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Hochwasser: "Peter Wohlleben voll daneben!"

Dass der Förster Peter Wohlleben eher durch Polemik als durch Fachwissen glänzt, ist Kennern nicht neu. Dass er aber auf dem Rücken Leidtragender für seine Zwecke wirbt, ist voll daneben, meint Kevin Schlotmann

Lesezeit: 6 Minuten

Ein Kommentar von Kevin Schlotmann, Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben:

Die Hochwasserkatastrophe ruft auch Deutschlands bekanntesten Förster, Peter Wohlleben, auf den Plan. Seine These: Schuld am Hochwasser und den Sturzfluten sind die abgehackten Fichtenplantagen sowie die Holzernte mit Harvester und Co.! Hat der Bestsellerautor damit vielleicht sogar recht?

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Mit mehr als 200 l/m² waren die Regenmengen enorm, die vor gut drei Wochen innerhalb weniger Stunden niederfielen. Die unvorstellbare Wucht, die kleine Bäche daraufhin entwickelten, ließ sich auch anhand der schrecklichen Fernsehbilder für Außenstehende nur erahnen. Kurz gesagt: Eine solche Umweltkatastrophe hat es in Westdeutschland jahrzehntelang nicht gegeben.

Die Erklärung für den rasanten Anstieg der Bäche und Flüsse ist komplex. Neben der Regenmenge an sich sind auch die wassergesättigten Böden mit schuld an den Hochwassern. Für Peter Wohlleben – Deutschlands bekanntesten und streitbarsten Förster – ist die Erklärung sehr viel einfacher: Laubwald ist gut, Nadelwald ist schlecht.

Im jüngsten „Spiegel“-Interview beklagt der Bestsellerautor, dass es überall Kahlschläge gebe, funktionierende Laubwälder das Wasser aber hätten bremsen können. Zudem speichere intakter Wald 200 l Wasser je m² – ähnlich wie ein Schwamm. Weil Holzerntemaschinen den Waldboden aber verdichtet hätten, ist bis zu 95 % dieser Speicherkapazität verloren gegangen, urteilt Wohlleben, der selbst in der Eifel wohnt. Gegenüber dem „Spiegel“ schließt er damit ab: Ein intakter Buchenwald, auch an einem Steilhang, hätte die Wassermassen weggesteckt.

Warum der „Spiegel“ Wohlleben ausgerechnet jetzt interviewt hat, könnte auch mit dem Erscheinen seines neuen Buches oder seinem selbst initiierten „Nationalen Waldgipfel“ in dieser Woche zu tun haben. Interessant ist, dass dieser auch von einem „Spiegel“-Redakteur moderiert wird.

Für Waldbesitzer und Forstwissenschaftler sind Wohllebens Äußerungen einmal mehr der Beweis, dass dieser Förster wichtige Vorlesungen versäumt haben muss. So einfach, wie Peter Wohlleben glauben machen will, ist die Welt nicht, und der Wald schon gar nicht. Die Fakten sprechen jedenfalls eine andere Sprache: In den Hauptschadensgebieten sind etliche Forsten mit Laubmischwäldern bestockt. Hätten sie die Wassermassen einfach „wegstecken“ können, wäre es nicht zu dieser schlimmen Naturkatastrophe gekommen. So viel Wasser in kurzer Zeit konnten die Baumkronen einfach nicht bremsen.

Ebenso sind die Schadflächen nicht am Hochwasser schuld – sonst hätte es beispielsweise Erosionsschäden geben müssen. Und dass durchwurzelte Waldböden 95 % ihrer Wasserspeicherfähigkeit verloren haben sollen, ist ebenso haltlos dahergesagt. Mit wissenschaftlichen Erkenntnissen belegt der Förster seine Behauptungen jedenfalls nicht.

Dass Wohlleben eher durch Polemik als durch Fachwissen glänzt, ist Kennern nicht neu. Dass er aber auf dem Rücken Leidtragender für seine Zwecke wirbt, ist voll daneben.

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Aussagen Wohllebens aus dem Spiegel-Interview:

  • Der Zustand des deutschen Waldes wurde zum Problem. Das will jetzt natürlich keiner hören.



  • Es gibt überall Kahlschläge, weil die Fichtenplantagen mit dem Klimawandel nicht klarkommen und absterben.



  • Ein intakter Waldboden kann pro Quadratmeter 200 Liter Wasser speichern. Das Problem ist, dass die Harvester, die großen Holzerntemaschinen, diesen Boden plattfahren und die Bodenökologie ersticken. Bis zu 95 % der Speicherkapazität des Bodens gehen dabei verloren. Diese 95 % kommen nun unten im Tal an. Und schon nimmt das Drama seinen Lauf! Zumal die Harvester meist nicht quer zum Hang fahren, sondern immer schön senkrecht runter. Das macht riesige Spurrillen: die besten Wasserabflusskanäle, die man sich denken kann.



