top agrar: Herr Ruff, was hat Sie bewogen, zur Firma Heidemark zu wechseln und damit in den Geflügelsektor einzusteigen?
Ruff: Geflügelfleisch ist ein spannender und wachsender Markt. Im Gegensatz zum Schweine- und Rindfleischmarkt, der sich stark konzentriert und schrumpft, herrscht im Geflügelbereich Aufbruchstimmung – trotz der schwierigen politischen und genehmigungsrechtlichen Rahmenbedingungen. Ich sehe gerade darin eine unternehmerische Herausforderung mit viel Zukunftspotenzial.
Neue Führungsstruktur und Einstieg ins Hähnchengeschäft
Heidemark ist ein inhabergeführtes Unternehmen. Welche Aufgaben übernehmen Sie künftig, und wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit der bisherigen Geschäftsführung?
Ruff: Die Eigentümerfamilie hat sich entschieden, sich aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen. Künftig wird sie über Gesellschafter- und Beiratsrollen strategisch eingebunden bleiben. Meine Aufgabe wird es sein, das Unternehmen mit einem schlagkräftigen Managementteam in eine neue Führungsstruktur zu überführen. Dazu zählen auch die Einführung eines Beirats, wie ich es bereits in früheren Stationen erfolgreich begleitet habe.
Ein zentraler Punkt Ihrer Arbeit wird die Unternehmensentwicklung sein. Heidemark wird künftig auch Hähnchen schlachten. Warum dieser Schritt?
Ruff: Heidemark ist Marktführer im Putenbereich. Der Hähnchenmarkt bietet zusätzliche Wachstumsperspektiven und passt strategisch sehr gut zu unserem Portfolio: Es ist ebenfalls weißes Fleisch, das beim Verbraucher als gesund gilt. Für uns ist das eine logische Erweiterung unserer Aktivitäten in einem dynamischen Markt.
Unternehmen wird wachsen
Werden Hähnchen und Puten künftig an einem Standort geschlachtet?
Ruff: Wir haben gerade erst die Genehmigung bekommen, in Ahlhorn Pute und Hähnchen zu schlachten. Mit der Übernahme von Gut Bergmark haben wir nun auch einen Hähnchenschlachthof. Da wir in Ahlhorn mit ca. 90% gut ausgelastet sind, werden wir in den kommenden Monaten die diesbezügliche Ausrichtung definieren. Ziel ist es nicht, bestehende Kapazitäten zu konsolidieren, sondern das Unternehmen insgesamt weiter wachsen zu lassen.
Wie wollen Sie sich von den beiden großen Wettbewerbern im Hähnchensektor abheben?
Ruff: Derzeit sind wir noch in der Vorbereitungsphase. Die Genehmigung liegt seit Januar vor, aber es wird noch rund zwei Jahre dauern, bis wir in die konkrete Umsetzung und Vermarktung gehen. Es ist noch zu früh, um Details zu nennen.
Wir suchen aktiv Mäster
Zurück zur Pute: Suchen Sie weiterhin neue Mastbetriebe?
Ruff: Ja, wir wollen im Putenbereich weiter wachsen. Weißfleisch ist gefragt, insbesondere bei höherwertigen Haltungsformen. Wir suchen aktiv Mäster, idealerweise für Haltungsform (HF) 2 und 3. Die Pute eignet sich sehr gut für HF3: Der Mehraufwand ist vergleichsweise gering, etwa durch den Anbau eines Wintergartens. Zudem bleibt die Tierzahl stabil, und die Umstellung ist reversibel. Aktuell liegt unser HF3-Anteil bei etwa 15 %, und wir rechnen mit einem wachsenden Markt, auch weil führende LEHs ab 2030 überwiegend HF3-Produkte im Sortiment führen wollen.
Während der Geflügelfleischkonsum insgesamt steigt, stagniert der Putenverzehr. Woran liegt das, und wie wollen Sie gegensteuern?
Ruff: Im Gegensatz zu anderen Fleischarten geht der Putenverbrauch immerhin nicht zurück. Trotzdem müssen wir kreativer werden, sowohl bei Produkten wie auch in der Vermarktung. Wir haben unsere Marketingaktivitäten bereits verstärkt und möchten Pute wieder stärker als gesunde und attraktive Alternative positionieren. Dafür braucht es neue Ideen, Zuschnitte und mehr Sichtbarkeit im Handel.
Politik muss Perspektiven und Planbarkeit zurückbringen
Wie bewerten Sie die politischen Rahmenbedingungen für die Tierhaltung? Was müsste sich ändern, um Investitionen in Tierwohl und Nachhaltigkeit zu erleichtern?
Ruff: Entscheidend ist Planbarkeit. Ohne klare Perspektiven, etwa beim Bau- und Emissionsrecht, bleiben viele Investitionen aus. Es fehlt an einheitlicher und praktikabler Genehmigungspraxis. Aber der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung macht Hoffnung. Gleichzeitig steigen die Importe. Wer wirklich auf Tierwohl und Nachhaltigkeit setzt, muss auch regionale Produktion – und damit 5D – stärken. Hier ist die Politik gefordert, klare Anreize und Schutzmechanismen zu schaffen.
Können Sie uns einige Kennzahlen nennen? Wie viele Puten werden aktuell geschlachtet – und welche Mengen sind künftig im Hähnchenbereich geplant?
Ruff: 713 Mio. € Umsatz in 2023 und rund 14 Mio. geschlachtete Puten pro Jahr – das sind unsere aktuellen Kennzahlen. Die aktuellen Schlachtzahlen für Hähnchen bei Gut Bergmark liegen bei 11 Millionen Stück. Über geplante Schlachtzahlen im Hähnchenbereich können wir derzeit noch keine Auskunft geben.
Abschließend: Wenn wir in einem Jahr wieder miteinander sprechen, woran würden Sie persönlich erkennen, dass Ihr Einstieg bei Heidemark erfolgreich war?
Ruff: Wenn es uns gelingt, vom Puten-Spezialisten zum schlagkräftigen Geflügel-Vermarkter zu werden, dann war der Einstieg für mich ein Erfolg. Und wenn unsere Landwirte wieder mit Zuversicht in die Zukunft blicken. Der politische Rahmen muss verlässlich sein, damit wir gemeinsam gestalten können. Wenn das gelingt, war es ein guter Start.