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Moorbewirtschaftung

"Moorschutz hat viele Facetten"

Mögliche Strategien und Herausforderungen bei der Moorbewirtschaftung erläutert Uwe Schröder, Koordinator für klimaschutzorientierte landwirtschaftliche Moorflächenbewirtschaftung.

Lesezeit: 11 Minuten

Wie muss man sich die Wiedervernässung praktisch vorstellen? Welche Methoden haben sich als praxistauglich erwiesen?

Schröder: Das Vorgehen bei einer Wiedervernässung hängt von den Standortverhältnissen ab, es gibt dafür keinen Standard. Grob kann man aber zwischen dem Einstau über Wasserrückhalt von zufließendem Wasser mithilfe von Wehren und dem Rückhalt von Niederschlagswasser unterscheiden. Letzteres bedeutet vielfach einen winterlichen Überstau. Voraussetzung für eine gleichmäßige Vernässung des Torfkörpers ist, dass die Flächen möglichst eben sind. Schwarztorf oder Mudden können den Torfkörper nach unten abdichten, so dass der Moorwasserstand unabhängig vom Grundwasserstand angehoben werden kann. Kommen solche wasserstauenden Schichten nicht vor, ist eine Vernässung deutlich schwieriger umzusetzen, da der Grundwasserstand insgesamt angehoben werden muss.

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Die Praktikabilität von Maßnahmen misst sich auch an den möglichen Auswirkungen auf den Hochwasserschutz. Zunehmende Starkregenereignisse machen eine kurzfristige Aufnahmekapazität von bis zu 200 mm Regen in der Fläche notwendig. Vernässte Flächen können aber deutlich weniger oder gar kein zusätzliches Wasser aufnehmen. Daher sollte der Hochwasserschutz immer mitgedacht und entsprechende Akteure, wie z.B. Boden- und Wasserverbände frühzeitig beteiligt werden.

Welche Böden sind besonders geeignet?

Schröder: Grundsätzlich eignen sich naturgemäß Moorgebiete, die unterhalb des Meeresspiegels liegen, besonders für eine Wiedervernässung, insbesondere, wenn Investitionen für eine Modernisierung der Wassersteuerung und Pumpentechnik erforderlich sind. Muss man für eine ausreichende Wasserverfügbarkeit Regenrückhaltebecken anlegen und das Wasser pumpen, können Vernässungen sehr teuer werden.

Zudem ist es in Niedermooren zumeist leichter, die Wasserstände anzuheben, da diese Moore entstehungsbedingt einen natürlichen Wasserzufluss haben. Hochmoore, deren Entstehung allein auf einen Überschuss an Niederschlagswasser zurückzuführen ist, sind dagegen schwieriger zu vernässen. Sie sind zumeist grundwasserfern und eine Vernässung ist nur über den Rückhalt von Niederschlagswasser möglich.

Stark degenerierte Torfe haben eine geringe Wasserleitfähigkeit. Wird auf solchen Flächen das Wasser über Gräben eingestaut, führt dies nicht zu einer gleichmäßigen Vernässung, da das Wasser aus den Gräben nicht in die gesamte Fläche vordringen kann.

Wie geht man bei der Vernässung vor?

Schröder: Als „Einstiegsmaßnahme‘“ empfiehlt sich der Grabeneinstau, dieser wird ab 2023 über eine Agrarumwelt- und Klimamaßnahme (AUKM) in Niedersachsen gefördert. Bei Mooren mit geringer Wasserleitfähigkeit kann man den Einstau über Drainagerohre unterstützen. In diesem Fall spricht man von einer Unterflurbewässerung.

Lassen sich auch Ackerflächen vernässen? Und gibt es Moorflächen, die sich nicht zur Wiedervernässung eignen?

