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Vielseitiger Problemlöser: Politik entdeckt heimisches Biogas neu

Biogas hat das Potenzial, einen Großteil der Gasimporte aus Russland zu ersetzen. Damit bekommt die lange geschmähte Technik neuen Auftrieb. Die Branche fordert jetzt den Wegfall unnötiger Hürden.

Lesezeit: 6 Minuten

Die Gaspreise sind in Europa auf einem historischen Hoch angekommen. Aber auch fürs Tanken oder für den Strom müssen Verbraucher tiefer in die Tasche greifen. Dazu kommt die unsichere politische Lage: Wird Russland den Gashahn zudrehen oder stellt Europa den Gasimport ein, um den Krieg in der Ukraine nicht länger zu finanzieren? Denn schließlich importiert die EU aus Russland 55 % des benötigten Erdgases, 50 % der Kohle, 35 % des Erdöls und 20 % des Urans. „Neben Versorgungssicherheit und steigenden Energiepreisen müssen wir auch aus Klimaschutzgründen aus den fossilen Energien aussteigen“, fordert Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie aus Berlin.

Biomethan wird zur Chefsache

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Wie das gelingen kann, haben kürzlich mehrere Verbandsvertreter aus dem Bereich erneuerbare Energien in einem Pressegespräch des Fachverbandes Biogas und des Bundesverbandes Erneuerbare Energien (BEE) diskutiert. „Der Ukrainekrieg hat ganz plötzlich dazu geführt, dass nachhaltig erzeugtes Biomethan aus Europa politisch zur Chefsache geworden ist“, erklärte Harmen Dekker, Geschäftsführer des Europäischen Biogasverbandes (EBA) aus Brüssel.

Die rund 20.000 Biogasanlagen in Europa erzeugen heute ca. 17 Mrd. m3 Biogas zur Strom- und Wärmeproduktion sowie 3 Mrd. m3 Biomethan, also auf Erdgasniveau aufbereitetes Biogas. Laut EU-Kommission könnten die Anlagen bis 2030 etwa 35 Mrd. m3 Biomethan erzeugen, bis 2050 etwa 100 bis 160 Mrd. m3. „Das entspricht allein 30 bis 50 % des künftigen Gasbedarfs“, rechnet Dekker vor.

Heute schon wirtschaftlich

Und das grüne Gas trägt seiner Meinung nicht nur zur Versorgungssicherheit bei, sondern auch zu sinkenden Kosten: Während Erdgas aktuell ca. 250 € pro Megawattstunde (MWh) kostet, lässt sich Biomethan für etwa 55 €/MWh erzeugen. „Kalkuliert man zudem noch den steigenden CO₂-Aufschlag für fossiles Erdgas ein, wird das klimafreundliche Biomethan immer mehr zu einer wirtschaftlichen Alternative – ganz ohne Förderung“, unterstreicht der Geschäftsführer.

Ein weiterer positiver Effekt: Der Gärrest aus Biogasanlagen ersetzt in der Landwirtschaft immer stärker chemische Düngemittel, bei deren Produktion viel Treibhausgas emittiert wird.

Um das Ziel von 35 Mrd. m3 Biomethan zu erreichen, seien 5000 neue Anlagen nötig: 1000 Großanlagen und 4000 mittlerer Größe. Potenzial dafür sieht Dekker in den baltischen Staaten, aber auch in Polen, Rumänien oder Bulgarien. „Dass dieser Zubau möglich ist, hat Deutschland bewiesen: Hier sind in den neun Jahren zwischen 2005 und 2014 rund 6000 neue Anlagen entstanden“, macht er deutlich. Als Substrat sieht er Potenzial bei Lebensmittelabfällen, Abwasser und landwirtschaftlichen Reststoffen.

Biogas im Strommarkt wichtig

„Biogas ist auch in unserem Strommarkt eine wichtige Säule. Denn Bioenergie ist speicherbar und kann jederzeit Lücken schließen, die die Stromproduktion von Wind- und Solarenergie hinterlässt“, sagt BEE-Präsidentin Dr. Simone Peter. Die Bundesregierung sollte daher mehr Anreize schaffen für flexible Biogasanlagen. Daher kritisiert sie, dass der jetzige Entwurf zum EEG 2023 lediglich einen Fokus auf die Biomethanerzeugung legt. Dagegen soll gleichzeitig das Ausschreibungsvolumen für bestehende und neue Anlagen in der Stromerzeugung reduziert werden. „Das würde zu einer massiven Stilllegung von flexiblen Vorortverstromungsanlagen führen, die wir nicht nur für das künftige Stromsystem, sondern auch zur Existenzsicherung der Landwirtschaft dringend benötigen“, betont die Präsidentin. Sie lobte in dem Zusammenhang, dass es in der Biogasbranche bereits Lösungen gibt, um mehr Reststoffe anstelle von Anbaubiomasse einzusetzen und für mehr Biodiversität auf dem Acker zu sorgen.

