, gestellt werden. Dazu gehöre auch, dass die Gasnetzinfrastruktur als Garant für Versorgungssicherheit und Versorgungsunabhängigkeit erhalten bleibe. Ein Überblick zu den wichtigsten energiepolitischen Empfehlungen der Biomethanbranche für die ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung ist hier verfügbar.
Heizungsgesetz: Kommunikation wichtig
Im Wärmebereich ist die vorgesehene Weiterentwicklung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) und die Förderung der Wärmewende in Gebäuden und Netzen ebenfalls investitionssicher und unterbrechungsfrei fortzuführen, fordert der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE). Eine gute Kommunikation sei hier zielführender als das Motto “Wir schaffen das Heizungsgesetz ab”.
Beim vorgesehenen Monitoring zum erwartenden Strombedarf sowie zum Stand der Versorgungssicherheit, des Netzausbaus, des Ausbaus der erneuerbaren Energien, der Digitalisierung und des Wasserstoffhochlaufs rät der BEE, von realistischen Annahmen auszugehen, die Bezahlbarkeit, Kosteneffizienz und Versorgungssicherheit auch tatsächlich gewährleisten.
„Ein unterschätzter Strombedarf kann ebenso wenig von volkswirtschaftlichem Interesse sein wie ein Ausbau der Erneuerbaren, der sich nach dem Netzausbau richten muss. Es ist daher begrüßenswert, dass ein systemischer Ansatz durch das Zusammenspiel des Ausbaus der erneuerbaren Energien, einer Kraftwerksstrategie, dem gezielten und systemdienlichen Netz- und Speicherausbau, mehr Flexibilitäten und einem effizienten Netzbetrieb gewählt werden soll“, sagt BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter. Auch Entbürokratisierung, Planungs- und Genehmigungsbeschleunigung sowie der Abbau beihilferechtlicher Hürden auf EU-Ebene würden dazu beitragen.
Die Strompreissenkung sowie weitere Maßnahmen, die Wirtschaft und Verbraucher einerseits entlasten und andererseits die Sektorenkopplung voranbringen sowie den Ausbau des Wasserstoffmarktes fördern, hält der BEE ebenso für richtig wie die Nutzung von Marktinstrumenten wie der CO2-Bepreisung, die soziale Schieflagen vermeiden soll. Auch das klare Bekenntnis zu einer resilienten Wirtschaft in geopolitisch herausfordernden Zeiten sei ein wichtiges Signal für alle Sparten der Erneuerbaren-Energien-Branche.
„Energiewende einfacher machen“
Dr. Constantin H. Alsheimer, Vorstandsvorsitzende der Thüga Aktiengesellschaft kommentiert: „Die Thüga teilt das Anliegen, die Energiewende in Deutschland umfassend zu vereinfachen. Allein auf Bundesebene sind mehr als 15.500 energiewirtschaftlich relevante Normen in Kraft, die knappe Ressourcen binden und die Wirtschaft belasten. Gerade beim Zubau neuer Kraftwerke, dem Ausbau der erneuerbaren Energien, der Umstellung der Gasinfrastruktur, der Transformation der Wärmeversorgung oder der Netzregulierung braucht es mehr Rechts-, Planungs- und Investitionssicherheit und weniger Detailvorgaben für die Umsetzung der Maßnahmen vor Ort.“
Anders verhalte es sich hingegen bei dem angedachten Rückgriff auf staatlich abgesicherte Reservekraftwerke zur Strompreisstabilisierung. Allein bis 2030 werden mehr als 290 Mrd. € für Investitionen in neue Erzeugungskapazitäten fällig. Ein Rückgriff auf alte Kraftwerke außerhalb des Wettbewerbsmarktes setze falsche Anreize, untergrabe das Vertrauen, hemme Investitionen und sollte dringend unterlassen werden. „Unklar ist uns zugleich der weitere Umgang mit dem Gebäudeenergiegesetz“, sagt Alsheimer. Die neue Bundesregierung müsse die Energiewende endlich einfach machen, den Reformstau lösen, die Rahmenbedingungen verbessern und Bürokratie abbauen.
