Der amerikanische Biomethanspezialist Anew Climate ist seit 2024 in Deutschland tätig. Anew hatte im Anfang dieses Jahres die Betreuung der fortführten EEG- und Ökogasverträge des insolventen Biomethanhändlers Landwärme angekündigt. Anew ist bereits seit 2022 mit seinem CO2-Geschäft („Carbon Removal“) mit Sitz in Madrid, Spanien, im europäischen Umweltgütermarkt aktiv.
Anew wird in Deutschland Büros in München und Berlin eröffnen und damit seine bestehende europäische Präsenz in Budapest und Madrid erweitern. Wir sprachen mit Max Göbel, Einkaufs- und Vertriebsleiter bei Anew Climate, über die künftigen Märkte und Zukunftsaussichten.
Welche Absatzwege für Biomethan sind aus Ihrer Sicht aktuell interessant?
Göbel: Das größte Wachstum sehen wir wie schon in den letzten zwei bis drei Jahren im Kraftstoffmarkt, insbesondere beim flüssigen LNG. Im Straßengüterverkehr und bei Schiffen sehen wir hier enormes Potenzial.
Der Kraftstoffmarkt war in den vergangenen zwei Jahren geprägt vom Preisverfall bei den Treibhausgasminderungsquoten. Wie ist die Situation heute?
Göbel: Die Störungen im Markt durch die Betrugsskandale wirken auch noch heute weiter. Aber es zeigt sich eine leichte Stabilisierung beim Quotenpreis. Erste Maßnahmen zur Aufarbeitung des Skandals bzw. zur Betrugsprävention wirken also bereits. Wir haben durch die Marktentwicklungen neben der Landwärme-Insolvenz und anderen Schieflagen bei Unternehmen auch über die letzten Jahre erlebt, dass einige CNG-Tankstellen geschlossen wurden. Der Rückgang wird aber kompensiert durch neue Aktivitäten z.B. bei Logistikunternehmen, die eigene Tankstellen bauen. Wir sehen da einen Wechsel von kleinen freien Tankstellen hin zu wenigen, aber absatzstärkeren privaten Tankstellen von Logistikunternehmen. Die Deutsche Post (DHL) ist ein Beispiel. Das heißt, der CNG-Gesamtabsatz ist in Summe recht stabil.
Im Schwerlastverkehr hatte die vorherige Bundesregierung stark auf Wasserstoff gesetzt, was Biomethan Konkurrenz machen würde. Wie bewerten Sie das?
Göbel: Die Euphorie ist hier deutlich abgeflacht, gerade im Bereich Logistik. Da sehen wir jetzt vor allem Chancen beim LNG. Deutschlandweit haben wir einen Gesamtabsatz von 2 TWh. Im Jahr 2024 waren immerhin 75 % des gesamten LNG-Absatzes Bio-LNG, also verflüssigtes Biomethan. 2023 hatten wir noch einen Anteil von 17 % am LNG-Absatz. Da gibt es mittlerweile viel Bewegung.
Das meiste Biomethan wird ja momentan noch zur Verstromung an Biomethan-BHKW verkauft. Könnte es hier einen Rückgang geben und eine Ablösung in Richtung Biokraftstoff?
Göbel: Wir gehen mit einem Rückgang bei Biomethan-BHKW ab 2029 aus. Das EEG 2023 ist für Biomethan-BHKW ja bislang leider erfolglos: An den Ausschreibungen haben sich wegen der unattraktiven Bedingungen keine potenziellen Betreiber beteiligt. Ohne deutliche Nachbesserung seitens der Bundesregierung wird sich da auch nichts ändern.
Wie sehen Sie, mit Blick auf das Gebäudeenergiegesetz, den Absatz als Erdgasersatz im Heizungsmarkt?
Göbel: Das sehen wir sehr positiv. Das Gebäudeenergiegesetz reizt den Einsatz von Biomethan im Wärmemarkt signifikant an. Schon ab 2027 kann die Nachfrage um 0,4 bis 1,4 TWh steigen, zeigen aktuelle Studien u.a. von der Deutschen Energieagentur. Ab 2029 wird mit einem Absatz von mindestens 2 TWh im "Low-Szenario" nur für den Bestand gerechnet. Der Neubau ist da noch nicht einberechnet, wird aber zusätzlichen Bedarf wecken. Das würde den Rückgang aus dem Markt der Biomethan-BHKW nicht kompensieren, aber ein Stück weit auffangen.
Welche Rohstoffe werden künftig gefragt sein?
Göbel: Das lässt sich heute kaum abschätzen. Natürlich geht der Trend in Richtung Abfall- und Reststoffe. Viele Projekte, die den Kraftstoffmarkt im Blick haben, benötigen Wirtschaftsdünger. Aber die Verwerfungen auf dem THG-Quotenmarkt haben die Nachfrage deutlich einbrechen lassen. Gleichzeitig gibt es im EEG, im Gebäudeenergiegesetz und den zugehörigen Verordnung wie der Biostrom-Nachhaltigkeitsverordnung Deckel für nachwachsende Rohstoffe. Also wird es auch keine Neuprojekte mit klassischer Nawaro-Vergärung mehr geben. Dennoch werden Energiepflanzen weiter eine Rolle spielen. Bei allen Rohstoffen wird man künftig auf einen möglichst niedrigen CO2-Fußabdruck achten müssen. Themen wie Biodiversität und Bodenverbesserung werden zunehmend in den Fokus rücken. Anlagen mit angeschlossenen Carbon-Removal-Konzepten verbessern auch den THG-Wert.
