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Vermarktung von Biogasstrom: „Wir drehen an vielen kleinen Schrauben“

Martin Dotzauer vom Direktvermarkter e2m gibt im top agrar-Interview einen Überblick über aktuelle Chancen und Herausforderungen für flexible Biogasanlagen.

Lesezeit: 7 Minuten

Hintergrund: Wer künftig mit seiner Biogasanlage am Strommarkt erfolgreich Geld verdienen will, muss die Anlage flexibel betreiben. Doch es gibt keine Strategie für jeden Betrieb. Sowohl die Anlagentechnik und die Anforderungen an die parallele Wärmelieferung als auch die Strommärkte sind einem ständigem Wandel unterworfen. Worauf sich Betreiber einstellen sollten, erklärt Martin Dotzauer, Produktmanager beim Direktvermarkter Energy2market (e2m) aus Leipzig.

Sie sprechen bei der Vermarktung von Biogasstrom inzwischen von der Multi-Markt-Optimierung. Was ist damit gemeint?

Dotzauer: Wir haben bei der Stromvermarktung vor allem zwei Marktsegmente: Den Stromgroßhandel und die Systemdienstleistungen. Beim Stromhandel geht es in der Regel um den Spotmarkt, vor allem um den Day-ahead- und den Intradaymarkt. Hier vermarkten wir die kWh, also Strommengen. Bei der Systemdienstleistung haben wir die Regelenergie im Blick, vor allem die Sekundärregelleistung (kurz: SRL), mit der der Übertragungsnetzbetreiber die Spannung im Netz reguliert. Hier vermarkten wir vor allem kW, also die Leistung, die wir entweder dazu schalten (positive Regelleistung) oder abschalten (negative Regelleistung). Der aus unserer Sicht spannendste Bereich ist aber momentan der kontinuierliche Intradayhandel.

Wie funktioniert das?

Dotzauer: Der Intradaymarkt ist der Stromhandel am gleichen Tag, um kurzfristig fehlende oder überschüssige Mengen auszugleichen. Dieser Ausgleich wird erforderlich, wenn Prognosefehler auftreten. Das kann z.B. wetterbedingt sein, wenn plötzlich weniger Wind weht oder eine Wolkendecke schneller als prognostiziert die Solarmodule wieder frei gibt. Genau wie beim Dayahead-Markt werden diese Strommengen per Auktion gehandelt. Beim kontinuierlichen Intradaymarkt wird Strom dabei aber wie auf einem Basar sehr kurzfristig bis kurz vor dem Lieferzeitpunkt vermarktet. Es gibt hier also keinen einheitlichen Preis für alle Marktteilnehmer, sondern sehr viele unterschiedliche Preise für jeweils eine Transaktion.

Passt das zu jeder Anlage?

Dotzauer: Nicht unbedingt, das hängt von den Vorlieben des Betreibers, aber auch von der vorhandenen Technik ab. Beim kontinuierlichen Intradaymarkt müssen wir permanent auf die Anlage zugreifen können, das ist viel zu kurzfristig, als dass der Betreiber noch manuell eingreifen kann. Tendenziell ist dieser Markt eher für hoch überbaute Anlagen interessant. Wer dagegen den Betrieb lieber am Tag vorher plant und seine Fahrpläne vielleicht selbst macht, sollte stattdessen auf den Day-Ahead-Markt setzen. Regelenergie ist immer dann interessant, wenn das BHKW längere Zeit eine gleichmäßige Leistung erzeugt, da der Leistungsmarkt aktuell in Vier-Stunden-Intervallen organisiert ist. So können diesen Markt z.B. auch Biogasanlagen nutzen die noch unflexibel produzieren und bei Regelenergieabrufen ihre Anlage kurzfristig in den Teillastbereich fahren können.

Hierzu muss die Maschine zur SRL präqualifiziert sein, also nachgewiesener Maßen die technischen Anforderungen erfüllen. Wer zwei unterschiedliche BHKW hat, kann auch je nach Eignung eines für den Strommarkt und das andere für die Regelenergie einsetzen. Zu beachten ist, dass die Vier-Stunden-Blöcke mit dem Anlagenfahrplan synchronisiert sein müssen. Es gilt hier also gerade im Kurzfristhandel abzuwägen, ob die Preise für SRL attraktiver sind als eine kontinuierliche Intradayvermarktung mit wechselnden Fahrplänen. Hier greift unsere Multi-Market-Optimierung.

Wie gehen Sie dabei vor?

Dotzauer: Mit einer Multi-Markt-Optimierung finden wir auf der Basis von Preisprognosen für den Anlagenbetreiber die jeweils beste Vermarktungsstrategie. Dabei berücksichtigen wir auch, wer zu bestimmten Stunden Wärme liefern muss. Wenn vielleicht kein großer Pufferspeicher vorhanden ist, ist die Anlage nicht ohne Weiteres für den kontinuierlichen Intradaymarkt geeignet. Deshalb nutzen wir eine marktübergreifenden Optimierungsansatz, um ganz unterschiedlichen Anlagenbetreibern mit unterschiedlichen Bedürfnissen, Voraussetzungen und Restriktionen auf der Anlage die höchsten Markterlöse zu ermöglichen.

Spielt denn bei der Entscheidung für die Märkte hauptsächlich das BHKW eine Rolle oder auch die Größe des Gasspeichers?

