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Wasserstoff und Geothermie: Neue Ansätze für die Wärmeversorgung

Das politische Tauziehen um die stockende Wärmewende geht weiter. Es gibt eine neue Beschwerde vor der EU-Kommission, eine Studie zu Wasserstoff sowie neue Forschungen zur Erdwärmenutzung.

Lesezeit: 7 Minuten

Aufgrund der fortwährenden Blockadehaltung der Bundesregierung beim Klimaschutz im Gebäudesektor hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) in der vergangenen Woche Beschwerde bei der EU-Kommission eingereicht. Die Bundesregierung weigere sich seit Jahren, die europäischen Effizienz-Vorgaben für Gebäude in nationales Recht umzusetzen. In Deutschland werde immer noch mit veralteten Standards gebaut, die die Klimaziele unterlaufen. Die EU-Niedrigstenergiestandards für öffentliche Gebäude hätten bereits 2019 umgesetzt werden müssen. Die DUH fordert insbesondere angesichts der verfehlten Klimaziele des Gebäudesektors, diese zusätzliche Klimaschutzmaßnahme umzusetzen und die EU-Vorgaben in nationales Recht zu überführen. „Die Große Koalition hat es in der auslaufenden Legislaturperiode nicht geschafft, die EU-Gebäuderichtlinie in Deutschland rechtskonform umzusetzen. Das ist symptomatisch für die Missachtung der Energieeffizienz“, kritisiert Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH. Widerstand bei allen Versuchen, Deutschland energieeffizienter zu machen, hätten in der Vergangenheit insbesondere das Bundesbauministerium und das Bundeswirtschaftsministerium geleistet.

DUH fordert Einbaustopp für neue Öl- und Gasheizungen

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Die europäische Gebäuderichtlinie schreibt seit 2019 in öffentlichen Gebäuden den sogenannten Niedrigstenergiestandard vor, gleichzeitig sollen neu errichtete Gebäude idealerweise komplett mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Seit 2021 muss der Niedrigstenergiestandard in allen neu errichteten Gebäuden gelten. Die Bundesregierung habe diese Vorgaben nicht umgesetzt, noch immer gelten im Neubau und im Sanierungsfall veraltete Vorgaben, betont die DUH. Diese Verweigerung bildet die Grundlage für das Beschwerdeverfahren, das die DUH heute bei der europäischen Kommission startet. „Die Rekordabsatzzahlen für Gasheizungen müssen für uns alle ein gewaltiger Weckruf sein – mit jeder neu eingebauten Gasheizung verabschieden wir uns ein Stück weiter von den Klimazielen der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Wir fordern schnellstmöglich einen Einbaustopp von fossil betriebenen Öl- und Gasheizungen im Neubau“, ergänzt Constantin Zerger, Leiter Energie und Klimaschutz der DUH.

Wasserstoff für Gasheizungen

Damit Deutschland seine Klimaziele erreicht, müssen die CO2-Emissionen im Gebäudesektor in zehn Jahren um fast die Hälfte (43 %) sinken – mehr als fünf Mal so viel wie in den vergangenen zehn Jahren. Eine Mammutaufgabe, denn 87 % des Gebäudebestandes sind nur teilweise saniert. Der Anteil fossiler Energie im Wärmemarkt liegt bei 80 %. Den Löwenanteil mit über der Hälfte der Wärmeversorgung leistet allein das Gas. Wasserstoff kann nach Einschätzung der Vereinigung der Fernleitungsnetzbetreiber Gas e.V. (FNB Gas) ein wichtiger Baustein werden, um die enormen Herausforderungen einer raschen und sozial verträglichen Dekarbonisierung des Wärmemarktes zu meistern. Das zeigt eine im Auftrag des FNB Gas von Frontier Economics durchgeführte Studie des Wärmemarktes. FNB Geschäftsführerin Inga Posch: „Die Studie macht deutlich, dass die enorme Herausforderung der klimaneutralen Wärmeversorgung schneller und sozialverträglicher mit Wasserstoff bewältigt werden kann als mit einer vollständigen Umstellung auf strombasierte Technik wie z.B. Wärmepumpen.“

Auch für Dr. Thomas Gößmann, Vorstandsvorsitzender des FNB Gas, lässt die Studie nur eine Schlussfolgerung zu: „Die Frage ist nicht ob, sondern wieviel Wasserstoff im Wärmemarkt eingesetzt werden muss. Wer die Klimaziele erfüllen will, ohne eine sichere und bezahlbare Versorgung zu gefährden, muss Ja zu Wasserstoff nicht nur für Industrie und Verkehr, sondern auch für den Wärmemarkt sagen. Die Studie beseitigt daran die letzten Zweifel.“

Wasserstoff sorgt für die notwendige Leistung

Der Vergleich von Wärmetechnologien muss berücksichtigen, dass der Wärmebedarf in Deutschland starken saisonalen Schwankungen unterliegt. Die Erzeugungs-, Speicher- und Netzinfrastruktur muss nicht nur die erforderliche maximale Wärmeleistung im saisonalen Verlauf erbringen, sondern auch in Extremwintern. Posch erläutert, wie groß die Herausforderung ist: „Die Gasinfrastruktur ist seit jeher auf solche hohen Nachfrageschwankungen ausgelegt. Selbst bei minus 14 Grad Celsius müssen wir noch dafür sorgen können, dass es in den Wohnzimmern warm bleibt.“ Das entspricht einer Maximallast von 300 GW. Zum Vergleich: Die historische Stromspitzenlast beträgt knapp 80 GW.

