Im Jahr 2017 hat die Zahl der Gerichtsverfahren um Windenergieanlagen in Nordrhein-Westfalen einen neuen Rekordstand erreicht. Das berichtete die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts Münster Dr. Ricarda Brandts beim Jahrespressegespräch am 22. Februar 2018. Die Eingänge von Rechtsmittelverfahren, die immissionsschutzrechtliche Genehmigungen von Windrädern betreffen, haben danach um 60 bis 70 % gegenüber den bereits hohen Werten der beiden vorangegangenen Jahre (2015: 46 Verfahren; 2016: 43 Verfahren) auf 73 Verfahren zugenommen.
Viele Zielkonflikte bei der Windenergie
Die gestiegenen Zahlen sei vor allem Ausdruck der vielfach heftigen Auseinandersetzungen vor Ort bei der Planung und dem Bau von Windenergieanlagen. „Der Streit um die Windkraft ist ein typisches Beispiel dafür, wie sich gesellschaftliche Probleme in verwaltungsgerichtlichen Verfahren spiegeln“, erklärte die Präsidentin. Bei der Windkraft ergäben sich konkurrierende Interessen und Zielkonflikte (Ausbau erneuerbarer Energien - ungestörtes Wohnumfeld - Schutz von Natur und Landschaft), die die Verwaltungsgerichte zum Ausgleich bringen müssten.
"Windkrafterlass ist juristisch nicht haltbar"
Der Vorsitzende Richter am Oberverwaltungsgericht Münster, Max-Jürgen Seibert, hat den Umgang der schwarz-gelben Landesregierung in Nordrhein-Westfalen mit der Windenergie in dem Pressegespräch als „reine Symbol-Politik“ bezeichnet.„Die absurde Kampagne der Landesregierung zum Stopp des Windkraftausbaus in NRW hat einen neuen zweifelhaften Meilenstein erreicht“, erklärt Michael Hübner, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion im Landtag NRW. Nachdem bereits im vergangenen Dezember in einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags rechtliche Zweifel am Vorgehen der Landesregierung geäußert wurden, habe Richter Seibert diese Sichtweise nun bestätigt. „CDU und FDP sind jetzt gefordert, ihren auch juristisch nicht haltbaren Anti-Windkraft-Irrweg umgehend zu verlassen, um Nordrhein-Westfalens Status als Energieland Nummer eins nicht noch weiter zu gefährden!“, sagte Hübner.
FDP will verbindliche Abstandsregelungen
Dem entgegnet der energiepolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Dietmar Brockes: „Der auf der Pressekonferenz angesprochene Windenergieerlass, den die Landesregierung momentan überarbeitet, ist eine Empfehlung an die Kommunen. Der Erlass kann wegen seiner Rechtsnatur keinen verbindlichen Mindestabstand von Windkraftanlagen zur Wohnbebauung festlegen.“ Er enthalte ein, auf immissionsschutzrechtlichen Grundlagen basierendes Fallbeispiel mit einem Abstand von 1.500 Metern. Das solle den Kommunen Orientierung geben und „Faustformeln“ ersetzen.
Gerade die gestiegenen Fälle der gerichtlichen Auseinandersetzungen mit Windkraftanlagen verdeutlichen den politischen Handlungsbedarf. Die NRW-Koalition werde sich daher auf Bundesebene für eine Wiedereinführung der Länderöffnungsklausel im Baurecht einsetzen, mit der ein verbindlicher Mindestabstand festgelegt werden kann. „Für uns gilt weiterhin: Der Ausbau der Windenergie muss in geordnete Bahnen gelenkt werden“, betonte Brockes.