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Ende der Geflügelpest ist nicht in Sicht

Das Geflügelpestvirus tritt nicht mehr nur saisonal auf, sondern ist zu einer ständigen Gefahr geworden. Tiere im Freiland und Puten sind besonders bedroht. Was kann jetzt noch helfen?

Lesezeit: 6 Minuten

Dieser Artikel erschien zuerst im Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben.

Noch Mitte November sah Prof. Timm Harder vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) auf der Insel Riems im Gespräch mit dem Wochenblatt eine leichte Entspannung der Vogelgrippesituation bei den Wildvögeln. Allerdings befinden sich die im Sommer stark betroffenen Seevögel aktuell auf ihren Zugrouten, relativierte der Wissenschaftler. Welche Auswirkungen das Geschehen in der Wildvogelpopulation gehabt hat, werde man deshalb erst im nächsten Frühjahr sagen können.

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Beim Hausgeflügel hingegen schießen die Fälle von Geflügelpest im Nachgang einiger Rassegeflügelschauen in mehreren Bundesländern aktuell in die Höhe. Mehr als 50 Ausbrüche bzw. Verdachtsfälle führt das Landwirtschaftsministerium in Mecklenburg-Vorpommern auf eine Geflügelschau in Demmin zurück. Über den Kauf von Tieren soll die Infektion verschleppt worden sein, u. A. nach Ostwestfalen.

Der Virustyp H5N1 ist überlegen

Für den Winter geht Harder von einem hohen Eintragsrisiko in Geflügelbestände aus. So ist es auch in der aktuellen Risikoeinschätzung des FLI nachzulesen. „Durch frisch eintreffende Wildvögel erhält das Virus wieder neuen Treibstoff“, erklärt er. Die Zahl der Ausbrüche bei Nutz- und Hausgeflügel habe in ganz Europa ­zugenommen. Die aktuell vorherrschende Variante ist das H5N1-Virus. Im Frühjahr hatte Harder noch eine große Vielfalt des Aviären Influenzavirus (AI) beobachtet. Zwölf verschiedene Genotypen konnten die Wissenschaftler vom Nationalen Referenzlabor nachweisen.

Es hat sich das Virus behauptet, das Vorteile hat.
Prof. Timm Harder, Friedrich-Loeffler-Institut

Im Sommer hatte sich die Zahl der Genotypen bereits auf zwei reduziert. Und seit dem Herbst hat sich ein einzelner Genotyp des H5N1-Virus als alleinige Variante durchgesetzt. Als bedenklich sieht Harder das nicht an. Es bedeute lediglich, dass die Evolution funktioniere, erklärt er. „Es hat sich das Virus behauptet, das Vorteile hat.“ Welche das sind, das würde Harder mit seinem Team gerne herausfinden. Am Genom ablesen kann man das jedoch nicht. Deshalb werden am FLI ­Versuche an Enten durchgeführt, bei denen ­untersucht wird, ob das H5N1-Virus länger oder womöglich mit einem höheren Titer ausgeschieden wird.

Auf Sentineltiere kein Verlass mehr?

Das Wesen des Virus soll sich Beobachtungen in Ostwestfalen zufolge verändert haben. In den dort häufig anzutreffenden Betrieben mit mehreren Geflügelarten werden oftmals Legehennen zusammen mit Wassergeflügel gehalten. Die Legehennen dienen als sogenannte „Sentineltiere“ mit Früherkennungsfunktion und sollen die Virussituation abklären. Während das Wassergeflügel resistent sein kann, erkranken Legehennen am Geflügelpestvirus. Doch diese Methode scheint nicht mehr verlässlich.

Strenge Vorgaben



Geflügelpest ist eine anzeigepflichtige Tierseuche. Sie gilt bislang als nicht heimische Tierseuche der Kategorie A. Die Krankheit ist für Geflügel sehr ansteckend und verläuft meist tödlich. Betroffene Tiere leiden an hohem Fieber, Appetitlosigkeit, Schwäche und Atemnot. Zeigen die Tiere solche Symptome und weist das Landeslabor eine potenziell hochpathogene Variante H5 oder H7 nach, muss der betroffene Bestand getötet werden. Dies geschieht mit den nach der Tierschutzschlacht-Verordnung für Geflügel zugelassenen Tötungsverfahren, vorwiegend durch die Begasung mit CO2. Vom Nationalen Referenzlabor des FLI wird der genaue Subtyp bestimmt und geklärt, ob es sich um eine hoch- oder niedrigpathogene Variante handelt.



