Mit Blick auf die vorläufige nationale Emissionsbilanz des Umweltbundesamtes (UBA) spricht sich der Bundesverband der deutschen Bioethanolwirtschaft (BDBe) für ein Ende der Diskussion über eine weitere Einschränkung der Nutzung nachhaltiger Biokraftstoffe aus. Die CO2-Emissionen im Verkehr seien nach Angaben des UBA im vergangenen Jahr leicht gestiegen, insbesondere weil das Verkehrsaufkommen sich nach der Corona-Zeit wieder normalisiert habe. „Vor allem hat aber der politisch erzwungene gedeckelte Einsatz nachhaltiger Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse im Jahr 2022 dazu beigetragen, dass die Treibhausgasemissionen im Verkehr nicht wie gesetzlich gefordert sinken, sondern stagnieren“, betont Stefan Walter, Geschäftsführer des BDBe. Biokraftstoffe minderten die CO2-Emissionen im Verkehr im vergangenen Jahr um mehr als 10 Mio. t. Dabei ist die Anrechnung des Minderungsbeitrags von Biokraftstoffen aus Agrarrohstoffen auf die so genannte treibhausgas-Minderungsquote Anfang des Jahres 2022 spürbar begrenzt worden.
SPD will Biokraftstoffe stärken
Das Bundesumweltministerium fordert in einem innerhalb der Regierungskoalition umstrittenen Gesetzentwurf kurzfristig eine weitere Begrenzung und ab 2030 sogar ein Verbot der Nutzung biogener Kraftstoffe aus Anbaubiomasse, trotz nachgewiesener Klimaschutzwirkung. In diesem Zusammenhang begrüßt der BDBe den jüngsten Vorstoß aus der SPD-Bundestagsfraktion, die Rolle erneuerbarer Kraftstoffe bei der Erfüllung der Klimaziele im Verkehr zu stärken.
Zuvor hatte sich bereits die FDP für eine Beibehaltung der geltenden Biokraftstoff-Regelungen ausgesprochen. Nach Ansicht des BDBe können die notwendigen CO2-Minderungen im Verkehr angesichts des sich nur langsam verändernden Fahrzeugbestandes kurz- und mittelfristig am besten durch alternative emissionsarme Kraftstoffe erreicht werden.
Milliardenzahlung drohen
Auch der Verband der Deutschen Biokraftstoffindustrie (VDB) warnt vor der Abschaffung von Biokraftstoffen, wie es Bundesumweltministerin Steffi Lemke und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir fordern. Denn ohne die CO₂-Einsparungen von nachhaltig produziertem Biodiesel und Bioethanol würde der Bundeshaushalt in den kommenden Jahren aufgrund europäischer Gesetzgebung voraussichtlich mit Milliardenzahlungen belastet. „Folgt die Bundesregierung Steffi Lemke und Cem Özdemir, dann werden sehenden Auges die Vorgaben des deutschen Klimaschutzgesetzes und die Ziele der europäischen Lastenverteilungsverordnung gerissen. Deutschland müsste in diesem Fall Emissionsrechte anderer Mitgliedstaaten kaufen. In einer Zeit knapper Mittel würden damit bis 2030 Milliardenzahlungen aus dem Bundeshaushalt ins Ausland abfließen und damit dem deutschen Steuerzahler entzogen, weil man allen Ernstes weniger Klimaschutz im Straßenverkehr betreiben möchte als heute“, sagt VDB-Geschäftsführer Elmar Baumann.
Wenn Biokraftstoffe aus Anbaumasse hierzulande nicht mehr genutzt werden dürften, wie es das Bundesumweltministerium und Bundeslandwirtschaftsministerium planen, wächst laut VDB die Lücke zwischen den durch das Klimaschutzgesetz erlaubten Emissionen und dem tatsächlichen Treibhausgasausstoß. Damit verstoße Deutschland gegen die Vorgaben der europäischen Lastenteilungsverordnung (Effort Sharing Regulation, ESR). Dies würde für den Bundeshaushalt kostspielig, denn die Bundesregierung müsste Verschmutzungsrechte kaufen von solchen EU-Mitgliedsstaaten, die ihre Vorgaben aus der ESR übererfüllen. Nach wissenschaftlichen Schätzungen könnten die aus dem Wegfall von Biokraftstoffen entstehenden Kosten für den Haushalt mehrere Milliarden Euro erreichen.
„Deutschland würde die von den beiden Grünen-Bundesministerien verantwortete Politik nicht nur mit zusätzlichen Ausgaben, sondern auch mit Deindustrialisierung, Verlusten von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum, steigenden Futtermittelimporten und weniger Klimaschutz bezahlen. Die Kabinettskollegen sollten Frau Lemke und Herrn Özdemir fragen, wie sie dies rechtfertigen wollen “, fordert Baumann.
Ohne Raps fehlen auch Futtermittel und Honig
„Wer Biokraftstoffe abschaffen will, muss auch erklären, wie Klimaschutz auf der Straße funktionieren soll. Einfach E-Mobilität auf dem Papier doppelt und dreifach anrechnen, spart keine zusätzliche Tonne CO₂“, sagt Jaana Kleinschmit von Lengefeld, Präsidentin des Verbandes der ölsaatenverarbeitenden Industrie Deutschlands (OVID). Im Gegenteil: „Ohne Biokraftstoffe steigen die Emissionen im Straßenverkehr sofort und erheblich. Bleiben wir pragmatisch und schützen weiterhin das Klima – mit Biokraftstoffen! Ideologie getriebene Politik schadet dem Klima mehr, als es ihm nutzt, Luftbuchungen über Mehrfachanrechnungen bei der E-Mobilität quittieren dies”, so OVID-Präsidentin
Fallen Biokraftstoffe weg, wird der Rapsanbau in Deutschland in Frage gestellt und damit auch die Produktion hochwertiger Eiweißfuttermittel. Gleichzeitig steigen die Energieimporte und sinkt die Selbstversorgung mit Glycerin, Lecithin und auch für Honig fehlt die Rapsblüte.
UFOP fordert höhere Beimischungsanteile
Der Klimaschutzbeitrag von Biokraftstoffen aus Anbaubiomasse wie auch der aus Rest- und Abfallstoffen könnte sogar noch größer sein. Kappungsgrenzen von 4,4 % und 1,9 % am Endenergieverbrauch im Verkehr beschränken jedoch das Einsatzpotenzial und damit den Beitrag zur Treibhausgasminderung, bemängelt die Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen (UFOP). Mit der Zulassung von B10 statt B7, der Festlegung von E10 anstelle von E5 als Schutzsorte und der Einführung von E20 könnte sofort klimaschutzwirksam mehr Biokraftstoff beigemischt werden. Deutschland exportierte im Jahr 2022 etwa 2,3 Mio. t Biodiesel, ein Potenzial, das hierzulande eingesetzt und auf die Klimaschutzziele angerechnet werden sollte, betont die UFOP. Der Verband erwartet, dass nicht nur das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV), sondern auch der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung diese Maßnahmen empfehlen werden.