Mit dem neuen Biomassepaket verändern sich die Rahmenbedingungen für Biogasanlagen massiv, insbesondere für die Betreiber, die auch nach 20-jähriger EEG-Vergütung mit profitabler Stromproduktion die Energiewende vorantreiben wollen.
Diese Veränderungen beeinflussen auch die Aufgaben in sämtlichen Servicebereichen, d.h. in der Beratung, Wartung und Instandhaltung sowie Reparatur und Repowering. Einblicke in aktuelle Entwicklungen gibt Hans-Jörg Börgers, Geschäftsführer der PlanET Service Solutions GmbH.
Wie hat sich die Rolle des Services bei Biogasanlagen in den letzten Jahren verändert, insbesondere in Bezug auf neue Technologien und Marktanforderungen?
Börgers: In der dynamischen Welt der Biogasanlagen ist Stillstand keine Option. Die Anforderungen steigen stetig. Früher bedeutete Service vor allem den Austausch oder die Reparatur defekter Komponenten. Heute hingegen stehen professionelle Beratung sowie der Erhalt durch Reparatur und Wartung und nachhaltiges Repowering im Vordergrund. Für viele Anlagenbetreiber ist es daher essenziell, einen festen Ansprechpartner zu haben, der ganzheitliche Lösungen bietet. Besonders im Hinblick auf die Zeit nach 20 Jahren EEG-Förderung stellt sich für viele Betreiber die Frage nach dem weiteren Betrieb ihrer Anlagen. Wir unterstützen Betreiber dabei, verschiedene Optionen zu prüfen und die Beste umzusetzen.
Wie hat sich die präventive Wartung über die Jahre entwickelt und welche neuen Techniken wurden eingeführt?
Börgers: In den ersten Jahren des Biogasbooms haben viele Anlagenbetreiber defekte Aggregate häufig ausgetauscht. Doch die Zeiten haben sich geändert – und mit ihnen das Bewusstsein für nachhaltiges Wirtschaften. Unter dem zunehmenden Kostendruck der vergangenen Jahre ist das Thema Reparatur in den Mittelpunkt gerückt. Statt teuren Kompletttauschs setzen Betreiber heute vermehrt auf vorausschauende Instandhaltung. Ziel ist es, die Lebensdauer zentraler Anlagenteile zu verlängern – insbesondere bei Großkomponenten, deren Ersatz nicht nur kostenintensiv, sondern auch mit längeren Ausfallzeiten verbunden ist.
Die Möglichkeit Strom flexibel zu produzieren (Flexbetrieb) hat dazu geführt, dass Wartungseinsätze präziser und clever geplant werden können. Dem Betreiber wird dadurch eine hohe Produktivität gewährleistet. Präventive Wartung ist heute kein lästiges Übel mehr, sondern ein wesentlicher Baustein für nachhaltigen Erfolg,
Welche Rolle spielt das Energiemanagement in der Optimierung des Betriebs von Biogasanlagen?
Börgers: Um bei steigenden Kosten und sinkenden Vergütungsraten künftig noch rentabel Biogas erzeugen zu können, stellen die Betriebskosten eine wichtige Stellschraube dar. Ein effizientes Energiemanagement ist dabei der wesentliche Schlüssel zum Erfolg. Es geht darum, die benötigte Energie zur Versorgung der Biogasanlagenkomponenten zum wirtschaftlich optimalen Zeitpunkt aus dem Netz abzurufen, d.h. die Aggregate dann zu betreiben, wenn die Energie günstig ist. Bei hohen Strompreisen dagegen sollte der Betreiber bestrebt sein, möglichst viel Strom ins Netz einzuspeisen.
Um das zu gewährleisten, müssen die verschiedenen Einflussfaktoren bei der Steuerung einer Biogasanlage berücksichtigt werden. Mithilfe eigens entwickelter Steuerungstechnologien können wir verschiedene Einflussfaktoren nahezu in Echtzeit berücksichtigen und entsprechende Maßnahmen automatisch einleiten - angepasst auf die Bedürfnisse der Betreiber. Diese Systeme stehen in direktem Kontakt und Austausch mit den digitalen Vermarktungssystemen und ermöglichen so eine effiziente Nutzung der vorhandenen Ressourcen.
Viele Aggregate sind ja für die gleichmäßige Gasproduktion nötig. Welche Möglichkeit habe ich, hier den Verbrauch zu verschieben?