Beim Nachweis der Geflügelpest wird um den Ausbruchsbetrieb eine Sperrzone eingerichtet, die aus einer Schutzzone mit einem Radius von 3 km um den Ausbruchsbetrieb und einer 10-km-Überwachungszone besteht. Die Überwachungszone kann frühestens nach 30 Tagen aufgehoben werden. Für die Betriebe in den Zonen gelten verschärfte Auflagen. Sie dürfen beispielsweise keine Tiere einstallen. Und jede Tierverbringung, zum Beispiel zur Schlachtung, ist genehmigungspflichtig.



In Deutschland gibt es aktuell Überlegungen, bei der EU zu beantragen, die Geflügelpest in Kategorie B – heimische Seuche – einzustufen. Dann könnten die Sperrzonen örtlich und auch zeitlich enger gefasst werden.

Harder erklärt, dass auch am FLI bereits seit einiger Zeit Veränderungen beobachtet werden und es unklar sei, ob dieses System überhaupt noch funktioniere. Das hat aus seiner Sicht jedoch nichts damit zu tun, dass die Hühner nicht weiterhin empfänglich für das Virus wären. Vielmehr zeige sich, dass Enten, Gänse und Hühner sich im Stall getrennt halten und aus dem Weg gehen – somit finde der Austausch von Viren zwischen diesen Arten nicht unbedingt statt.

Fest steht indessen, dass das Virus weltweit einen tödlichen Siegeszug angetreten hat. In den USA hat es 2022 mehr als 600 Ausbrüche gegeben. „Es herrscht dort Land unter“, sagt Harder. In Europa sind besonders Frankreich, Italien, die Niederlande und Deutschland betroffen.

Bekannt ist, dass das Virus auch auf andere Tierarten wie Otter oder Seehunde übergehen kann, die dann teilweise schwer erkranken oder sterben. Auch Menschen wurden schon infiziert. Es gibt Berichte zu Fällen in England, China, den USA und zuletzt auch Spanien. Dort wurde das Virus in der Nase von Menschen nachgewiesen, die bei Bestandsräumungen dabei waren. Aber es bleiben Zweifel, ob eine echte Infektion vorliegt, sagt Harder, weil keine Antikörper nachgewiesen wurden. Diese Menschen waren jedenfalls nicht erkrankt. Harder gibt aber zu bedenken, dass Menschen mit intensivem Kontakt zu infiziertem Geflügel generell gefährdet sind.

Vogelgrippe oder Geflügelpest?

Aviäre Influenzaviren treten in zwei Varianten auf: gering- oder hochpathogen. Es gibt verschiedene Subtypen, die durch zwei Oberflächenproteine bestimmt werden. Das Hämagglutinin (H) tritt in 16 Varianten, die Neuraminidase (N) in neun Varianten auf. Diese können somit in 144 verschiedenen Formen kombiniert und übertragen werden. Geringpathogene Aviäre Influenzaviren der Subtypen H5 und H7 verursachen bei Hausgeflügel, insbesondere bei Enten und Gänsen, kaum oder nur milde Krankheitssymptome. In diesem Fall spricht man von schwachpathogener Aviärer Influenza oder auch Vogelgrippe (LPAI). Allerdings können diese Viren auch zu einer hoch­pathogenen Form mutieren, die sich dann als hochpathogene Aviäre Influenza (HPAI), umgangssprachlich Geflügelpest, zeigt.

Verordnung zur Impfung überarbeitet

Ist also eine Impfung des Geflügels die letzte Rettung? Aufgrund des hohen Infektionsdruckes geht Harder davon aus, dass die Biosicherheitsmaßnahmen alleine nicht mehr ausreichen. „Eine Impfung als zweite Schutzhülle macht Sinn“, sagt er. Eine vorbeugende Impfung ist derzeit jedoch in der EU verboten. Ein Grund dafür ist, dass geimpfte Tiere sich dennoch infizieren und das Virus unerkannt weitergeben können.

Doch inzwischen ist der Druck so groß, dass in mehreren EU-Ländern Impfversuche angelaufen sind. Eine bereits überarbeitete EU-Verordnung könnte im Frühjahr 2023 in Kraft treten. Sie erlaubt Impfungen mit Markerimpfstoffen. Diese müssen zwar jedem Tier injiziert werden, ermöglichen aber die Unterscheidung zwischen geimpften und infizierten Tieren.

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