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topplus Wald vor Wild?

Konflikt zwischen Jagd und Forst kocht in Brandenburg hoch

In Brandenburg streiten Jäger und Waldbesitzer um einen schärferen Rehwildabschuss. Grüne und Ökojäger sind auch dafür und drängen Minister Vogel zu einem neuen Jagdgesetz.

Lesezeit: 5 Minuten

Mit Beginn des neuen Jahres ist der alte Streit um eine schärfere Wildbejagung zum Schutz des Waldes neu entbrannt. Schauplatz ist dieses Mal Brandenburg.

Auf der einen Seite stehen die Waldbesitzer, deren Forste in den vergangenen Jahren massiv unter Dürre, Sturm und Borkenkäfer gelitten haben. Sie versuchen mit erheblichem finanziellen Aufwand den politisch gewollten Waldumbau zu stemmen. Zudem geht es natürlich um die Rendite im Holzgeschäft.

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Erschwert wird dies durch das Schalenwild wie Reh, Hirsch und Co., die durch starken Verbiss an jungen Trieben eine Naturverjüngung unterdrücken und teure Schutzmaßnahmen erfordern. Besonders die Rehbestände sind in den letzten Jahren stark angewachsen. Laut Bundes-Wald-Inventur werden in Brandenburg rund die Hälfte alle Jungbäume gefressen. Das beklagen auch die Waldbesitzer und geben den Jägern die Schuld. Sie fordern eine deutlich schärfere Bejagung.

Auf der anderen Seite stehen die Jäger, die sich nicht zu Erfüllungshilfen der Waldbesitzer und zu reinen Totschießern degradieren lassen wollen. Sie betonen die Hege des Wildes, die gezielte Bejagung reifer Stücke und eine sinnvolle Planung, um die Alters-Strukturen der Tiere ausgewogen zu halten. Zudem brauche das Rehwild auch Ruhephasen, ein ständiger Jagddruck wirke sich negativ auf die Sozialstrukturen aus und produziere viel Leid.

Kurios: Grüne und Öko-Jäger für schärfere Bejagung

Soweit, die bekannten Positionen. In Brandenburg neu dazu gekommen ist nun aber ein Streit innerhalb der Jägerschaft. Denn neben dem Landesjagdverband gibt es auch den Ökologischen Jagdverband. Dieser stellt sich überraschend auf Seite der Waldbesitzer, und wird dazu noch unterstützt von den Grünen im Landtag.

„Nicht ausrotten, aber drastisch reduzieren, bis eine natürliche Waldentwicklung gesichert ist“, formuliert es der Vorsitzende der Ökojäger, Mathias Graf von Schwerin, im Interview mit dem Spiegel. Andernfalls würden viele Wälder nicht überleben. „Es ist eine ökologische Schicksalsfrage, dass wir vor allem beim Rehwild die Bestände verringern“, sagte er.

Der Adelige zahlt nach eigener Aussage ambitionierten Jungjägern eine Abschussprämie von 50 € für jedes Reh. „Seit wir das Wild scharf bejagen, wachsen hier überall junge Bäume: Buchen, Eichen, Birken, Ebereschen, Ahorn, Weißtannen, um nur einige zu nennen. Und das fast ohne Anpflanzungen! Das ist ein Erfolg, mit dem ich selbst so nicht gerechnet hätte“, berichtet Graf von Schwerin. Die gesamte Jägerschaft müsste seinem Beispiel folgen, fordert er und wirft den klassischen Jägern vor, ein falsches Bild von der Jagd zu pflegen.

Brauchtum nicht mehr zeitgemäß?

So schonten viele Jäger gute Böcke, damit sie sich weitervererben. Es gehe noch immer hauptsächlich um die Trophäenjagd und dass viel Wild da ist. Auch die Jagdtraditionen hält der Graf für überholt: Statt ausgiebig Strecke zu legen und zu verblasen, bringen seine Leute das Wild schnell ins Kühlhaus. „Ich halte es nicht für ein Zeichen der Ehrerbietung, das Wildbret verkommen zu lassen, im Gegenteil“, begründet er das.

Die Rehwildbejagung sehen er und viele Ökojäger deutlich rationaler: Das Reh ist für sie ein Problem bei der Waldentwicklung, das durch effektive Entnahme reduziert werden muss. Eine Schonung von Zukunftsböcken für die nächsten Jahr passe da nicht rein, ist zu hören. „Das Wort Waidgerechtigkeit nehme ich normalerweise nicht in den Mund. Ich gehe auf die Jagd, um Wildbret zu produzieren und den Wald zu schützen“, sagte Graf von Schwerin gegenüber dem Spiegel. Er sehe sich als moderner Handwerker, halte sich ans Jagdgesetz und ans Tierschutzgesetz, aber nicht an überkommenes Brauchtum.

Das trifft natürlich auf erbitterten Widerstand der Jäger aus dem Landesjagdverband. Der Plan sei wildtierfeindlich. Jagd sei Brauchtum und dürfe nicht auf Effizienz getrimmt werden, heißt es.

Neues Jagdgesetz: Wald vor Wild

In dieser Gemengelage will Brandenburgs Forstminister Axel Vogel (Grüne) einen zweiten Anlauf für sein neues Jagdgesetz versuchen. Im Mai erst hatte er angekündigt, seinen Vorschlag für ein neues Jagdgesetz zurückziehen, erinnert der rbb.

Unter dem Leitbild Wald vor Wild will er nun dem drängenden Problem des Verbisses von Jungbäumen Herr werden. Dafür soll in dem neuen Jagdgesetz vor allem kleineren Waldbesitzern mehr Mitspracherechte eingeräumt werden als bisher.

Aktuell müssen sich Waldbesitzer in Jagdgenossenschaften zusammenschließen, die mindestens 150 ha Fläche aufweisen. Da der durchschnittliche Brandenburger Waldbesitzer 6 ha Eigentum besitzt, hat er wenig Mitspracherecht, so der rbb. Der aktuelle Referentenentwurf aus dem Juni sieht nun vor, dass die Mindestfläche auf 75 ha sinkt und Begehungsscheine für kleine Waldbesitzer eingeführt werden, wenn sie mit der Arbeit des für ihre Waldflächen beauftragten Jägers unzufrieden sind.

Viele traditionelle Jäger und Bauern fürchten, das Gesetz schaffe einen Präzedenzfall, der deutschlandweit an den gelernten Strukturen der Jagd rütteln könnte. Sie machen mobil, versuchen den Druck auch über den Bundesjagdverband aufzubauen, so der rbb weiter.

Die CDU ist ebenfalls der Meinung, dass es auf den Flächen mit zu vielen Jagdberechtigten unübersichtlich, sogar gefährlich werden könnte, wenn zum Beispiel eine Nachsuche von angeschossenem Wild auf fremden Flächen nötig werde. Außerdem hätten aktuelle Abschusszahlen gezeigt, dass das Problem nicht so groß sei, wie es wissenschaftliche Studien zeigten.

Und die SPD wirft Vogel Versagen vor. Es müsse doch vor allem darum gehen, die funktionierenden Jagdgenossenschaften zu erhalten.

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