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Stromverträge: Eine Chance für Ü20-Anlagen?

In Deutschland haben die ersten Anlagenparks langfristige Stromabnahmeverträge mit der Industrie abgeschlossen – ein spannendes Modell, das aber nicht ohne Risiko ist.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Energie-Branche steht vor einem riesigen Umbruch. Anfang 2021 läuft für tausende Wind-, Solar- und Biogasanlagen die 20-jährige Förderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) aus. Während Biogasanlagen noch die Chance haben, sich an einem Ausschreibungsverfahren zu beteiligen, um so eine zehnjährige Verlängerung zu bekommen, müssen sich Betreiber von Windparks oder Photovoltaikanlagen neue Abnehmer für den Strom suchen.

PPA als Alternative

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„Viele Anlagen sind abgeschrieben und kommen auch ohne Förderung am freien Markt wirtschaftlich klar“, sagt Christian Leuchtweis, stellvertretender Geschäftsführer des Netzwerks C.A.R.M.E.N. aus Straubing (Bayern).

Ein Vermarktungsmodell, das derzeit stark diskutiert wird, sind „PPA-Verträge“. Diese Abkürzung steht für „Power Purchase Agreement“, zu Deutsch: Stromliefervertrag. Mit ihnen sind aber besondere Eigenschaften verbunden. „Als PPA gelten hierzulande in der Regel Verträge mit langen Laufzeiten, Grünstromlieferung oder mit Strom aus regionaler Herkunft“, sagt Dr. Johannes Hilpert von der Stiftung Umweltenergierecht aus Würzburg. Während das Modell im Ausland schon häufiger vorkommt, ist es in Deutschland relativ neu.

Vorteile für Erzeuger

Die Vorteile von PPA aus Sicht des Anlagenbetreibers:

  • Bei bestehenden Anlagen: Alternative zur EEG-Vergütung bzw. Erlös für Ü20-Anlagen.

  • Bei Neuanlagen: Keine Teilnahme am Ausschreibungsverfahren, daher auch hier Alternative zur EEG-Vergütung. Gerade für neue Bürgerwindparks oder Solarparks könnte das Modell künftig also eine Option werden.

  • Ein langfristiger Vertrag erhöht die Kreditwürdigkeit und vereinfacht dadurch die Verhandlungen mit den Banken.

  • Der Strompreis kann so verhandelt werden, dass der Preis am Anfang für den Stromerzeuger höher als der aktuelle Strompreis ist. Dafür würde er aber auf potenzielle Mehrerlöse bei steigenden Strompreisen in späteren Jahren verzichten.

Vorteile für die Abnehmer

Die Vorteile für die Stromabnehmer:

  • Industrieunternehmen wollen den Ökostrom nutzen, um den CO2-Ausstoß in der Produktion zu reduzieren – eine wichtige Werbebotschaft für sie.

  • Die Bundesregierung will eine CO2-Abgabe einführen. Das könnte den Strom bzw. die Erzeugungskosten in Unternehmen erhöhen, die viel Strom verbrauchen. CO2-freier Strom wäre also ein Wettbewerbsvorteil.

  • Auch bei PPA muss der Stromabnehmer alle Preisbestandteile zahlen wie beim Strombezug von einem Energieversorger. Daher bedeuteten PPA nicht unbedingt günstigere Strompreise. Aber über eine entsprechend lange Vertragslaufzeit von beispielsweise fünf oder zehn Jahren kann sich der Abnehmer einen gleichbleibenden Strompreis sichern.

Viele Auflagen zu beachten

Was Hilpert aber zu beachten gibt: Bei dieser Art Verträgen wird der Erzeuger unter Umständen zum Energieversorger, er muss sich dann an viele Vorgaben des Energierechts halten. Dazu gehören beispielsweise Meldefristen sowie Informationspflichten nach dem Energiewirtschaftsgesetz.

Auch die Form der Vertragsgestaltung und der Abrechnung sind vorgeschrieben. „Der Betreiber einer Photovoltaikanlage muss dabei ähnlich viele Vorschriften beachten wie ein Stadtwerk. Das ist zwar komplett widersinnig, aber momentan nicht zu umgehen“, sagt Rechtsanwalt Dr. Hartwig von Bredow aus Berlin.