Wasserstoff, so die Studie, kann Spitzenlasten im Wärmebereich auffangen, die das Stromsystem bei einer umfassenden Elektrifizierung massiv herausfordern würden. Bei einer stark wachsenden Produktion aus wetterabhängigen Erzeugungstechnologien wie Windkraft und Photovoltaik müsse zur Abdeckung der Spitzennachfrage ein Teil des benötigten Stroms in speicherbare gasförmige Energieträger wie Wasserstoff konvertiert werden.

Weniger Anforderungen an das Stromnetzes

Ein weiterer Knackpunkt liegt nach Ansicht der Autoren darin, dass die Transportinfrastruktur absehbar nicht auf eine umfassende Elektrifizierung aller Verbrauchssektoren ausgelegt ist: Bei einer vollständigen Elektrifizierung im Wärmemarkt im Jahr 2045 wäre die zusätzliche Strom-Spitzenlast mit 86 bis 124 GW mehr als doppelt so hoch wie heute und würde einen erheblichen zusätzlichen Ausbau der Stromnetze erfordern.

Eine zukünftige Wasserstoffinfrastruktur kann als Energiespeicher und –transporteur dienen und den weiteren Stromnetzausbau sowie damit verbundene gesellschaftliche Akzeptanzprobleme deutlich reduzieren. Gleichzeitig, so die Autoren, entfiele mit der direkten Nutzung von Wasserstoff im Wärmemarkt die Notwendigkeit, die zusätzliche Strom-Spitzenlast durch gesicherte Erzeugungsleistung abzusichern.

Schnelle Dekarbonisierung

Da mit den vorhandenen Gasverteilernetzen bereits die Hälfte aller deutschen Haushalte erreicht werden, kann der Einsatz von Wasserstoff im Wärmemarkt einen wichtigen Beitrag zur schnellen und sozial verträglichen Dekarbonisierung des Wärmemarktes leisten. Die Wasserstoffnetze können zum überwiegenden Teil aus dem bestehenden Gasnetz heraus entwickelt werden, wodurch die Kosten im Vergleich zum Neubau von Infrastrukturen moderat bleiben. Spätestens ab Mitte dieser Dekade, so die Studie, wird auch die Heizungsbranche nur noch Geräte auf den Markt bringen, die hohe Wasserstoffanteile bis 100 Prozent vertragen oder zumindest umrüstbar sind.

Lanze für die Wärmepumpe

Inzwischen werden rund 40 % aller Neubauten in Deutschland, aber auch viele Bestandsgebäude, mit Wärmepumpen beheizt. Im Jahre 2020 wurden rund 120.000 neue Wärmepumpen in Deutschland installiert, berichtete Dr. Frank-Michael Baumann, Geschäftsführer der EnergieAgentur.NRW, auf der 17. NRW Geothermiekonferenz am 14. September in Bochum. „Die Nutzung von tiefer Erdwärme kann klimafreundliche und nachhaltige Wärmeenergie mit hoher Versorgungssicherheit ermöglichen. Ein guter Anteil der zukünftigen nordrhein-westfälischen Wärmeversorgung liegt schon lange tief unter unseren Füßen“, erklärte er.

Tiefe Geothermie für die Industrie

Der Wettbewerbsaufruf zur Nutzung von Wärme aus Tiefengeothermie in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr hat gezeigt, dass viele Kommunen und Stadtwerke die Wärmewende in NRW mitgestalten möchten, ergänzte Wirtschaftsstaatssekretär Christoph Dammermann. So konnten sich die kommunalen Partnerschaften Düren/Kreuzau, Düsseldorf/Duisburg und die Stadt Straelen durchsetzen und werden im nächsten Schritt jeweils Machbarkeitsstudien zur Nutzung von Tiefengeothermie erstellen. Mit dem Projekt „Seismik Münsterland“ will die Landesregierung die Grundlagen schaffen, um Kommunen, Stadtwerken und privaten Investoren die Umsetzung von Tiefengeothermie-Projekten im zentralen Münsterland zu erleichtern. Am Standort Hagen untersucht die Kabel Premium Pulp & Paper GmbH in einem Pilotprojekt zusammen mit dem Fraunhofer IEG und dem Fraunhofer UMSICHT Möglichkeiten, Erdwärme aus Tiefen von bis zu 4000 Meter zur Papiertrocknung zu nutzen. Die Tiefengeothermie könnte eine Lösung sein, um die energieintensive Papierherstellung nachhaltig und zukunftssicher aufzustellen. Ihre Nutzung für die Wärmewende in der Industrie könnte am Standort Hagen zum ersten Mal in Deutschland umgesetzt werden.

Effiziente Gebäude machen unabhängig von Marktschwankungen

„Die deutsche Politik hat es bisher verpasst, sich von steigenden Energiepreisen unabhängig zu machen,” sagt Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer des Bundesverbands energieeffiziente Gebäudehülle e.V. (BuVEG). „Gegen steigende Gas- und Stromkosten gibt es nur ein Rezept: Die Wärme muss mit Hilfe einer modernen und energieeffizienten Gebäudehülle in den Häusern bleiben. Nur auf diese Weise sind Mieter und Eigentümer vor hohen Energiepreisen wirksam und nachhaltig geschützt.”

Sanierungsquote zu niedrig

Derzeit bewegen sich die Sanierungen auf einem zu niedrigen Niveau. Der Gebäudebestand muss viel intensiver und vor allem besser in die Tiefe modernisiert werden. Denn: Der Gebäudesektor hat im Jahr 2020 als einziger Sektor seine Einsparziele verfehlt. Hinrichs betont: „Dreißig Prozent der Wohngebäude in Deutschland verharren immer noch in den schlechtesten Energieeffizienzklassen G und H. Hier müssen wir entschieden handeln. Das wird auch eine der wichtigsten und dringendsten Aufgaben der nächsten Bundesregierung sein.“

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