Kurz gefasst
Landwirte wie Jagdpächter sind in der Pflicht, um Kitze vor dem Mähtod zu retten.
In dem Projekt hat sich herausgestellt, dass die Drohne das bei Weitem effektivste Werkzeug der Kitzrettung ist.
Ein gute Vorbereitung erhöht die Erfolgsaussichten und verringert den Stress.
Für viele Landwirte steht in den kommenden Wochen der erste Schnitt an. Je nach Wetterlage artet die Suche nach dem passenden Mähtermin in Stress aus und die notwendigen Maßnahmen zum Schutz von Jungwild werden vergessen oder rücken in den Hintergrund. Die Konsequenzen daraus können fatal sein. Nicht nur der eigene Tierbestand wird durch Silagen, die mit Kadavern verunreinigt sind, gefährdet. Wer ohne Schutzmaßnahmen die Mahd durchführt und ein Kitz vermäht, verstößt gegen § 17 des Tierschutzgesetzes und es drohen hohe Strafen.
Gemeinschaftsaufgabe
Der Landwirt muss dafür Sorge tragen, dass sich zum Zeitpunkt der Mahd kein Jungwild in seiner Fläche befindet. Aber auch der jeweilige Jagdpächter ist im Sinne der Hege zur Mithilfe verpflichtet. Eine gute Kommunikation untereinander ist besonders wichtig, denn egal welches Mittel für die Rettung von Jungwild genutzt wird, der Einsatz muss früh genug erfolgen.
Neue Untersuchungen
Das Aufstellen von Wildscheuchen muss spätestens am Abend vor der Mahd erfolgen. Erste Untersuchungen im Rahmen des von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekts „Evaluierung der Wirksamkeit verschiedener Vergrämungsmaßnahmen zum Schutz von Wildtieren und zur Optimierung landwirtschaftlicher Produktionsprozesse“, kurz „WiOPro“, das vom 15. März 2024 bis zum 14. März 2027 an der Fachhochschule Südwestfalen am Fachbereich Agrarwirtschaft durchgeführt wird, zeigen jedoch nur sehr geringe Erfolge durch die Vergrämung.
Drohne am effektivsten
Je nach Vergrämungsmethode reichten die Erfolge von 0 bis maximal 50 %, wobei für abschließende Aussagen die weiteren Versuchsjahre abgewartet werden müssen. Am effektivsten ist der Einsatz einer Drohne mit Wärmebildkamera, mit der am Morgen der Mahd die Fläche abgeflogen und nach Jungwild abgesucht wird. Doch auch hier ist eine frühzeitige Anmeldung der Flächen mit Größe und GPS-Koordinaten beim Piloten unerlässlich. Oftmals haben die Hegeringe vor Ort oder Kitzrettungsvereine eine Drohne, die für die Jungwildrettung zur Verfügung steht. Beim jeweiligen Ansprechpartner sammeln sich aber mehrere Anfragen, die am nächsten Morgen geflogen werden müssen. Das erfordert eine Aufteilung und Koordination der jeweiligen Einsätze. Entweder sind genügend Drohnen vorhanden, um die Flächen zu schaffen, oder es wird versucht, eine Drohne zu leihen oder Einsätze an andere Vereine abzugeben.
Viele Helfer nötig
Es werden jedoch nicht nur Drohne und Pilot benötigt, sondern auch Helfer, die das gefundene Wild sichern. Je nach Flächengröße müssen hierbei mehrere Personen zur Verfügung stehen. Bei kleinen Flächen reichen meist ein bis zwei Helfer, während bei großen Flächen die Anzahl der Helfer steigt, um bei einem Fund die Laufwege möglichst kurz zu halten, denn das spart Zeit. Die Helfer müssen von Landwirt oder Jagdpächter organisiert werden. Da in den meisten Fällen an einem Morgen für verschiedene Jagdpächter und Landwirte geflogen wird, wechseln auch die Helfergruppen, die vom Piloten Treffpunkt und Uhrzeit bekommen. Kommt nun am späten Abend noch ein Einsatz hinzu oder entfällt einer, ändern sich auch die jeweiligen Uhrzeiten für die Helfergruppen. Alle Beteiligten müssen neu informiert werden, erreicht man die Helfer nicht mehr, sind diese zu früh oder zu spät an den Flächen. Ein vermeidbares Ärgernis.
Sehr engagiert Kitze retten
Eine Umfrage von DJV, Deutscher Wildtierrettung e. V. und Deutscher Wildtier Stiftung ergab, dass jedes Drohnenteam allein im Mai drei Arbeitswochen ehrenamtlich für die Jungwildrettung investiert. Dabei wurde pro 10 ha ein Kitz gefunden. Auch im Projekt wurde pro 10 ha ein Kitz gefunden. Unterscheidet man die Art des Graslands, wurden pro 7 ha Dauergrünland und pro 13 ha Feldgras ein Kitz detektiert.
Nur am frühen Morgen
Die Zeit ist bei der Kitzrettung mit der Drohne der alles entscheidende Faktor. Die Suche mit der Wärmebilddrohne ist nur in den frühen Morgenstunden vielversprechend, wenn die Temperaturdifferenz zwischen Kitz und Umgebung groß ist. Mit zunehmender Temperatur und Sonneneinstrahlung erhitzen sich Gegenstände wie Zaunpfähle oder breitblättrige Pflanzen wie Sauerampfer zunehmend und werden so zu Fehlerquellen. Bei zu vielen Fehlerquellen sticht das Kitz nicht mehr hervor und es besteht keine Chance, das Kitz zu finden.
