Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

Wie geht es den Bäumen in Höxter?

Lesezeit: 9 Minuten

Im letzten Jahr haben wir einen Forstbetrieb in Höxter bei der Wiederaufforstung von 70 ha Kalamitätsflächen besucht. Seit 2018 wurden 230000 Großpflanzen gesetzt. Wie hat sich die Waldsituation entwickelt und wie schlagen sich die jungen Kulturen?


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Ein kühler April, ein feuchter Mai – Wolfgang Freiherr von Wolff-Metternich kann dem Wetter im Frühjahr 2021 viel abgewinnen. Für unser Forstmagazin 2020 hatten wir den Betrieb im ostwestfälischen Höxter im Frühjahr des letzten Jahres erstmals besucht. Ende Mai dieses Jahres waren wir wieder in den Wäldern des Betriebes unterwegs.


Das Gut Maygadessen in Höxter-Gondelheim umfasst u.a. 350ha Wald mit der Hauptbaumart Buche. Außerdem betreut Förster Wolff-Metternich noch drei weitere Reviere in der Region für deren Besitzer.


Bei unserem ersten Besuch war die Familie damit beschäftigt, große Kahlflächen, die der Sturm Friederike, Trockenheit und die Borkenkäfer hinterlassen hatten, wieder aufzuforsten.


Parallel hatten sich bereits Ende 2019 Trockenschäden in den Buchen-Altbeständen gezeigt. Wie hat sich die Situation weiterentwickelt und wie geht es den neu gepflanzten Kulturen heute?


Zwar brachten der schneereiche Winter und das nass-kalte Frühjahr Entspannung, doch insgesamt sind weitere Schäden durch die Dürre- und Hitzejahre deutlich geworden. In der Wurzelzone der Altbestände hat der Grundwasserstand immer noch nicht sein übliches Level wieder erreicht. Der Oberboden – also die wichtige Zone für die neuen Kulturen – ist gut durchfeuchtet. Doch in 1 bis 1,50 m Tiefe bleibt die Lage angespannt.


Bei unserer Rundtour im offenen Geländewagen kontrolliert der Waldbesitzer die Regenmesser, die er auf den einzelnen Flächen aufgestellt hat. Er rechnet damit, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis sich die Lage nach den drei Trockenjahren normalisiert hat.


Schäden in der Buche


Das Ausmaß der Schäden, die Vielzahl der Baumarten, die massiv gefährdet sind, setzen Wolfgang von Wolff-Metternich zu: „Wer den Klimawandel leugnet, der ist meiner Meinung nach blind!“


Die Trockenschäden zeigen sich vor allem an der Hauptbaumart Buche, besonders auf den Standorten, die normalerweise gut durchfeuchtet sind. Die Schäden werden zunächst im Kronenbereich sichtbar. Teils stößt der Baum ganze Kronenteile ab. Es kommt durch die Saftstockung im Stamm zu Schleimfluss. Auch wenn sich der Baum vielleicht bei steigendem Grundwasserlevel wieder erholt und eine Sekundärkrone bildet – die Holzmängel bleiben über lange Zeit bestehen.


Wolfgang v. Wolff-Metternich schätzt, dass mittlerweile 1/3 bis 1/2 der älteren Buchen davon betroffen sind. Auf den flachgründigen Muschelkalkplateaus übrigens weniger als auf den guten Böden. Denn die Bäume dort sind Stress und Trockenheit gewöhnt. Die vitalsten Individuen haben sich dort durchgesetzt. Generell legt der Betrieb in den älteren Buchenbeständen Wert auf regelmäßige, aber sehr behutsame Eingriffe, um Sonnenbrand-Schäden möglichst zu vermeiden.


Seit letztem Jahr fallen auf Gut Maygadessen vermehrt auch Eichen aus. Wolfgang von Wolff-Metternich führt das direkt auf die Trockenheit zurück: „Weil wir keine zusammenhängenden Bestände haben, sind Wickler und Spanner nicht das Problem, wir haben kaum Primärschäden durch Schadorganismen beobachtet.“ Wenn eine Eiche abgestorben ist, muss sich der Waldbesitzer mit dem Einschlag beeilen. Denn der Nutzholzborkenkäfer dringt dann bis in den Kernbereich des Stamms vor. Dadurch geht eine Furnierfähigkeit verloren und der Preis stürzt von 800 € auf 80 € pro Festmeter (fm) ab.


