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„Wir müssen Stromerzeugung und Verbrauch gleichzeitig im Blick haben!“

Immer häufiger lösen Stromlieferverträge die EEG-Vergütung ab. Welche Chancen sich Anlagenbetreibern bietet, erläutert Geschäftsführer Thorsten Zörner vom Energieversorger Stromdao.  

Lesezeit: 6 Minuten

Nicht erst seit dem Ukrainekrieg wünschen sich immer mehr Verbraucher Strom aus der Region. Die extrem gestiegenen Strompreise seit letztem Herbst könnten den Markt beflügeln. Wo sieht Ihr Unternehmen Stromdao jetzt Chancen für die Regionalstromvermarktung?

Zörner: Zunächst möchte ich klarstellen, dass wir nicht nur die Erzeugungsseite sehen. Es geht uns nicht nur um die Stromvermarktung. Wir müssen bei der Versorgung mit erneuerbaren Energien immer auch die Verbraucher im Blick haben. Wir haben Stromtarife entwickelt, die in ganz Deutschland regionalen Ökostromverbrauch ermöglichen – postleitzahlgenau. Für den gezielten Verbrauch von regional erzeugtem Ökostrom erhalten Kunden Gutschriften, die ihre Stromrechnung senken. Das ist auch gut für Anlagenbetreiber: Früher haben sie den Strom einfach nur eingespeist und dafür eine Vergütung kassiert. Das ist wie bei der Lieferung von Getreide an den Landhandel oder von Milch an die Molkerei. Wir müssen aber zu einer Art Hofladen kommen, um Menschen im Umkreis mit regionalen Erzeugnissen zu versorgen.

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Welche Rolle spielt Ihr Unternehmen dabei?

Zörner: Anders, als andere Direktvermarkter sehen wir uns als Energieserviceanbieter, der Erzeugung und Verbrauch zusammenbringt. Wir haben sowohl Anlagenbetreiber als auch Verbraucher im Portfolio, die über unser Ökosystem zusammengeführt werden. Ziel ist es, die Kunden optimal mit möglichst viel regionalem erneuerbarem Strom aus Windenergie, Photovoltaik, Biomasse oder Wasserkraft zu versorgen. Dank Digitalisierung und IT wissen unsere Verbraucher viertelstundengenau aus welchen Anlagen ihr Strom geliefert wird. Wir zeigen jedem unserer Kunden im Internet, wo sein Strom erzeugt wird und ob er aus Photovoltaik, Biomasse, Wasser- oder Windkraft erzeugt wird. Die Anzeigen sind praktisch Echtzeit und es gibt eine Vorschau über 36 Stunden, sodass die Kunden ihren Energieverbrauch planen können – für maximalen Ökostromverbrauch aus der Region.

Wer sind dabei Ihre Kunden, die Sie beliefern?

Zörner: Wir beliefern sowohl Privatkunden als auch Gewerbe- und Industriebetriebe. Dabei versuchen wir, jedem Verbraucher eine Erzeugung entgegenzustellen, also beispielsweise ein Industrieunternehmen und ein großer Solarpark in der Region des Industriebetriebs. So bleibt die Wertschöpfung in der Region und Transportverluste werden vermieden. Die zusätzlichen Strommengen liefern wir dann aus unserem Portfolio.

Bisher stand im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) immer das Doppelvermarktungsverbot einer regionalen Stromversorgung entgegen. Es gibt lediglich Herkunftsnachweise. Wie lösen Sie das Problem?

Zörner: Wir bieten statt einer EEG-Vergütung ausschließlich Stromdirektlieferverträge an, also Power-Purchase-Agreements, kurz: PPA. Damit sind wir nicht mehr im EEG und haben auch das Problem der Doppelvermarktung nicht mehr. PPA werden meiner Meinung nach die klassische Direktvermarktung im EEG komplett ablösen.

Wie ist die Laufzeit für PPA-Verträge?

Zörner: In der Regel laufen die Verträge über fünf Jahre.

PPA sind ja bislang nur bei großen Solarparks oder bei Ü20-Windrädern üblich. Wie kann ein Betreiber einer Photovoltaikanlage, wie z.B. ein Landwirt, davon profitieren?