Schröder: Eine Ackernutzung im Moor ist umstritten und gilt nicht als gute fachliche Praxis. Dies begründet sich vor allem durch die noch schnellere Mineralisation vom Torf. In der Folge können die Böden stark degradieren, wodurch eine landwirtschaftliche Nutzung zusätzlich erschwert wird. Leider lässt sich der Mineralisationsprozess auf Mooracker auch nicht mit hohen Grundwasserständen verlangsamen. Um den Boden wenden zu können, muss der Wasserstand zumindest temporär niedrig sein. Zusammen mit dem Eintrag von Sauerstoff und Nährstoffen kann man für den Klimaschutz hier nichts erreichen. Zudem ist die Tragfähigkeit von vernässtem Mooracker im Vergleich zum Grünland sehr schlecht, da die schützende Grasnarbe fehlt.

Die Vernässbarkeit von Moorflächen ist in erster Linie von der Wasserverfügbarkeit abhängig. Allerdings gibt es Moorflächen, die Wasser bereits nur noch sehr langsam aufnehmen und im Sommer Trocknungsrisse bilden. Hier wird es dann schwierig, Landwirtschaft zu betreiben oder Ziele des Klima- und Artenschutzes zu erreichen. Eine Fortführung der landwirtschaftlichen Nutzung ist auf solchen Flächen nur bei Durchführung entsprechender Meliorationsmaßnahmen möglich.

Ist nicht zu befürchten, dass in den ersten Jahren durch die Wiedervernässung sehr viel Methan entsteht?

Schröder: Methan entsteht durch den Abbau von Biomasse unter Sauerstoffabschluss. Sobald über dem wassergesättigten Bereich ein durchlüfteter Bodenbereich liegt, wird das Methan im Boden wieder abgebaut, bevor es in die Atmosphäre gelangt. Daher ist es also eher ein Problem der Gräben und von Nutzungsformen, die auf sehr hohe Wasserstände oder einen geringen Überstau angewiesen sind.

Wenn die Fläche nass ist: Welche landwirtschaftliche Produktion ist dann noch möglich?

Schröder: Das hängt vom Wasserstand unter Flur ab. Als groben Anhaltspunkt kann man für die Grenze der Bewirtschaftbarkeit ca. 30 cm unter Flur annehmen. Allerdings bieten beispielsweise Kettenfahrzeuge die Möglichkeit, auch noch bei höheren Grundwasserständen eine Fläche zu befahren. Denkbar ist die Nutzung als Feuchtgrünland oder der Anbau von feuchtigkeitsliebenden Pflanzen (Paludikultur). Neben der landwirtschaftlichen Nutzung bietet sich die Anlage von Freiflächen-Photovoltaik bei gleichzeitiger Vernässung an. Dies ist aber nur wirtschaftlich, wenn in der Nähe die Netzeinspeisung möglich ist.

Wie ändert sich die Weidewirtschaft im Vergleich zum herkömmlichen Grünland?

Schröder: Bei der Viehhaltung auf nassen Böden denkt man meist an Wasserbüffel. Aber wie alle Huftiere vertragen sie keine ständige Nässe, weil das u.a. zu Klauenkrankheiten führt. Die Tiere können zwar in nassen Regionen weiden, brauchen aber auch trockene Bereiche. Wir haben in den Niederlanden Weiden auf Moorböden mit einem hohen Wasserstand gesehen, bei denen die Grasnarbe fest und tragfähig war. Bei Bohrungen war deutlich zu merken, dass der Eindringwiderstand im durchwurzelten Bodenbereich erheblich höher ist. Das ist nicht auf allen Standorten und Böden möglich. Neben der Weidehaltung braucht der Landwirt dann auch eine entsprechende Logistik für die Schlachtung sowie eine Vermarktungsschiene für das Fleisch.

Was können wir von den Niederländern bei der Weidewirtschaft lernen?

Schröder: Je nach Moorboden kann man einem Durchtritt über Portionsbeweidung entgegenwirken, wie die Erfahrungen der Niederländer beweisen.

Ein Teil vom Weideland wird hier im Umtrieb beweidet. Die Kühe werden über einen Wirtschaftsweg von hinten an die Flächen herangeführt und arbeiten sich über den Tag auf der Weide nach vorne. Dies verhindert Trittschäden. Jede Fläche wird nur alle vier Tage für einen Tag beweidet. Auch dadurch verhindert man Trittschäden und das Gras kann sich immer wieder erholen.