  • Die Bundesregierung zahlt Zuschüsse, damit die abgestorbenen Fichtenplantagen möglichst schnell abgehackt werden.



  • Mir erschließt sich der Sinn nicht. Die vergangenen Hitzesommer und die Borkenkäferkatastrophe haben die Waldbesitzer hart getroffen, das stimmt. Meinetwegen kann man ihnen ja auch eine Entschädigung zahlen, aber wieso dafür, die Bäume abzuhacken? Die Waldbesitzer sollten die toten Fichtenplantagen lieber stehen lassen und warten, bis neue Bäume wachsen. Das wäre im Interesse der Allgemeinheit. So wird der Boden schutzlos der Sonne und dem Regen preisgegeben. Neue Bäume tun sich viel schwerer auf geräumten Flächen.



  • Redaktionen diverser Talkshows haben mir immer wieder berichtet, dass Klöckner nicht in einer Runde mit mir sitzen möchte. Sobald mein Name fällt, winkt sie ab. Ich finde das schade. Ich bin kein Parteipolitiker, sondern nur umweltpolitisch aktiv.



  • Auf den nationalen Waldgipfeln, die die Landwirtschaftsministerin Klöckner organisiert, wird immer in einer Blase diskutiert. Unser Waldgipfel ist der Versuch, eine vernünftige Diskussion anzustoßen. Wir haben gezielt auch Experten eingeladen, die mir nicht wohlgesonnen sind, zum Beispiel den Freiburger Forstwissenschaftler Jürgen Bauhus. Er ist Vorsitzender des Beirats Waldpolitik beim Landwirtschaftsministerium, also einer der maßgeblichen Wald-Influencer in Deutschland. Mich machen seine Äußerungen und die mancher seiner konservativen Kollegen oft fassungslos. Aber ich würde gerne verstehen, warum er denkt, wie er denkt.



  • Der Wald kommt zurück, sofern wir ihn nur lassen. Wenn wir nicht alles mit der Raupe abschieben und umpflügen, wenn wir nicht überall Douglasien statt Fichten hinsetzen – dann müssen wir uns keine allzu großen Sorgen machen. Das Ökosystem ist nach wie vor stark und intakt.



  • Die klassische Forstwissenschaft sollte sich eingestehen, dass sie nicht weiterweiß – und einfach mal in die Beobachterrolle zurückfinden. Wer pflanzt, verliert. Wald ist mehr als eine Ansammlung von Bäumen.



  • Viele unserer Wälder sind keine Wälder, sondern grüne Wüsten. Die klassische Forstwirtschaft funktioniert wie die Landwirtschaft: Sie bebaut Felder in Monokultur, nur nicht mit Kartoffeln, Raps, Mais, sondern mit Fichten, Kiefern, Buchen. Ihre Antwort auf den Klimawandel ist der Austausch des Gemüses, sprich: der Baumarten. Momentan castet sie eine neue Baumart, die mit den veränderten Bedingungen besser klarkommen soll als die überforderte Fichte. Ganz nach dem Motto: Deutschland sucht den Superbaum. Die Favoriten heißen Douglasie, Atlaszeder, Esskastanie, Baumhasel, Roteiche, alles nicht heimische Baumarten.



  • Die jungen Douglasien jedenfalls sterben jetzt schon überall großflächig ab.



  • Momentan sagen Förster gern: "Ich pflanze Nadelholz." Das ist eine Denke, die vom Produkt ausgeht. Das ist so ähnlich, wie wenn der Bauer sagen würde: "Ich stell mir ein Schnitzel in den Stall." Aber ich kann die Natur nicht zwingen, in Deutschland einen gesunden Westküsten-Kanada-Wald zu produzieren, also einen Wald voller Douglasien. Der wächst hier nicht. Die Bäume fühlen sich hier nicht wohl.



  • Viele Forstwirte reagieren auf meine Argumente und Ideen wie Terrier, die an die Wand gedrängt werden. Dabei argumentiere ich eigentlich für den Berufsstand. Es wäre doch ein viel entspannteres Arbeiten, wenn sie von Holzlieferanten zu Waldhütern würden.



  • Holzverbrennung zur Energieerzeugung ist eine Umweltsünde. Holzverbrennung ist sogar klimaschädlicher als Kohleverbrennung. Ein 50 oder 100 Jahre alter Baum, der abgehackt wird, hätte sein eingelagertes CO₂ gehalten und laufend neues CO₂eingelagert, vielleicht noch 300 Jahre lang. Und große Bäume lagern mehr ein als kleine. Wenn ich den großen abhacke, fängt der kleine Baum wieder bei null an.

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