Werden die positiven Signale dazu führen, dass einige Anlagenbetreiber von der Stromerzeugung auf Biomethanproduktion umschwenken werden, u.a. über den Zusammenschluss mit anderen Betreibern zu einem Biogascluster?
Göbel: Das ist schwer zu sagen, da alle Neubauprojekte insgesamt momentan einen schweren Stand haben. Denn die Zukunft ist immer noch von gewissen Unsicherheiten geprägt und der große Vertrauensverlust in die Politik wirkt nach. Dieser hatte sich aufgrund der Untätigkeit der Bundesregierung bei den Betrugsvorfällen, mit der Diskussion um das Verbrennerverbot oder um den geplanten Rückbau von Gasnetzen aufgebaut. Der Koalitionsvertrag ist schon mal ein vorsichtiges Signal in die richtige Richtung.
Zumindest sieht man auf Unternehmensseite, dass viele den deutschen Biomethanmarkt wieder positiver einschätzen. Ablesen lässt sich das an den verschiedenen Einstiegen von neuen Unternehmen auf dem Markt. Anew Climate ist dafür nur ein Beispiel. Und mehrere größere Produzenten bauen ihre Aktivitäten aus.
Stichwort Vertrauensverlust: Die Insolvenz der Landwärme als Folge der niedrigen THG-Quotenpreise hat auch dazu geführt, dass viele Biomethanproduzenten dem Gashandel gegenüber skeptisch geworden sind. Wie gehen Sie damit um?
Göbel: Ja, mit BMP und Landwärme waren die beiden größten Biomethanhändler nur kurz nacheinander aus verschiedenen Gründen von der Insolvenz betroffen, was viele Produzenten, aber auch Abnehmer von Biomethan empfindlich getroffen hat. Jetzt versuchen einige Produzenten mit größeren Abnehmern direkt in Kontakt zu kommen, um den Handel zu umgehen. Das kann in Einzelfällen gut funktionieren. Aber Produktions- und Abgabemengen müssen dabei zusammenpassen, Zertifizierung und Bilanzkreismanagement müssen geklärt sein usw. Zudem verliert man die Optimierungsmöglichkeit, die sich z.B. mit der Vermarktung von Teilmengen in verschiedenen Märkten ergeben. Beim Heizungsgas haben wir wieder mit ganz anderen Abnehmern zu tun, weil der Markt von einer Vielzahl von regionalen Gasversorgern und Stadtwerken geprägt ist. Dazu kommt der immer internationaler werdende Markt. Darum sehen wir den Handel weiterhin als unerlässlich an.
Bleibt es denn bei dem klassischen Händlermodell oder wird sich da auch etwas ändern?
Göbel: Was die Landwärmeinsolvenz gezeigt hat: Es ist fatal, wenn nur der Händler das Marktrisiko trägt. Künftig wird man das Handelsrisiko auf mehreren Schultern verteilen müssen, also auch auf die Abnehmer und Produzenten. Das führt kurzfristig nicht zu mehr Vertrauen, aber es macht die Situation transparenter und Risiken kalkulierbar. Ob damit der Mut zu einer längeren Bindung wieder zurückkommt, hängt auch von der individuellen Projektfinanzierung ab und was dann auch von Investoren beziehungsweise der Bankenseite gefordert wird. Größere Produzenten werden ihre komplette Produktion langfristig nicht mehr nur über einen Abnehmer vermarkten, sondern es wird eine Risikostreuung geben. Dabei wird man Teilmengen an verschiedene Absatzkanäle vermarkten.
Apropos Landwärme-Pleite: Haben Sie alle ehemaligen Kunden des Unternehmens übernommen?
Göbel: Nein, wir haben ja die Landwärme nicht 1:1 übernommen. Stattdessen haben wir die Gelegenheit bei dem ohnehin geplanten Markteintritt in Europa genutzt und stellen die Fortführung eines großen Teil der Verträge der Landwärme sicher.
Noch ein Blick in die Zukunft: Welche Rahmenbedingungen können den Biomethanmarkt weiter beflügeln, wo ist die neue Bundesregierung gefordert?
Göbel: Dafür gäbe es verschiedene Ansätze, z.B. die Umsetzung des europäischen Planes RepowerEU, wonach in der EU bis 2030 rund 35 Mrd. m3 Biomethan erzeugt werden sollen. Eine andere Maßnahme ist die Umsetzung der EU-Richtlinie RED III in deutsches Recht. Ob sich das positiv auf den Biomethanabsatz auswirken wird, hängt immer davon ab, wie die Bundesregierung die Möglichkeiten der EU-Regularien nutzt. Potenzial ist da. Die Ampelregierung war hier eher zögerlich. Sie hatte sehr einseitig nur auf Elektromobilität und Wasserstoff gesetzt. Beides ist in der praktischen Umsetzung schwierig und dauert deutlich länger als mit Biomethan. Der Koalitionsvertrag der neuen Regierung dagegen liest sich gut, weil unter anderem jetzt eine technologieoffenere Herangehensweise geplant ist. Was wir insgesamt als Schlüssel sehen für den Marktausbau: Betrugsprävention, Ausbau der Treibhausgasminderungsquote und die Technologieoffenheit im Verkehrssektor sowie beim Klimaschutz insgesamt.