Wie kann das Fangen von Masthühnern so gestaltet werden, dass es sowohl das Tierwohl verbessert als auch die körperliche Belastung für Mitarbeiter reduziert und zugleich wirtschaftlich sinnvoll bleibt? Mit dieser Frage befasste sich ein gemeinsames Webinar von BroilerNet und aWISH. Rund 80 Teilnehmer aus Praxis, Beratung und Wissenschaft verfolgten die zweistündige internationale Online-Veranstaltung.
Was machen die Projekte?
Zum Einstieg gaben die Koordinatoren und Projektpartner Stefan Gunnarsson und Simon Verlinde einen Überblick über die Arbeit der beiden Projekte.
Während BroilerNet gezielt praxiserprobte Fangmethoden und Tierwohlmaßnahmen identifiziert und verbreitet, entwickelt aWISH automatisierte Indikatoren zur Erfassung des Tierwohls im Schlachthof, um daraus gezielte Verbesserungen entlang der gesamten Produktionskette abzuleiten. Beide Projekte werden im Rahmen von Horizon Europe gefördert.
Drei Fangmethoden in Praxisalltag verglichen
Prof. Frank Tuyttens vom ILVO (Belgien) stellte eine neue wissenschaftliche Feldstudie vor, die erstmals drei gängige Fangmethoden unter realen Praxisbedingungen umfassend verglichen hat: das klassische Fangen, bei dem die Tiere an den Beinen kopfüber getragen werden, das aufrechte Fangen, bei dem ein bis zwei Tiere mit gestützten Flügeln aufrecht getragen werden, sowie das mechanische Fangen mithilfe einer Fanganlage.
Pro Methode wurden je ca. 5.000 Tiere gefangen. Bewertet wurden dabei Tierwohl, Ergonomie und Kosten.
Die Ergebnisse
Aufrechtes Fangen führt zu weniger Flügelschlagen und einer besseren Interaktion zwischen Mensch und Tier. Mechanisches Fangen verursacht zwar häufiger Verletzungen, bietet aber die besten Arbeitsbedingungen für das Personal. Das klassische Fangen ist am kostengünstigsten, verursacht jedoch mehr Stress für die Tiere.
Das aufrechte Verfahren ist etwa 1,5 Mal so teuer wie das klassische, das mechanische rund 1,2-mal. Pro kg Lebendgewicht lagen die Mehrkosten bei 0,012 € (aufrecht) bzw. 0,006 € (mechanisch). Ab einer Herdengröße von etwa 70.000 Tieren wird das mechanische Fangen günstiger als das klassische. Mechanik spart zudem am meisten Zeit, während das aufrechte Fangen am längsten dauert. Tuyttens betonte, dass ein gutes System Tierwohl, Arbeitsbedingungen und Ökonomie zusammenbringen muss.
Best Practice-Beispiel aus Slowenien
Prof. Dr. Manja Zupan Šemrov von der Universität Ljubljana (Slowenien) stellte als Best Practice ein mechanisches Fangsystem aus Slowenien vor, das mit vibrationsarmen Förderbändern arbeitet und bis zu 36 Tonnen Lebendgewicht pro Stunde mit nur zwei Personen verladen kann.
In Slowenien wird das System genossenschaftlich betrieben, wobei sich die Investition von rund 190.000 Euro nach fünf bis sieben Jahren amortisiert. Der gleichmäßige Bewegungsablauf sorgt für einen schonenden Transport der Tiere. Gleichzeitig werden die körperliche Belastung der Mitarbeiter deutlich reduziert und der Personalbedarf halbiert. Allerdings sei das System sehr wartungsintensiv und verlange eine gute Schulung der Mitarbeiter, zudem erkennt die Maschine Verletzungen bei Tieren nicht automatisch.
Weniger Stress durch Blaulicht, Elektrolytgabe, kürzere Sammelwege
Dr. Zoi Prentza, Tierärztin bei der griechischen Genossenschaft Pindos, präsentierte ein praxisbewährtes Maßnahmenpaket, das Stress und Verletzungen beim Fangen deutlich verringern kann. Dazu zählen die Gabe von Antioxidantien und Elektrolyten einige Tage vor dem Fang, gezielte Schulungen der Mitarbeitender, unangekündigte Tierwohlkontrollen, der Einsatz von beruhigendem Blaulicht sowie die Verbesserung der Stallstruktur durch mehr Sammelpunkte und kürzere Wege.
Diese Maßnahmen wirken sich positiv auf das Tierwohl, das Stallklima und die Fleischqualität aus. Wirtschaftlich sind die Effekte moderat, aber sie stärken das Vertrauen von Verbrauchern und Vermarktungspartnern.
In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass technische Lösungen wie mechanisches Fangen zwar Vorteile bietet, doch ohne gut geschultes Personal und eine bewusste Umsetzung bleiben viele Potenziale ungenutzt. Das Webinar zeigte, dass es nicht die eine perfekte Methode gibt. Jede Fangart hat spezifische Vor- und Nachteile. Entscheidend ist der betriebliche Kontext und der Wille zur kontinuierlichen Verbesserung.
Weitere Informationen zu den Projekten und ihren Ergebnissen finden sie hier: https://broilernet.eu/knowledge-hub/