Neuere Schäden durch Borkenkäfer hat der Förster auch in der Lärche festgestellt – selbst in gemischten Beständen. Die Käferpopulation war so gigantisch, dass die Insekten auch diese Baumart befallen. Die Lärchen harzen kaum und können sich nicht gegen den massiven Befall wehren. Durch die feuchte Witterung im Frühjahr 2021 scheint der Käferdruck aber aktuell weniger massiv zu sein.


Das durch einen Pilz ausgelöste Eschentriebstreben hat sich zwar durch die Trockenheit verlangsamt. Allerdings sind in Höxter nur noch sehr wenige Eschen ohne Befall übriggeblieben. Für Wolfgang von Wolff-Metternich ist diese Baumart mittlerweile komplett verloren.


Von 2018 – nach Friederike – bis zum Frühjahr 2021 hat der Betrieb über 230000 Bäume neu gepflanzt. Dabei handelte es sich überwiegend um Großpflanzen, fast alle wurden also von Hand mit dem Erdbohrer gesetzt.


Mindestens sieben Baumarten


Die Mischung besteht aus mindestens sieben Baumarten. Dazu gehören Buche, Roteiche, Ahorn, Kirsche, Lärche und Douglasie als Grundbaumarten. Dazu kommen Elsbeere, Traubeneichen, häufig auch Esskastanie, die Schwarznuss als Eschenersatz auf guten Standorten sowie hier und da der Mammutbaum. Stockende Fichte oder auch Küstentanne stammen aus der Naturverjüngung.


Der Zustand der Kulturen stimmen den Förster verhalten positiv: Die Mischbaumarten sind gut angewachsen und haben auch die trockenen Jahre gut überstanden. Wenn der zunächst empfindliche Mammutbaum das erste Jahr gemeistert hat, zeigt er sehr hohe Zuwächse, genau wie Elsbeere und Esskastanie. Bei unserer Rundfahrt führt uns der Waldbesitzer zu einigen größeren Elsbeeren, die schon lange im Bestand stehen. Der Baum scheint also gut mit den Bedingungen klarzukommen.


Wolfgang von Wolff-Metternich legt großen Wert auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Jäger: „Der Jäger ist genauso wichtig wie der Regen! Auf Flächen bis zu 18 ha ist es nicht möglich, die jungen Pflanzen durch Gatter vor Verbiss zu schützen.“


Trotz der Kooperation mit den Jägern gibt es in einigen Teilen des Reviers Probleme mit Schäden durch Sikawild. Deren Ausmaß ist weit höher als die durch Rehwild verursachten Probleme. Das Sikawild knickt selbst höhere junge Bäume mit seinem Äser komplett ab.


Es tritt das ganze Jahr über in Rudeln auf und kann in nur einer Nacht große Schäden in den Kulturen anrichten. Bei unserer Rundfahrt entdecken wir an mehreren Stellen frische Schäden. Teils sind 20 bis 30 benachbarte Bäume abgeknickt. Wo es noch Hoffnung gibt, versucht Wolfgang von Wolff-Metternich beschädigten Pflanzen durch Wuchshüllen eine Chance zu geben, was manchmal auch klappt.


Neben der Witterung ist die Sikapopulation die größte Bedrohung der neuen Kulturen. Der Waldbesitzer bemängelt, dass das aktuelle Jagdrecht mit den Schonzeiten keine deutlich intensivere Bejagung zulässt. Mittlerweile läuft ein Lebensraum-Gutachten des zuständigen NRW-Ministeriums, das diese Problematik dokumentieren soll.


Viele Flächen hat der Betrieb vor dem Pflanzen räumen lassen, oft mit dem Bagger. Auf den späteren Flächen haben Rückzüge oft nur noch das Wipfelholz der Altbestände auf den künftigen Gassen zusammengezogen.


Bei der Flächenräumung ist der Forstexperte geteilter Meinung. Auf der einen Seite sind sauber geräumte Flächen wichtig, um exakt und schlagkräftig pflanzen zu können. Stimmen die Pflanzabstände nicht, kann es bei geförderten Beständen nach Kontrollen Ärger geben. Andererseits: Je sauberer geräumt wurde, desto wohler fühlt sich das Wild und desto höher sind Windgeschwindigkeit und Feuchteverlust. Auf weniger intensiv geräumten Flächen ist zudem die Intensität der Sonneneinstrahlung geringer.