Börgers: Rührwerke z.B. laufen mehrmals pro Stunde. Wir schaffen mit unseren Systemen die Möglichkeit, die Anlagensteuerung so zu programmieren, dass die Komponenten bevorzugt bei günstigen Energiepreisen in Betrieb sind. Ziel ist es, mithilfe einer KI-basierten Steuerung maximale Gasproduktion bei stabiler Biologie und einem intelligenten Mix aus Energieproduktion und –nutzung zu gewährleisten.
Wie handhaben Betreiber in der Regel die Verfügbarkeit von Ersatzteilen?
Börgers: Hier haben die Betreiber und wir als Serviceunternehmen auch durch die in der Pandemie verursachten langen Lieferzeiten in der Coronazeit gelernt. Während sich regional Betreiber für die Gründung von Ersatzteilpools zusammengeschlossen haben, haben wir die Komponentenvorhaltung entsprechend angepasst.
Welche Strategien gibt es, um mit langen Lieferzeiten für kritische Komponenten umzugehen?
Börgers: Gerade bei Bauteilen wie Verdichter oder Gasaufbereitungsanlagen haben wir inzwischen Lieferzeiten von 9 bis12 Monaten oder sogar länger. Bei diesen Anlagen handelt es sich um sehr teure Komponenten. Bei Größenordnungen im sechsstelligen Bereich kauft sich kein Betreiber auf Verdacht mal einen zweiten Verdichter.
Wenn durch lange Ausfallzeiten jedoch eine existenzbedrohliche Situation verursacht werden kann, wird ein Betreiber sich dennoch Gedanken darüber machen, ob er präventiv beispielsweise einen zweiten Verdichter vorhält – trotz der beträchtlichen Investitionssumme. Welche Strategie er wählt, ist daher immer eine Entscheidung, die auf Wirtschaftlichkeit und de persönlichen Präferenz und Situation des Betreibers getroffen wird.
Welche Bedeutung hat die biologische Beratung für den reibungslosen Betrieb von Biogasanlagen?
Börgers: Die Bedeutung ist weiterhin groß. Wichtig sind schnelle Erkenntnisse. In unserem hauseigenen Labor analysieren wir seit vielen Jahren die Proben unserer Kunden. Diese breite Datenbasis, kombiniert mit der jahrelangen Erfahrung der biologischen Experten führt dazu, dass wir heute bei Unregelmäßigkeiten wesentlich früher reagieren und verlässliche Empfehlungen zur Stabilisierung der Biologie geben können.
Gibt es aktuelle Entwicklungen oder Herausforderungen im Bereich der biologischen Betreuung?
Börgers: Aktuell ist das vor allem die Umstellung von Energiepflanzen wie z.B. Mais auf neue Inputstoffe wie z.B. verschiedene Mistarten. Der Treiber ist hier ganz eindeutig der Maisdeckel im EEG sowie das neue Biomassepaket. Aber auch die THG-Quote ist für viele Betreiber ein wichtiger Parameter.
Da die Gasausbeute dieser Substrate meist geringer ausfällt als bei der Nutzung von Mais oder anderen klassischen Substraten, brauchen wir im Vergleich mehr Input. Dies führt zu einer höheren Faulraumbelastung. Der Biologie kommt dadurch eine noch wichtigere Bedeutung zu. Neben dem gezielten Einsatz klassischer natürlicher Substrate lässt sich dem mit Repoweringprodukten entgegenwirken. Wir sprechen hier von Maßnahmen wie gezielter Beeinflussung von biologischen Prozessen oder spezialisierten Verfahren zur Behandlung der Biomasse. Durch ein weiteres spezielles Verfahren zur Rückführung der Biomasse in den biologischen Prozess, sorgen wir zusätzlich für höheren Ertrag. Diese Verfahren werden auch schon hundertfach in Biogasanlagen umgesetzt und haben die Erträge signifikant gesteigert.
Wie wird sich der Austausch von Komponenten im Kontext der Flexibilisierung entwickeln?
Börgers: Die künftigen Herausforderungen sorgen dafür, dass viele Betreiber sich mit der Flexibilisierung strategisch auf neue Anlagenkonzepte und Komponenten umstellen müssen. Ebenso kann beim turnusmäßigen Austausch des Fermenterdachs auf ein größeres Speichervolumendach gewechselt werden. Es gibt eine Vielzahl von Konzepten und Möglichkeiten, um für jeden Betreiber eine sinnvolle und nachhaltige Zukunftsplanung zu entwickeln und das volle Potential der Anlage auszuschöpfen.