Bei PPA gibt es auch die Möglichkeit, den Strom über eine Direktleitung an das Industrieunternehmen zu verkaufen. „Das ist aber eher die Ausnahme. Bei den meisten der aktuell abgeschlossenen PPA geht es um die Vermarktung über das Stromnetz“, erklärt Hilpert.

Bei der Vertragsgestaltung können die Partner einen Fixpreis oder Staffelungen mit und ohne Ober- /Untergrenzen, Bindungen an den Marktpreis, Neuverhandlungen nach gewissen Zeitabständen sowie die Höhe von Ausgleichszahlungen vereinbaren. Zudem können sie die Liefermenge und die Laufzeit individuell vereinbaren.

Erste Beispiele am Markt

„Aus heutiger Sicht werden die Vorreiter des PPA innovative Stadtwerke, industrielle Großverbraucher und Rechenzentren sein“, prognostiziert die Denkfabrik „Energy Brainpool“. Diese Unternehmen hätten ein Interesse, einen Teil ihrer Stromnachfrage langfristig abzusichern. So haben u.a. Facebook, Microsoft und Google in Europa bereits solche Verträge abgeschlossen.

Eine andere Alternative sind Ökostromanbieter: Im Jahr 2018 hat Greenpeace Energy mit dem Windpark Elhöft aus Schleswig-Holstein den ersten PPA-Vertrag in Deutschland geschlossen. Dieser gilt ab 1. Januar 2021: Ab da läuft die EEG-Vergütung für den Windpark aus. „Wir haben die Abnahme des gesamten Stroms über eine Laufzeit von fünf Jahren vereinbart und zahlen dafür einen Fixpreis“, erklärt Marcel Keiffenheim, Leiter Politik und Kommunikation bei Greenpeace Energy. Mit dem Strom versorgt Greenpeace Ökostromkunden sowie einen Elektrolyseur, um darin Wasserstoff zu erzeugen.

Mit ihren rund 240000 Ökostromkunden ist auch die Naturstrom AG nach eigenen Angaben ein potenzieller Abnehmer von Windstrom aus Altanlagen. Ebenso bringen sich die Energiekonzerne Statkraft oder Vattenfall mit PPA in Stellung.

Inzwischen gibt es auch Betreiber von neuen Anlagen, die sich um PPA bemühen. Das Unternehmen BayWa r.e. verzichtet für den Strom des neu gebauten Solarparks „Barth V“ bei Stralsund auf eine EEG-Förderung. Der Park hat eine Gesamtleistung von 8,8 MW. Den erzeugten Strom will der Dienstleister über einen langjährigen Stromabnahmevertrag (PPA) an einen Industriepartner liefern. Derzeit laufen Verhandlungen mit verschiedenen Interessenten. Die Vermarktung des Stroms wird die hauseigene Energiehandelstochter BayWa r.e. Clean Energy Sourcing GmbH (CLENS) übernehmen.

PPA sind also ein neuer Weg beim Verkauf von Strom aus erneuerbaren Energien. Da ab 2021 viele Anlagen aus der Förderung fallen, rechnen Marktbeobachter mit einer steigenden Nachfrage nach den Verträgen.

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Verschiedene Wege für die Stromlieferung

Bei der Vermarktung gibt es die Direktvermarktung und die Direktlieferung. „Die Direktvermarktung bedeutet die Einspeisung des Stroms ins öffentliche Netz und den Verkauf an einen Stromhändler, einen Energieversorger oder einen Kunden“, erklärt Rechtsanwalt Dr. Hartwig von Bredow aus Berlin. Auch nach Auslaufen der Vergütung gilt das EEG weiter. Der Betreiber hat ein Recht auf vorrangige Abnahme des Stroms.

Die Direktlieferung dagegen erfolgt über eine eigene Leitung. Darüber hinaus gibt es noch weitere Erlösoptionen:

  • Verkauf der Grünstromeigenschaft: Für den eingespeisten Strom kann der Anlagenbetreiber Grünstromzertifikate beantragen und diese an Industrieunternehmen, Reise- oder Festivalveranstalter usw. verkaufen. Das geht aber nur, wenn der Strom nicht über das EEG gefördert wird.

  • Regionale Direktvermarktung: Wenn der Strom innerhalb eines Radius von 4,5 km rund um eine Anlage mit maximal 2 MW Leistung verkauft wird, gilt das als regionale Direktvermarktung. „Hierfür kann der Betreiber von der Stromsteuerpflicht befreit werden“, so von Bredow.

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