Kurzfristige Änderungen nötig

Auch Horst Seide, Präsident des Fachverbandes Biogas, forderte in dem Pressegespräch eine schnelle Abschaffung von Hürden:

  • Kurzfristig könnte der Wegfall der Höchstbemessungsleistung den bestehenden Biogasanlagen ermöglichen, die Leistung um bis zu 20 % zu erhöhen. „Damit könnten wir sofort 5 % des russischen Erdgases ersetzen“, sagt er.
  • Die Vorgabe in der EU-Behilferegelung (GAP), dass die Landwirte künftig 4 % der Flächen stilllegen sollen und der Aufwuchs nicht genutzt werden darf, müsse umgehend wieder geändert werden. „Wenn die Pflanzen auf dem Feld verrotten, emittieren sie CO₂ und Lachgas. Würde der Aufwuchs in der Biogasanlage genutzt, könnten wir damit Lachgasemissionen vermeiden und gleichzeitig fossile Energien ersetzen“, macht er deutlich, warum die Stilllegungsverpflichtung klimapolitisch unverständlich ist – vor allem mit Blick auf die aktuelle Lage.
  • Die Gasnetzzugangsverordnung aus dem Jahr 2009 ist veraltet und passt nicht mehr zur aktuellen Entwicklung. Hier ist aus seiner Sicht eine schnelle Änderung dringend erforderlich, um mehr Biogas ins Gasnetz zu bekommen.
  • Das Baugesetzbuch verhindert mit mehreren Vorschriften einen zügigen Ausbau der Biomethananlagen. „Es ist ein Unding, dass neue Anlagen drei bis fünf Jahre Genehmigungszeit haben. Hier müssen wir deutlich schneller werden“, sagt Seide auch mit Blick auf die jetzt geplanten LNG-Terminals, bei denen die Bundesregierung aus Gründen der Versorgungssicherheit zu schnelleren Genehmigungen kommen will.

Wasserstoff erhöht Biogaspotenzial

Zusätzliches Potenzial sieht er in der Produktion von synthetischem Methan. Dazu müssten auf den Biogasanlagen Elektrolyseure installiert werden, die in Zeiten von viel Wind und Sonne günstigen Wind- und Solarstrom nutzen, um daraus Wasserstoff zu erzeugen. Dieser könnte mit dem CO₂ im Biogas zu Biomethan synthetisiert werden. Damit ließ sich die Methanausbeute der Biogasanlagen fast verdoppeln. „Insgesamt könnten wir in Deutschland ohne Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion oder Tierhaltung 450 TWh Biomethan produzieren und damit 80 % des russischen Erdgases ersetzen“, resümiert der Präsident.

Verwertung von Zwischenfrüchten

Eine Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion sieht er genauso wenig wie eine schlechtere Flächeneffizienz bezogen auf den Stromertrag pro Hektar im Vergleich zur Freiflächen-Photovoltaik: „Wir werden künftig weniger Pflanzenschutzmittel zur Verfügung haben. Darum werden Fruchtfolgen mit Zwischenfrüchten wie Kleegras eine größere Rolle spielen, um Beikräuter zu unterdrücken“, argumentiert Seide. Der Aufwuchs lässt sich aber nur in Biogasanlagen verwerten. Damit ist die Biogasproduktion aus seiner Sicht eine Stütze der Lebensmittelproduktion und keine Konkurrenz. Das gleiche betrifft die Verwertung von Grünlandaufwüchsen in Gegenden, in denen die Rinderhaltung abwandert. „Wegen der vielseitigen Verwertungsmöglichkeiten von Reststoffen und der variablen Nutzung von Biogas im Strom-, Wärme- und Kraftstoffbereich sowie in der stofflichen Nutzung ist es nicht sinnvoll, Solarparks und Biogasanlagen miteinander zu vergleichen“, betont er.

Wegen der unterschiedlichen Regionen und der großen Bandbreite an regional verschiedenen Rohstoffen sieht Seide keine Präferenz für die Biomethaneinspeisung oder die Stromerzeugung. „Nicht jeder hat vor Ort eine Gasleitung oder einen Stromanschluss, der eine hohe flexible Leistung zulässt. Und ein Konzept, das für Brandenburg passt, muss im Allgäu noch lange nicht die Lösung sein. Wir brauchen also weiterhin Rahmenbedingungen, um für die Region passende Biogasanlagen entwickeln zu können“, erklärt er.

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