Zörner: Für kleinere Anlagen sind Cloudkonzepte interessant. Wir schauen zunächst, wie der landwirtschaftliche Betrieb seine Eigenstromversorgung optimieren kann. Was dann noch an Strom übrig bleibt kann er ins öffentliche Netz einspeisen. Dafür kann er in Zeiten, in denen seine Anlage keinen Strom liefert, die gleiche Menge wieder aus dem Netz beziehen. Die nötigen Strommengen bekommt er von uns. Wenn er trotzdem noch Überschüsse hat, die er selbst nicht benötigt, vermarkten wir den Strom an andere Verbraucher aus der Region. Anders, als bei der EEG-Vergütung bekommt der Erzeuger einen marktgerechten Preis.

Was bedeutet das?

Zörner: Bei der Photovoltaik ist der Strom beispielsweise zur Mittagszeit kaum etwas wert, weil da die meisten Anlagen viel einspeisen. Das drückt auch die Vergütung. Der Erzeuger muss sich also – anders, als beim EEG – mehr Gedanken machen, wann er den Strom besser selbst verbrauchen und wann er lukrativ einspeisen kann. Eine Möglichkeit ist z. B. eine Lastverschiebung im Betrieb, indem man den Verbrauch möglichst auf die Mittagszeit legt, und in Zeiten, in denen der Bedarf im Netz und damit die Vergütung höher ist, möglichst wenig Strom verbraucht.

Können Speicher dabei helfen?

Zörner: Auf jeden Fall. Wir schreiben keine Speicher vor, aber wir klären mit dem Erzeuger ab, ob es sinnvoll ist. Gerade Betreiber von Photovoltaikanlagen können dann Strom aus der Mittagsspitze in den Speicher laden, wenn sie da Überschüsse haben. Ideal sind aber auch Ost-West oder Nord-Ost-Anlagen, um vor allem morgens früh Strom zur Verfügung zu haben. Da ist Strom mehr wert.

Heißt das, dass auch Betreiber von neuen Anlagen an Sie wenden können?

Zörner: Auf jeden Fall. Bei Neuanlagen können wir ganzheitliche Konzepte gestalten und Erzeugung, Eigenverbrauch und Stromverkauf optimal auf einander abstimmen – z.B. über die Ausrichtung der Solaranlage.

Biogasanlagen profitieren ja im EEG von der Flexprämie bzw. im zweiten Vergütungszeitraum von dem Flexzuschlag. Wie fördern Sie die Flexibilisierung von Anlagen?

Zörner: Der Trend geht ganz klar hin zu virtuellen Kraftwerken, in denen gerade flexible Anlagen wie Biogasanlagen große Chancen haben. Investitionen in Anlagentechnik werden über den Markt finanziert.

Sie wollen jetzt ja, dass sich die Erzeuger mehr marktwirtschaftlich verhalten sollen. Gilt das auch für die Verbraucher?

Zörner: Ja, auch sie sollen anders, als früher mehr über den Verbrauch nachdenken. Das kann man z.B. über die intelligenten Stromzähler (Smart Meter) in Verbindung mit einem Grünstromindex fördern. Der Grünstromindex informiert Verbraucher zwei Tage im Voraus über die zu erwartende Grünstromerzeugung in ihrer Region – der Smart Meter, die jetzt mehr und mehr eingebaut werden, liefern Daten wann der Verbraucher wieviel Grünstrom tatsächlich verbraucht hat und ermöglichen so Bonuskonzepte und Gutschriften. Natürlich müssen Verbraucher dafür umdenken: Bisher war die Stromversorgung selbstverständlich, statisch unpersönlich und abstrakt. Das wird sich ändern. Der Strom kommt noch immer aus der Steckdose, aber er hat plötzlich quasi ein Gesicht. Verbraucher wissen, welche konkreten Erzeugungsanlagen hinter ihrem Verbrauch stehen, z.B. der Windpark oder die Biogasanlage in der Nachbarschaft. Verbraucher auf dem Land werden ihre Stromerzeuger wahrscheinlich sogar persönlich kennen. Ökostrom quasi aus dem Hofladen.

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