Kitz umsichtig festsetzen
Wird ein Kitz gefunden, ist es wichtig, es zügig zu sichern. Am einfachsten funktioniert der Fang, wenn der Pilot mit der Drohne über dem Kitz bleibt und die Helfer per Funk einweist. Das gesicherte Kitz wird im Anschluss von den Helfern in einer geeigneten und mit Gras ausgepolsterten Box aus der Fläche getragen und am Rand im Schatten abgestellt. Besonders wichtig ist, dass die Box sich nicht stark aufwärmt und genügend Sauerstoff hineingelangt. Geschlossene Plastikboxen sind zwar stabil, aber völlig ungeeignet, da die Sauerstoffzufuhr fehlt oder gering ist und sich das Material schnell erwärmt. Besser sind Pappkartons oder Plastikboxen mit durchbrochenen Seitenteilen.
Kitze unmittelbar sichern
Manch ein Team liebäugelt mit dem Gedanken, die GPS-Koordinaten der Kitze zu speichern und diese erst kurz vor der Mahd zu sichern, um die Verwahrungszeit in den Kisten möglichst gering zu halten.
Ergebnisse aus WiOPro zeigen jedoch, dass die Kitze sofort gesichert werden müssen. Die Ricken brachten die Kitze im Versuchszeitraum innerhalb von zwei bis drei Stunden an andere Ablageorte innerhalb der Fläche und legten dabei bis zu 60 m zurück. Eine Distanz, innerhalb derer das Kitz mit den ursprünglichen Koordinaten nicht mehr gefunden werden kann. Ein weiterer Einsatz der Drohne war notwendig, um die Kitze zu finden, was jedoch aufgrund der Witterungsbedingungen nicht immer möglich war. In diesen Fällen wurde die Mahd verschoben.
Zeitnah mähen
Um die Aufbewahrungszeit in den Boxen möglichst gering zu halten, ist eine zeitnahe Mahd nach dem Drohnenflug notwendig. Auch das Risiko, dass eine Ricke andere Kitze in der Fläche ablegt, wird so minimiert. Selbst in einem kurzen Zeitraum von zwei Stunden zwischen Flug und Mahd kam dies im letztjährigen Versuchszeitraum vor und ein Kitz wurde vermäht.
Restrisiko bleibt
Wenn also der Pilot sagt, dass die Fläche frei von Kitzen ist, gilt das immer nur für den Augenblick des Flugs. Natürlich kann bei mehreren Flächen nicht alles auf einmal gemäht werden und es bleibt ein Restrisiko bestehen. Neben der zeitlichen Verzögerung der Mahd, gibt es weitere Faktoren, die die Suche erschweren. Weit überhängende Äste im Randbereich der Fläche können die Wärmesignatur des Kitzes ebenso verdecken wie Lager oder besonders hohe Bestände. Solche Verluste stellen nicht nur ein Risiko für den Betrieb dar, sondern sind eine enorme psychische Belastung für den Drohnenpiloten.
Daher sollte sich jeder Drohnenpilot im Vorfeld bewusst machen, dass es trotz Drohneneinsatz zu Verlusten kommen kann, die Drohne jedoch trotzdem aktuell das beste Mittel zum Schutz von Jungwild darstellt. Im ersten Projektjahr wurden mit der Drohne 92 % der Kitze gefunden.
Sonderfall Junghase
Die Zeit, in der Ricken Kitze setzen, variiert sehr stark. Im ersten Versuchszeitraum von WiOPro reichte die Setzzeit von Ende April bis Mitte Juni, was sich auch in den Fangerfolgen widerspiegelt. Bei älteren Kitzen ist der Fluchtinstinkt so weit ausgeprägt, dass sie selbstständig die Flucht ergreifen.
Ab einem Alter von vier Wochen sind sie dabei schnell genug, um vor dem Mähwerk zu flüchten. Besonders kritisch ist die Zeit, ab der die Kitze etwa zwei Wochen alt sind, denn dann flüchten sie, sind aber nicht schnell genug, um dem Mähwerk zu entkommen. Auch für die Helfer ist der Fang in dieser Zeit unter Umständen schwierig, ein Kescher kann hilfreich sein. Während die Kitze zunehmend in ein Alter kommen, in dem sie nicht mehr geschützt werden müssen, rückt eine andere Wildart in den Fokus.
Junghasen sind ebenso schützenswert wie Rehkitze, zumal der Bestand zusätzlich zu etlichen Fressfeinden durch Krankheiten wie der Myxomatose, Tularämie oder der Chinaseuche bedroht ist. Junghasen werden in der ersten Zeit zusammen von der Häsin abgelegt. Die etwas älteren Junghasen liegen wenige Meter auseinander. Auch diese Wildart wird am besten in Boxen gesichert, muss aber nach der Mahd nah am Fundort in die Freiheit entlassen werden, da Häsinnen nicht in dem Umkreis nach ihren Jungen suchen, wie es eine Ricke tut.
Zukünftige Möglichkeiten
Schon jetzt gibt es Lösungen zum Schutz von Jungwild, die direkt am Mähwerk verbaut sind oder mittels Software und KI bei der Suche unterstützen. Jedoch funktionieren diese noch nicht ausreichend sicher, um eine echte Alternative darzustellen. Bis diese Lösungen also wirklich praxistauglich sind, werden noch Jahre vergehen und das aktuell beste Mittel zum Schutz von Jungwild bleibt die Drohne mit Wärmebildkamera.