Wie wirtschaftlich ist die Paludikultur als Alternative?

Schröder: Eine Bewirtschaftung als Paludikultur kollidiert oft mit vielen Schutzinteressen und ist eigentlich nur auf vernässbaren Moorackerflächen ohne großen Aufwand umsetzbar. Zudem greift bei Paludikulturen dann die Düngeverordnung, die eine Düngung auf überschwemmten und wassergesättigten Böden ausschließt. Entsprechend niedrig sind die Trockenmasseerträge. Auf vernässtem Dauergrünland, das bereits als Paludikultur einstufbar ist, kann man dann teils nur noch 3 bis 4 t Trockenmasse ernten, was die Wertschöpfung stark einschränkt. Allerdings kann eine Weiterverarbeitung über Auffaserung und Fertigung von Bauplatten oder Isolationsmaterial eventuell mittelfristig wirtschaftlich werden.

Lässt sich der Aufwuchs auch vergären?

Schröder: Eine Nutzung von diesem Landschaftspflegematerial in Biogasanlagen empfiehlt sich nicht und ist auch nicht wirtschaftlich. Das faserige Material beschädigt die Technik und führt zu Schwimmschichten und Pumpproblemen. Zudem steht der Bewirtschaftungsaufwand in einem Missverhältnis zur Erntemenge. Kleinere Anteile in der Futterration von Biogasanlagen sind aber möglich.

Sie haben auch Photovoltaikanlagen als Option genannt. Wie praxistauglich ist das?

Schröder: Unter dem Stichwort „Moor-PV“ strebt auch die Bundesregierung diese Strategie an. Über die Erlöse aus dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz fließt Wertschöpfung in Moorregionen. Allerdings ist das Thema technisch erst im Anfangsstadium. So ist zu klären, ob eine Wiedervernässung erst nach dem Bau der Anlagen erfolgen muss und ob wechselnde Wasserstände zur Korrosion an den Gestellen führen. Natürlich kann man auch nicht wie gewohnt gründen. Durchbricht man wasserstauende Schichten, kann evtl. anschließend nicht mehr wiedervernässt werden.

Wie ist die Akzeptanz der Landwirte bezüglich Wiedervernässung?

Schröder: Der Klimawandel trifft die Landwirtschaft auf vielen Ebenen und ist damit längst Teil betrieblicher Entscheidungen. Allerdings erwarten die Betriebe, die teils gerade erst die Ansiedelung und Urbarmachung der Moorflächen abgezahlt haben, eine auskömmliche Abfindung oder Ausweichflächen für die Reduktion der Nutzungsintensität oder den Verzicht auf die Moorflächenbewirtschaftung.

Mittelfristig könnte ein Wassermanagement auf Grünlandflächen aber auch helfen, Hitzeperioden mit wenig Niederschlag zu überstehen und so die Grasnarbe zu schützen. Davon würden Betriebe dann sogar profitieren. Das Thema hat also verschiedene Facetten.

Die Wiedervernässung führt meist zu Ertragsverlusten und macht eine neue Bewirtschaftung nötig. Welche Kompensation wäre nötig, um die Landwirte zur freiwilligen Teilnahme zu bewegen?

Schröder: Aus Sicht der Landwirte muss das Betriebsergebnis am Ende des Wirtschaftsjahres stimmen. Aktuell kommen viele Auflagen gleichzeitig, dazu verändert der Ukrainekrieg nochmals die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Dürrejahre und Mauskalamitäten haben die Bilanzen der letzten Jahre verschlechtert, was auch zu Lasten der Flexibilität geht. Aus eigener Kraft ist derzeit also keine Transformation zur klimaschonenden Moorbewirtschaftung zu erwarten. Eine Kompensation sollte genügend Anreiz bieten, die aktuellen Preissteigerungen berücksichtigen und vielversprechende Alternativen aufzeigen.

Mit welchen Beträgen könnten Landwirte rechnen?