Dotzauer: Bei der Regelenergie ist vor allem das BHKW die ausschlaggebende Größe. Entscheidend sind die Fragen: Wie zuverlässig startet es bei einem Abruf und lässt es sich auch in Teillast fahren? Und wie viele Maschinen sind für den Regelenergiemarkt präqualifiziert? Aber natürlich spielt auch der Gasspeicher damit rein: Wenn es z.B. einen Abruf für positive Regelenergie gibt, das BHKW aber vorzeitig stoppt, weil der Gasspeicher leer ist, haben wir ein Problem. Die Anlage muss schon gut geführt werden und im Zusammenspiel mit dem Gasspeicher eine hohe Fahrplantreue erreichen, damit dann eben diese Regelenergieblöcke auch wie versprochen zur Verfügung stehen.

Gibt es auch jahreszeitliche Unterschiede, welche Strategie sich anbietet?

Dotzauer: Ja, im Sommer bei viel Solarstrom im Netz könnte der Intradaymarkt interessanter sein. Auch haben wir im Sommer mittags häufig sehr hohe Preise bei der negativen Sekundärregelleistung. Das bedeutet: Man verdient viel, wenn zu der Zeit die Maschine nicht in Betrieb ist. Daher ist ein ständiger Austausch zwischen Betreiber und Direktvermarkter wichtig, damit wir flexibel auf die sich schnell ändernden Anforderungen reagieren können. Wir haben hier aber auch unterschiedliche Kunden: Die einen arbeiten sich ganz tief in die Energiemarktaspekte ein, weil sie Zeit und das Verständnis dafür haben. Andere sind dagegen mit Stall und Ackerbau so ausgelastet, dass sie uns sagen: ‚Wir produzieren das Gas, kümmere Du Dich um den Rest.‘

Ist die Regelenergie auch unter den Bedingungen des neuen Biomasse-Pakets noch interessant?

Dotzauer: Ja, das ist grundsätzlich auch zukünftig möglich. Die Multi-Markt-Optimierung wird durch die Bestimmungen im Biomassepaket natürlich noch ein wenig anspruchsvoller. Aber zum einen betrifft das dann nur Anlagen, die nach der neuen Regelung einen Zuschlag erhalten und dann auch so vergütet werden, also frühestens Anfang 2026. Zum anderen ist auch eine hohe Flexibilisierung von dann mindestens Faktor 3 mit der Regelenergievermarktung kombinierbar. Wir haben auch schon entsprechende Konzepte entwickelt, um die möglichen Abrufe möglichst so zu gestalten, dass diese unschädlich für die vergütungsfähigen Betriebsviertelstunden ausfallen.

Wie wird sich der Regelenergiebedarf entwickeln, wenn der Zubau von Großbatterien weiterhin so rasant verläuft?

Dotzauer: Ja, der Zubau ist enorm, es gibt Anfragen bei den Netzbetreibern im dreistelligen Gigawattbereich. Noch sind nicht alle gebaut, sie brauchen erst einmal eine Baugenehmigung und einen Netzanschluss. Auch haben viele Batterieanbieter für den gleichen Speicher bei verschiedenen Netzbetreibern eine Anfrage gestellt, sodass die große Zahl an Anfragen nicht die Realität widerspiegeln muss. Aber der Zubau wird kommen. Auch wir vermarkten schon Batteriespeicher, vor allem in der sehr kurzfristen Primärregelleistung, die in Sekunden abgerufen wird, und für sogenannte Arbitrage-Geschäfte im Intradaymarkt, wo die Batterie mit günstigem Strom beladen wird und in Hochpreisphasen wieder verkauft wird. Wir gehen davon aus, dass Batterien früher oder später auch in die Sekundärregelleistung einsteigen und dann mit Biogasanlagen konkurrieren. Allerdings werden in den kommenden Jahren auch immer mehr konventionelle Kraftwerke still gelegt, die aktuell noch einen Großteil der SRL bereitstellen.

Ist denn eine Großbatterie immer eine Konkurrenz oder könnten Biogasanlagenbetreiber sogar von Großbatterien profitieren?

Dotzauer: Es gibt Überlegungen von Betreibern, die ihre Biogasanlage stilllegen wollen, den vorhandenen Platz und den Netzanschluss zu nutzen, um eine Großbatterie zu betreiben, also in der Größenordnung des aktuell installierten BHKW. Die vorhandenen Fermenter und Gärrestlager könnte man als Güllelager weiternutzen. Ein anderer Weg wäre es, mit einer Großbatterie zu flexibilisieren, also die Batterie mit BHKW-Strom zu laden, wenn der Strompreis niedrig ist und umgekehrt. Eine etwas kleinere Batterie könnte man auch nutzen für die Zeit, in der das BHKW hochfährt, quasi als Unterstützung der Anfahrrampe, wenn zukünftig im EEG viertelstundenscharf abgerechnet wird und man nicht fünf Minuten mit dem BHKW-Start verlieren möchte.

Genauso könnte man damit den Eigenverbrauch der Anlage bei Überschusseinspeisung optimieren, um die Nettoeinspeisung optimal an den Strompreisen auszurichten. Das hat bei der Vermarktung dann auch den Vorteil, dass von den Strommengen zur Einspeisung nicht noch ein paar kWh für das Rührwerk oder so abgehen.

Eine dritte Option für den Batteriespeicher, unabhängig von der Biogasanlage, ist die Lastspitzenkappung für Betriebe in der registrierenden Leistungsmessung. Das tritt immer dann auf, wenn verschiedene Geräte gleichzeitig laufen und eine hohe Lastspitze verursachen. Diese bestimmt den Leistungspreis für das ganze Jahr.

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