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Empörung über ASG 3

Kartellklage über 121 Mio. Euro betrifft hunderttausende Waldbesitzender in RLP

Ein internationaler Prozessfinanzierer will angeblich bestehende Forderungen der Sägeindustrie gegenüber dem Forstministerium Rheinland-Pfalz eintreiben

Lesezeit: 4 Minuten

Eine Klage gegen das rheinland-pfälzische Forstministerium über rund 121 Mio. Euro Schadensersatz aufgrund angeblich kartellrechtswidriger Rundholzverkaufspraxis ist beim Landgericht Mainz eingegangen. Sie betrifft im Grunde nahezu alle Waldbesitzenden in Rheinland-Pfalz. Darüber wurde das Ministerium am Freitag von Seiten des in dieser Sache mandatierten Rechtsanwalts informiert.

Kläger ist die „ASG 3“ – Ausgleichsgesellschaft für die Sägeindustrie Rheinland-Pfalz GmbH. Diese behauptet, die 18 von ihr vertretenen Sägewerke hätten zu hohe Preise für Rundholz in den Jahren von 2005 bis 2020 zahlen müssen.

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Hinter dem Kläger steht nach hiesiger Kenntnis das international operierende Unternehmen „Burford Capital“, nach eigenen Aussagen „der weltweit führende Prozessfinanzierer‘“. Die „ASG 3“ hatte die vermeintlichen Forderungen der Sägewerker aufgekauft, um sie gebündelt gerichtlich einzuklagen und im Erfolgsfall die zugesprochenen Klagesummen an die Sägewerke auszuschütten – abzüglich eines beträchtlichen Eigenanteils. Ähnliche Klagen sind auch in den Forstministerien anderer Bundesländer eingegangen.

Für das rheinland-pfälzische Forstministerium ist der Klagegrund unverständlich, es wird sich daher vehement dagegen wehren. Forstministerin Ulrike Höfken stellt klar, dass der Holzverkauf über das staatliche Gemeinschaftsforstamt, also die gemeinsame Vermarktung von Holz aus staatlichen, kommunalen und privaten Wäldern, landesgesetzlich geregelt war. Diese Praxis, die in ähnlicher Weise auch in anderen Bundesländern praktiziert wurde, hatte das Bundeskartellamt im Jahr 2009 unter Auflagen gegenüber diesen Ländern schriftlich bestätigt.

Rheinland-Pfalz habe, so Höfken, die vom Kartellamt gemachten Auflagen penibel eingehalten und ihm hierüber in dem vereinbarten Berichtszeitraum bis 2013 jährlich detailliert berichtet. In einem zunächst gegen das Land Baden-Württemberg geführten erneuten Verfahren hatte das Bundeskartellamt sodann weitergehende Forderungen erhoben, die auch auf die übrigen Bundesländer mit ähnlichen Strukturen zielten.

Rheinland-Pfalz hatte vor diesem Hintergrund proaktiv seine eigene Vermarktungsstruktur vorsorglich verändert. Seit Anfang 2019 vermarkten kommunale und der Großteil der privaten Forstbetriebe ihr Holz eigenständig. Hierzu wurden unter anderem fünf kommunale Vermarktungsorganisationen gegründet.

„Diese Schadensersatzklage kann eine verheerende Wirkung für den Wald sowie dessen Pflege und Erhalt in ganz Rheinland-Pfalz entfalten und trifft die Waldbesitzer zu einem Zeitpunkt, an dem die Holzpreise infolge des klimawandelbedingten Waldsterbens am Boden liegen und die Waldbesitzenden kaum noch in der Lage sind, den Walderhalt finanziell zu stemmen", so Forstministerin Höfken.

"In dieser Lage denken viele von ihnen bereits darüber nach, sich aus der notwendigen Pflege des Waldes zurückzuziehen oder sich sogar von ihrem Waldeigentum zu trennen. Der internationale Prozessfinanzierer will sich offenbar nun am rheinland-pfälzischen Wald bereichern. Wir werden uns gegen ein solches Vorgehen mit Entschiedenheit zur Wehr setzen.“

Stimmen

Der Großteil des über das vermeintliche Rundholzsyndikat vermarkteten Holzes stammt aus den rheinland-pfälzischen Gemeindewäldern. Der Vorsitzende des Gemeinde- und Städtebundes, Bürgermeister Aloysius Söhngen, zugleich Vorsitzender des Waldbauvereins Prüm, erklärt bezüglich der nun eingegangenen Klage: „Dies ist auch ein Angriff auf die rund 1.900 waldbesitzenden Kommunen sowie eine große Zahl Privatwaldbesitzender in Rheinland-Pfalz. Für mich stellt sich die Frage: Wie sieht die Zukunft unserer Wälder aus? Wir haben im Wald große Aufgaben vor uns, nämlich die Anpassung an den Klimawandel und den Umgang mit Schäden durch Hitze und Borkenkäfer. Wir brauchen unsere Ressourcen für die Bekämpfung dieser Herausforderungen.“

Auch der Vorsitzende des Waldbesitzerverbandes für Rheinland-Pfalz, Christian Keimer, zeigt sich irritiert über den Kartellvorwurf. „Dass die Klage sich sogar noch auf die Jahre 2018 und bis in die Gegenwart erstreckt, schlägt dem Fass buchstäblich den Boden aus. Angesichts eines infolge der Klimakrise zu verzeichnenden dramatischen Preisverfalls von mindestens zwei Drittel des Niveaus von 2017 noch immer von kartellrechtswidrig überhöhten Rundholzpreisen zu sprechen, wird von den arg gebeutelten Waldbesitzern regelrecht als Hohn empfunden. Die Sägeindustrie war immer dankbar für die Bündelung dieser Holzmengen, die ihnen großen Aufwand beim Einkauf und der Transportlogistik erspart hat. Nunmehr gewissermaßen zu behaupten, Rheinland-Pfalz mit seinen hunderttausenden von Waldbesitzenden sei ein Land voller Rechtsbrecher, mutet da sehr befremdend an.“

Forstministerin Ulrike Höfken betont, dass man angesichts der bereits gegen andere Länder in gleicher Sache eingegangenen Klagen seit längerem gut vorbereitet sei. Es gelte nunmehr, eine auf die besonderen Umstände in Rheinland-Pfalz abgestimmte Verteidigung gegen die erhobenen Vorwürfe vorzulegen und die zuständige Zivilkammer am Landgericht Mainz von der Fehlerhaftigkeit der Einordnung der langjährigen Verkaufspraxis als verbotenes schädigendes Kartell zu überzeugen. Höfken sagt: „Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die an der Klage beteiligten Sägewerke die Auseinandersetzung schnell wieder beenden und sich gemeinsam mit den Waldbesitzenden den großen Herausforderungen für unsere Wälder stellen – davon würden Natur, Mensch und Wirtschaft profitieren.“

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