Dieser Artikel erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.
Besonders krass sind die Marktverwerfungen im Premiumsegment der Bio-, Freiland- und Regionalware. In diesem Bereich gab es in den vergangenen Jahren große Zuwächse. Vor allem die Hühnerhaltung in Mobilställen nahm deutlich zu und profitierte in der Corona-Zeit vom Wunsch der Verbraucher nach regionalen Einkaufserlebnissen und vermehrtem Kochen im eigenen Haushalt.
Umsatz runter – Kosten hoch
Dann kam der Ukraine-Krieg. Lebensmittel und die allgemeine Lebenshaltung wurden sprunghaft teurer. Die Verbraucher begannen zu sparen und greifen seither vermehrt zu den günstigen Sortimenten bzw. Eigenmarken der Supermarktketten und Discounter.
In der Folge kam es zeitweise zu 40%igen Absatzeinbrüchen bei Bioeiern und Hochpreisware. Der Eiermarkt geriet in Schieflage und so mancher Hühnerstall steht seitdem leer. Das liegt auch daran, dass der Einkauf von Eiern der höheren Haltungsstufen leidet, nachdem die Verbraucher wieder vermehrt in Kantinen und Restaurants essen: Dort finden nämlich tendenziell die günstigeren Eier oder gar Flüssigeiprodukte Verwendung.
Für die Geflügelhalter ist das schwer zu verkraften, weil die Produktionskosten im gleichen Zeitraum enorm gestiegen sind. Futter, Einstreu oder Beschäftigungsmaterial sowie Junghennen – alles ist teurer geworden! Hinzu kommen die galoppierenden Energiepreise.
Im Mittel 5 Cent Mehrkosten pro Ei
Die Erzeugung eines Eies hat sich im Schnitt um rund 5 Cent verteuert, rechnete LLH-Fachmann Bernd Grünhaupt kürzlich beim Baulehrschautag auf dem Eichhof des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen (LLH) in Bad Hersfeld vor: Allein durch das gegenüber 2020 etwa 20 €/dt teurere Futter steigen die Produktionskosten um durchschnittlich 3 Cent/Ei.
Außerdem sind die Junghennen deutlich teurer geworden, seit deren Verkaufspreis entweder die In-ovo-Geschlechtsbestimmung oder die Bruderhahnaufzucht quersubventionieren muss. Das macht ein Kostenplus von etwa 1,0 bis 1,5 Cent pro Ei, während die gestiegenen Energiekosten mit mindestens +0,2 Cent zu Buche schlagen. Hinzu kommen höhere Kosten für Versicherungen, Arbeitslöhne und anderes, sodass aktuell im Schnitt mit 5 Cent/Ei höheren Kosten kalkuliert werden muss.
Da fragen sich die Hennenhalter, in welchen Bereichen es noch Einsparpotenziale gibt, die nicht auf Kosten der Leistung gehen? Und sie überlegen, wie sich Umsatzerlöse steigern und Eierkunden zurückgewinnen lassen?
Lösungsansätze gesucht
Die Antworten sind nicht einfach, denn die Inflation zieht weiter an. Viele Verbraucher schauen beim Einkauf noch genauer aufs Geld und suchen gezielt günstige Lebensmittel. Da tun sich viele Eiererzeuger mit Direkt- und Regionalvermarktung schwer, die gestiegenen Kosten konsequent an ihre Kunden weiterzureichen.
Trotzdem geht daran letztlich kein Weg vorbei, erläuterte Birgit Jacquemin von der Landwirtschaftskammer NRW. Auf Dauer können die Betriebe die gestiegenen Kosten nicht allein schultern. „Dann lieber einmal konsequent die Preise erhöhen, als dreimal in kleinen Schritten“, findet die Referentin für Direktvermarktung und Agrarmarketing.
Wichtig sei indessen, dem Kunden regelmäßig den Wert des Produktes zu vermitteln. Dazu gehören Erklärungen zu Produktionsweise, Tierwohl und Umweltschutz ebenso wie ein optisch ansprechendes Verkaufsumfeld. Die Kunden sollen sich beim Einkauf wohlfühlen. Dann bleibt nicht der hohe, aber gerechtfertigte Preis im Gedächtnis, sondern das Erlebnis des Einkaufens und das Gefühl, etwas Richtiges getan zu haben.