Weitere Stimmen
Martin Bialluch, Vorstandssprecher des Bündnisses Bürgerenergie: „Es ist sehr zu begrüßen, dass die kommende Regierung auch Verbrauche stärker zu Mitgestaltern bei der Energiewende machen will und dabei neben Entbürokratisierung ausdrücklich die Bürgerenergie sowie ihre zentralen Themen Mieterstrom und Energy Sharing als Mittel dafür nennt. Hinsichtlich des zukünftigen Investitionsrahmens für erneuerbare Energie hätten wir uns aus Sicht der Bürgerenergie im Vertrag hingegen ein klares Bekenntnis gewünscht, dass harte Systembrüche vermieden werden. Der zukünftige Strommarkt muss so gestaltet werden, dass die Akteursvielfalt erhalten bleibt und auch kleinere und mittlere Akteure ausreichend Planungssicherheit haben.“
Prof. Gerald Linke, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfaches (DVGW): „Wir begrüßen ausdrücklich den Konsens der drei Parteien, stärker auf die bestehende Gasnetzinfrastruktur zu setzen und ihre Rolle für die Verteilung klimaneutraler Gase für Industrie, Kraftwerke und letztens auch den Wärmesektor anzuerkennen. Das klare Bekenntnis zum Wasserstoff-Kernnetz, dessen Anbindung an die Industriezentren und dem Aufbau eines Verteilnetzes stößt ebenfalls auf unsere Zustimmung. In diesem Kontext positiv hervorzuheben ist auch die angekündigte Abschaffung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) sowie eine vereinfachte kommunale Wärmeplanung und die Ankündigung von Förderprogrammen zur Dekarbonisierung der Industrie. Bei den nötigen Infrastrukturmaßnahmen geht der Koalitionsvertrag in die richtige Richtung, greift aber mit der angekündigten Ausschreibung von 20 Gigawatt (GW) noch zu kurz. Ein künftiges Energiesystem, das einen großen stark fluktuierenden Anteil an Erneuerbaren ausgleichen muss, benötigt sicherlich mehr Kraftwerkskapazitäten.“
Dr. Denny Ohnesorge, Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Holzindustrie: „Positiv bewerten wir die Absichtserklärungen, auf das systemische und modulare Bauen zu setzen und die CO2-Vermeidung zur zentralen Steuergröße im Bausektor aufzubauen. Das serielle Bauen mit vorgefertigten Bauteilen aus Holz ist die ideale Bauart, um schnell und klimafreundlich neuen Wohnraum und Infrastruktur zu schaffen. Zusammen mit Erleichterungen wie dem Gebäudetyp E und zusammengelegten KfW-Förderungen könnte wieder neuer Schwung in die Baukonjunktur gelangen.“
Markus Steigenberger, Geschäftsführer der Agora Think Tanks: „Der Koalitionsvertrag erkennt zurecht die Bedeutung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien und der Flexibilisierung für ein resilientes, klimafreundliches Energiesystem an. In der Umsetzung muss das bedeuten, dass der Ausbau von Wind und Solar sowie der dafür erforderlichen Netzinfrastruktur ambitioniert fortgesetzt wird und Preisanreize gesetzt werden, um Strom dann zu beziehen, wenn er günstig ist.