Schröder: Das lässt sich im Moment nur spekulieren. Es gibt beispielsweise Studien, die zeigen, dass man mit der Einsparung von 1 t CO₂ 100 € bis 200 € an volkswirtschaftlichen Folgekosten einspart. Das bedeutet im Umkehrschluss: Würde man bei der Vernässung von Grünland 30 t CO₂/ha einsparen, wären das bei 100 €/t etwa 3.000 €/ha und Jahr. Das wäre sehr attraktiv für die Landwirtschaft. Dazu müsste die Gesellschaft aber bereit sein, so hohe Kosten aufzuwenden – z.B. im Rahmen des Emissionshandels. Es wäre eine marktwirtschaftliche Komponente, die dafür sorgt, dass Maßnahmen mit hoher CO₂-Einsparung besonders hohe Erlöse versprechen.

Gleichzeitig ist aber auch ein zunehmendes Interesse an Agrarfläche für nachwachsende Rohstoffe zu verzeichnen. Mit jedem neuen Produkt wächst der Flächenbedarf, was die Preise für Agrarprodukte ansteigen lassen dürfte. In diesem Zuge werden auch Produkte aus Paludikultur interessanter bzw. die Erlöse höher.

Welche Strategie schlagen Sie für das weitere Vorgehen vor?

Schröder: Wichtig ist in jeder Region, das Gespräch mit den Landwirten zu suchen und keine Lösung von oben anzuordnen. Denkbar sind zwei Strategien: Man extensiviert alle Flächen ein wenig, um flächendeckend CO₂ zu reduzieren – oder man beschränkt sich bei der Wiedervernässung auf bestimmte Flächen, die ohnehin schwer zu bewirtschaften sind. Es gibt immer wieder Landwirte, die bereit sind, extensiv zu wirtschaften, während andere z.B. gerade erst einen Stall gebaut haben und für dessen Refinanzierung auf entsprechende Erträge angewiesen sind. Ohne Düngung und Nachsaat z.B. wäre eine Bewirtschaftung für sie nicht möglich. Im Rahmen einer Flurbereinigung mit Flächentausch könnte man z.B. die Wiedervernässung auf bestimmte Flächen konzentrieren und dort die maximale CO₂-Einsparung vornehmen. Solche Beispiele gibt es aber bislang noch nicht.

Wichtig ist, dass der Moorschutz nicht bestehenden Naturschutzkonzepten zuwiderläuft, z.B. beim Wiesenvogelschutz. Zudem darf er nicht dazu führen, dass die Weidehaltung von Milchkühen zurückgeht.

Die Wiedervernässung hat nicht nur Klimaschutzgründe. So plant die EU damit eine Wiederherstellung der Natur. Aber kann ein wiedervernässtes Moor jemals wieder so werden wie ein naturbelassenes?

Schröder: Wir fangen gerade an, Ökosysteme in ihrer Komplexität zu verstehen. Heute weiß man, dass beispielsweise Pflanzen mit Insekten vielfältig kommunizieren. Ein Ökosystem, welches über Jahrtausende entstanden ist, kann man nicht in ein paar Jahren wiederherstellen. Schnelle Erfolge erreicht man durch die aktive Restaurierung, beispielsweise im Bereich von Naturschutzgrünland mit Saatgutübertragung. Es macht also durchaus Sinn, das angestrebte Ökosystem landschaftsbaulich zu kultivieren. Degradationsprozesse, die im Torfkörper aufgrund der Entwässerung stattgefunden haben, sind jedoch vielfach nicht umkehrbar. Zudem sind die natürlichen Nährstoffgehalte, insbesondere in Hochmooren, häufig grundlegend verändert, was die Ansiedlung einer naturnahen Vegetation erheblich erschweren kann. Daneben haben sich aber auch Umweltbedingungen verändert. Vor allem das Klima bedingt veränderte Anpassungen der verschiedenen Arten. Beispielhaft seien hier wärmere Frühjahre mit Nachtfrostereignissen und Verschiebung der Niederschläge in die Wintermonate genannt. Aber auch der Eintrag von Umweltgiften erschwert eine Renaturierung. Ein natürliches Moor von vor 100 Jahren ist an die heutigen Bedingungen nicht mehr optimal angepasst – es entwickeln sich neue, angepasste Ökosysteme.

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