Komplizierte Förderung


Für die Wiederaufforstung hat Wolfgang von Wolff-Metternich teils Förderprogramme in Anspruch genommen. Die Ausgestaltung der Programme geben ihm allerdings Anlass zur Kritik. Vor allem tun sich ausländische Pflanztrupps schwer damit, die Vorgaben so genau umzusetzen, wie es im Programm vorgegeben ist. Stimmen die Abstände oder auch die truppweise Verteilung der Mischbaumarten auf der Fläche nicht haargenau, kann es nach Kontrollen empfindliche Rückforderungen geben: „Die Maßnahmen sind am Schreibtisch geplant. Die Roteiche wird beispielsweise stark verbissen. Wenn aber auf dem Papier 20 % stehen, müssen wir über Jahre immer wieder nachpflanzen, um diesen Wert exakt einzuhalten. Sonst müssen wir auch später noch zurückzahlen.“


Nach Ansicht des Försters widerspricht der bürokratische Ansatz den natürlichen Prozessen im Wald. Denn durch Standortbedingungen und Klimaeinflüsse kann die ursprüngliche Mischung gar nicht exakt erhalten bleiben. Einige Arten werden sich mehr durchsetzen, andere weniger. Wolfgang von Wolff-Metternich weiß von Waldbesitzern, die sich diesem Druck nicht aussetzen wollen und deshalb generell auf eine Förderung verzichten. Er selbst hat das auch auf einigen Flächen getan, die sich durch eine hohe Nadelbaum-Naturverjüngung auszeichnen.


Auch bei den Herkünften ist die aktuelle Förderpraxis teils zu starr, findet der Waldbesitzer. Er ist der Auffassung, dass sich vor allem kontinentale Herkünfte am besten eignen. Die Programme sehen diese aber teilweise nicht vor. Jetzt tue sich zwar etwas, doch Wolfgang von Wolff-Metternich ist skeptisch, ob das für die aktuelle Situation noch früh genug ist.


Die Pflanzungen auf den großen Kahlflächen sind seit Anfang Mai 2021 abgeschlossen. Welche Pflegemaßnahmen stehen künftig an? Der Waldbesitzer ist optimistisch, dass er nicht mit dem Freischneider in die Kulturen muss. Denn so ein Pflegedurchgang würde 350 bis 500 €/ha kosten. Unter anderem deshalb hat sich Wolfgang von Wolff-Metternich für das recht teure Verfahren mit den Großpflanzen und dem Bohrer entschieden.


Ab dem fünften Jahr nach der Pflanzung will der Betrieb gezielt Bedränger-Weichlaubhölzer kontrollieren, wahrscheinlich manuell mit einer Heppe oder einer Durchforstungsschere (Waldteufel). Mittlerweile schließen sich die bereits 2018 gepflanzten Kulturen langsam. Hier würde der erste Durchgang im Jahr 2023 anstehen.


Weißtanne unter Schirm


Neben den Kahlflächen muss sich der Förster auch um die Lücken in den Beständen kümmern – also wo mehrere Buchen durch die Trockenheit abgingen oder Stürme Lücken hinterlassen haben. Wo es möglich ist, bringt der Betrieb hier Weißtannen ein, meist als vier- bis fünfjährige Sämlinge (30 bis 40 cm hoch).


Ein wichtiger Vorteil der Weißtanne ist ihre Pfahlwurzel. Deshalb ist ein Wurzelschnitt für die Pflanzung absolut tabu. Vielmehr setzt Wolfgang von Wolff-Metternich auch hier auf einen (kleinen) Erdbohrer und 30 bis 40 cm tiefe Löcher.


Bepflanzt werden nur tiefgründigere Standorte, an Hängen mit nördlicher bzw. nordöstlicher Ausrichtung.


Flachgründige Muschelkalkböden und Südhänge kommen für die Weißtanne nicht infrage. Dass die Tanne gute Chancen hat, zeigen einzelne Altbäume auf Gut Maygadessen. Einige davon sind über 100 Jahre alt, andere um die 50 Jahre. Sie haben die Stürme, die Käfer und die Trockenheit der letzten Jahre in dem ostwestfälischen Revier gut überstanden.


In einer Weißtannen-Pflanzung wird das Wuchsverhalten von zwei Herkünften übrigens im Rahmen eines ANW-Projektes (Arbeitsgemeinschaft Naturnahe Waldwirtschaft) wissenschaftlich begleitet. Die Fläche ist gegattert und jede junge Weißtanne hat ihre eigene Nummer.


Unter dem Strich stellt Wolfgang von Wolff-Metternich der Weißtanne eine gute Prognose für tiefgründigere Standorte aus. Anders als den Küstentannen des Betriebes, von denen bereits viele den vergangenen Stürmen zum Opfer gefallen sind…


guido.hoener@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.