„Wir Konsumenten blockieren ein nachhaltigeres, globales Ernährungssystem, indem wir der Landwirtschaft einen Mühlstein aus Vorurteilen, Denkverboten und widersprüchlichen Wünschen um den Hals hängen“, schreiben Sie in Ihrem Buch „Landverstand“. Was meinen Sie damit?
Küntzle: Mir selbst sind Umwelt- und Klimaschutz sehr wichtig. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir sie mit der vorherrschenden Bullerbü-Wunschvorstellung von Landwirtschaft teilweise aktiv verhindern. Viele Zielkonflikte, die Umweltschutzmaßnahmen mit sich bringen, werden gar nicht thematisiert, wissenschaftlich gesehen gute Alternativen außer Acht gelassen.
Wo ist das besonders kritisch?
Küntzle: Nehmen wir das Beispiel Glyphosat: Kaum einer, der das Verbot fordert, stellt sich die Frage, wie Unkraut stattdessen bekämpft werden könnte. Doch die Alternative – der Pflug – beseitigt ebenso alle Pflanzen und stört dazu noch das Leben im Boden massiv. Wie man darin einen Vorteil in Sachen Artenschutz erkennen kann, ist mir ein Rätsel! Ähnlich undurchdacht sind gängige Positionen zu Dünger oder grüner Gentechnik. Zu kurz kommt auch der Aspekt der Versorgungssicherheit. Die landwirtschaftlichen Debatten sind leider oft einseitig.
Woran liegt das?
Küntzle: Das Mantra „Zurück zur Natur“ gilt als etwas besonders Erstrebenswertes, dabei sind Eingriffe in die Natur notwendig, wenn der Mensch nicht hungern oder frieren will. Diese Tatsache wird oft vergessen.
Ihr Buch zeigt viele landwirtschaftliche Zusammenhänge ausführlich auf. Für wen haben Sie es geschrieben?
Küntzle: Mein eigenes städtisches Umfeld ist – so wie ich – grünen Ideen zugeneigt. Bei aller Richtigkeit dieser Ideen möchte ich auch aufzeigen, dass wir uns dabei keine Denkverbote auferlegen sollten. Ein Blick auf die Landwirtschaft ohne Scheuklappen führt bestimmt zu einem besseren Ergebnis.
Gewinnt dieser Ansatz angesichts des Ukraine-Kriegs noch an Aktualität?
Küntzle: Davon bin ich überzeugt. Es war auch schon davor falsch, die Landwirtschaft bei der Verwendung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln immer mehr zu beschneiden, ohne ihr gleichzeitig neue Werkzeuge in die Hände zu geben. Aber es war wohl nie dringlicher als heute, nutzlose Ideologien endlich über Bord zu werfen. Wir müssen der Landwirtschaft schleunigst alles zur Verfügung stellen, was nach rein naturwissenschaftlich-technischen und ökonomischen Kriterien hilft, Umweltschutz und Versorgungssicherheit unter einen Hut zu bekommen. Der Kampf gegen Flächenfraß, Verbauung, Lebensmittelverschwendung und Anreize für reduzierten Fleischkonsum gehören für mich aber genauso dazu.
Ihr Kontakt zur Redaktion: kathrin.hingst@topagrar.com.
NeUes Buch ERscheint
Für mehr Fachverstand
Timo Küntzle ist 47 Jahre alt. Der Agrar- und Wissenschaftsjournalist lebt in Wien und in Weingarten, Baden-Württemberg. Sein Buch „Landverstand“ erscheint am 24. März im Verlag Kremayr und Scheriau und ist für 24 € im Handel erhältlich.
Timo Küntzle
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„Wir Konsumenten blockieren ein nachhaltigeres, globales Ernährungssystem, indem wir der Landwirtschaft einen Mühlstein aus Vorurteilen, Denkverboten und widersprüchlichen Wünschen um den Hals hängen“, schreiben Sie in Ihrem Buch „Landverstand“. Was meinen Sie damit?
Küntzle: Mir selbst sind Umwelt- und Klimaschutz sehr wichtig. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir sie mit der vorherrschenden Bullerbü-Wunschvorstellung von Landwirtschaft teilweise aktiv verhindern. Viele Zielkonflikte, die Umweltschutzmaßnahmen mit sich bringen, werden gar nicht thematisiert, wissenschaftlich gesehen gute Alternativen außer Acht gelassen.
Wo ist das besonders kritisch?
Küntzle: Nehmen wir das Beispiel Glyphosat: Kaum einer, der das Verbot fordert, stellt sich die Frage, wie Unkraut stattdessen bekämpft werden könnte. Doch die Alternative – der Pflug – beseitigt ebenso alle Pflanzen und stört dazu noch das Leben im Boden massiv. Wie man darin einen Vorteil in Sachen Artenschutz erkennen kann, ist mir ein Rätsel! Ähnlich undurchdacht sind gängige Positionen zu Dünger oder grüner Gentechnik. Zu kurz kommt auch der Aspekt der Versorgungssicherheit. Die landwirtschaftlichen Debatten sind leider oft einseitig.
Woran liegt das?
Küntzle: Das Mantra „Zurück zur Natur“ gilt als etwas besonders Erstrebenswertes, dabei sind Eingriffe in die Natur notwendig, wenn der Mensch nicht hungern oder frieren will. Diese Tatsache wird oft vergessen.
Ihr Buch zeigt viele landwirtschaftliche Zusammenhänge ausführlich auf. Für wen haben Sie es geschrieben?
Küntzle: Mein eigenes städtisches Umfeld ist – so wie ich – grünen Ideen zugeneigt. Bei aller Richtigkeit dieser Ideen möchte ich auch aufzeigen, dass wir uns dabei keine Denkverbote auferlegen sollten. Ein Blick auf die Landwirtschaft ohne Scheuklappen führt bestimmt zu einem besseren Ergebnis.
Gewinnt dieser Ansatz angesichts des Ukraine-Kriegs noch an Aktualität?
Küntzle: Davon bin ich überzeugt. Es war auch schon davor falsch, die Landwirtschaft bei der Verwendung von Düngern und Pflanzenschutzmitteln immer mehr zu beschneiden, ohne ihr gleichzeitig neue Werkzeuge in die Hände zu geben. Aber es war wohl nie dringlicher als heute, nutzlose Ideologien endlich über Bord zu werfen. Wir müssen der Landwirtschaft schleunigst alles zur Verfügung stellen, was nach rein naturwissenschaftlich-technischen und ökonomischen Kriterien hilft, Umweltschutz und Versorgungssicherheit unter einen Hut zu bekommen. Der Kampf gegen Flächenfraß, Verbauung, Lebensmittelverschwendung und Anreize für reduzierten Fleischkonsum gehören für mich aber genauso dazu.
Ihr Kontakt zur Redaktion: kathrin.hingst@topagrar.com.
NeUes Buch ERscheint
Für mehr Fachverstand
Timo Küntzle ist 47 Jahre alt. Der Agrar- und Wissenschaftsjournalist lebt in Wien und in Weingarten, Baden-Württemberg. Sein Buch „Landverstand“ erscheint am 24. März im Verlag Kremayr und Scheriau und ist für 24 € im Handel erhältlich.