Eine Reihe von Vereinbarungen im Koalitionsvertrag weisen allerdings in die entgegengesetzte Richtung. Die nun vereinbarte Subventionierung erheblicher Kapazitäten fossiler Kraftwerke sehen wir mit Sorge. Problematisch ist die geplante einseitige Ausschreibung von 20 GW Gas-Kraftwerkskapazitäten, statt einer Ermittlung des günstigsten Technologiemixes für Versorgungssicherheit im Wettbewerb. Mit der Option auf die Nutzung von CCS droht dies zu einer Dauersubvention für die Nutzung importierten fossilen Erdgases zu werden. Daher ist es wichtig, dass dies mit klaren Vorgaben zur Umstellung auf Wasserstoff verknüpft wird, um damit auch die Wasserstoffinfrastruktur und Energiesicherheit zu stärken.“
Kritische Stimmen
Dr. Nina Scheer, Klimaschutz- und energiepolitische Sprecherin der bisherigen SPD-Fraktion im Bundestag: „Den Einsatz von CCS auch bei Gaskraftwerken sehe ich – wie etwa auch von Seiten der SPD-Bundestagsfraktion in einem Positionspapier aus 2023 erläutert – äußerst kritisch, zumal in Kombination mit der Privilegierung von CO2-Transportinfrastrukturen. Ein entsprechendes Bekenntnis wird in der Umsetzung in ein vernünftiges Verhältnis mit dem benötigten Hochlauf von grünem Wasserstoff zu bringen sein und darf diesen nicht gefährden. Schließlich steht und fällt auch das Wasserstoff-Kernnetz mit ausreichend verfügbarem Wasserstoff. Mit der Ausweisung von Engpassgebieten für Windenergie besteht die Gefahr eines Hemmnisses für die Energiewende. Deswegen wurde eine entsprechende Regelung, die den jährlichen Ausbau der Windenergie in Netzengpassgebieten auf 900 MW deckelte, vor einigen Jahren auf Druck der SPD wieder abgeschafft. Folgerichtig kann ein solcher Ansatz – wie nun im Koalitionstext richtigerweise einschränkend erklärt, lediglich ein Prüfauftrag sein und darf die Ausbauziele der Windkraft nicht gefährden.”
Tobias Goldschmidt (Grüne), Minister für Energiewende, Klimaschutz, Umwelt und Natur des Landes Schleswig-Holstein: „Mit Blick auf Schleswig-Holstein enthält der Vertrag bittere Pillen. Wir müssen mit einer Politik gegen die Energiewendewirtschaft in unserem Land rechnen. Unter dem Deckmantel sogenannter Engpassgebiete sollen Einschränkungen den Erneuerbaren-Ausbau auf den Weg gebracht werden. Das ist ein schwerer Schlag für die vielen Windmüller in unserem Land und wird, ebenso wie Abschwächungen des Windflächengesetzes, auf meinen entschiedenen Widerstand treffen. Schleswig-Holstein hat sich mit der Energiewende auf einen Weg in eine starke wirtschaftliche Zukunft gemacht und viel Wertschöpfung ins Land geholt. Engpassgebiete, das ideologische Klammern an der einheitlichen Stromgebotszone und das Chaos, das beim Gebäudeenergiegesetz geschaffen werden soll, werden dem Klima aber auch unserer Energiewendewirtschaft im Land schaden.“
Barbara Metz, Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe: „In Sachen Wärmewende ist der Worst Case eingetreten: Das Heizungsgesetz soll abgeschafft werden. Das ist fatal für den Klimaschutz und bezahlbares Heizen. Die CDU hat unter Altmaier das Ende der EH55-Neubauförderung 2021 selbst eingeleitet, nur um sie nun zurückzubringen. Damit werden klimaschädliche Neubauten gefördert, ohne sicherzustellen, dass daraus bezahlbarer Wohnraum entsteht. Die Koalition bekennt sich offen dazu, die EU-Gebäuderichtlinie so unambitioniert wie möglich umzusetzen."
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe: „Im Automobilsektor planen Union und SPD massive Fehlanreize für den Bau übergroßer und klimaschädlicher Pkw mit Verbrennungsmotor - unter dem Deckmantel der Technologieoffenheit. Die Einbeziehung von Plug-In-Verbrennern und die Ausdehnung der steuerlichen Förderung auf bis zu 100.000 € teure Luxus-Elektrofahrzeuge sind ein milliardenschweres Geschenk an die Automobilindustrie. Nachdem Klimaschutz in der Vorgängerregierung auf drei Ministerien verteilt und damit zerstückelt wurde, ist die Wiederzusammenführung in einem starken Umweltministerium ein Lichtblick.“