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topplus Reportage/Waldumbau

Würzburg: Naturnaher Wald mit Küstentanne

Kann die Küstentanne helfen, die aufkommende Nadelholzlücke zu schließen? Die Förster des Juliusspitals in Würzburg haben Erfahrung mit dieser Baumart in einem naturnahen Wald.

Lesezeit: 7 Minuten

Wir müssen und wollen hier Geld mit dem Wald verdienen. Und das in einem naturnahen Waldbaukonzept. Die Küstentanne hat darin einen festen Platz“, erklärt uns Matthias Wallrapp. Der 41-jährige Unterfranke ist Diplom-Forstingenieur und seit 2005 als Betriebsleiter für das Juliusspital in Würzburg tätig. Zusammen mit einem Forsttechniker und fünf Forstwirten kümmert er sich um die insgesamt 3360 ha Waldfläche der Stiftung, die übrigens PEFC- und FSC-zertifiziert ist.

Das Juliusspital wurde 1576 vom Würzburger Fürstbischof Julius Echter gestiftet und ist heute einer der größten Waldbesitzer in Bayern. Zur Stiftung gehören außerdem ein landwirtschaftlicher Betrieb mit 1000 ha und ein Weingut mit 180 ha Rebfläche. Seit der Gründung bis heute dienen die Erträge karitativen Zwecken.

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Bei unserem Treffen in Hammelburg beschreibt uns Matthias Wallrapp zunächst die Standortfaktoren. Die Waldflächen auf den Buntsandstein-Verwitterungsböden liegen in einem warmtrockenen Klima mit einer Jahresdurchschnittstemperatur von bis zu 9°C (10,5 im Jahr 2018). Der Niederschlag bewegt sich zwischen 650 und 800 mm pro Jahr (450 mm im Jahr 2018).

Ja zum Nadelholz

Die Hauptbaumart hier in der Rhön ist die Buche. Buche und Eiche machen drei Viertel der Baumarten im Spitalwald aus. „Wir wollen unseren Nadelbaumanteil vor allem aus wirtschaftlichen Gründen unbedingt bei den jetzigen 25% halten.“

Das ist durchaus ein interessanter Ansatz, wo derzeit alle den Waldumbau und Laubbauarten propagieren. Für Matthias Wallrapp ist das überhaupt kein Gegensatz. Er wirtschaftet nach den ANW-Prinzipen für einen naturnahen, stabilen Wald und da gehören für den Franken auch Nadelbaumarten wie die Weiß- und die Küstentanne dazu. Vor allem die Küstentanne passt seiner Ansicht nach gut zur allgegenwärtigen Buche hier. Die Douglasie hat dagegen unter den örtlichen Bedingungen nur begrenzte Chancen, sich durchzusetzen.

Auch im Jahr 2018 konnte sich die Küstentanne gut behaupten. Sie erträgt längere Trockenperioden. Matthias Wallrapp sieht ihren Schwerpunkt auf leichteren, durchlässigen Böden. Schwieriger wird es bei höheren Tonanteilen und Staunässe. Dann steigen die Anfälligkeiten für Windwurf und vor allem für Hallimasch. Der Pilz ist der wichtigste Risikofaktor für die Küstentanne und kann bis zum Totalausfall führen.

Das Spital verfügt über Altbestände von Küstentannen – wobei „Altbestand“ bei der schnell wachsenden Baumart eher relativ ist: Vor 50 Jahren hatte einer der Vorgänger von Matthias Wallrapp auf einer Freifläche Küstentanne in Mischung mit Douglasie gepflanzt. Die Herkünfte dieser Küstentanne stellten sich als sehr geeignet für den Standort heraus. Heute verjüngen sich die Küstentannen freudig. Die Tannen haben stattliche Ausmaße erreicht. Sie sind bis zu 40 m hoch und haben bis zu 7 fm Holz. Im direkten Vergleich zeigt sich, dass die Küstentannen etwa 50% mehr Zuwachs als die Douglasien hatten und bis zu 100% mehr als Fichten unter gleichen Bedingungen.

Wildlinge als Basis

Der Bestand dient derzeit vor allem der Vermehrung. Küstentanne fruktifiziert normalerweise alle zwei Jahre. Aus der Naturverjüngung gewinnt der Betrieb pro Jahr 10000 bis 20000 Wildlinge – einfach durch Herausziehen aus dem lockeren Boden. Außerdem beernten Zapfenpflücker die Bäume regelmäßig für Baumschulen, was einen schönen Deckungsbeitrag bringt.

Die Wildlinge müssen so schnell wie möglich wieder in den Boden, also am gleichen Tag. Die junge Küstentanne reagiert äußerst empfindlich auf das Austrocknen der Wurzeln, hat Matthias Wallrapp festgestellt. Deshalb arbeiten sie mit den Wildlingen möglichst nur bei feuchter Witterung. Der Preis für eine Küstentannen-Pflanze aus der Baumschule beträgt übrigens ca. 1 €.

Die Wildlinge kommen per Hohlspaten wieder in den Boden. Erledigen das die eigenen Mitarbeiter, rechnet der Betrieb mit Kosten fürs Ziehen, Transportieren und Pflanzen von 80 Cent pro Pflanze. Unternehmer übernehmen den Job teils auch für 50 Cent.

Jedem Wildling stellen die Förster einen Tonkinstab zur Seite. Denn die jungen Küstentannen vertragen das Fegen der Böcke kaum. Den Tonkinstab befestigen sie mit einem stabilen Bindematerial aus dem Weinbau.

Vor dem Pflanzen nehmen die Franken die Buche heraus und bringen auf Flächen von ca. 20x20 m die Wildlinge truppweise ein (2x2 m Abstand). Unter Schirm oder in dichter Buchennaturverjüngung kommt der Küstentanne ihre hohe Duldsamkeit zugute: „Wenn sie mal überwachsen ist, stellen wir sie frei und sie wächst weiter – das kann eine Douglasie nicht.“

Nach Erfahrung von Matthias Wallrapp erlaubt die Küstentanne in dieser Mischung eine Vornutzung. Bereits nach 20 Jahren gibt es erste verwertbare Sortimente, ab ca. 30 Jahren auch stärkeres Holz. Buche braucht bis zur Nutzung 120 bis 150 Jahre, Eiche 200.

Der Förster will mit der Küstentanne qualitativ möglichst schnittholztaugliches Holz produzieren. Das geht u.a. über die Zuwachssteuerung. Die Jahrringabstände sollen dazu nicht weiter als 6 mm sein. Eine Maßnahme dabei ist der Dichtstand in den Trupps und die Kombination mit der Buche. Es gibt natürlich auch Einschränkungen. Derzeit lässt sich die Küstentanne nur sehr schwer vermarkten. Das liegt vor allem am Überangebot bei Fichte – bedingt durch Sturm- und Käferkalamitäten. Bei zu schnell gewachsenen Küstentannen mindern die großen Jahrringe die Holzeigenschaften. Mitunter ist dann nur ein Absatz als Faser- oder Palettenholz möglich. Das sieht der Förster aber nicht als generellen Nachteil.

Wirtschaftlicher im Vergleich

Er zieht einen Vergleich: „In den letzten fünf Jahren lag der Preis für Fichtenholz im Schnitt bei 90 €/fm. Für Palettenholz gab es 60 bis 65 €/fm.“ Weil das Risiko der Küstentanne aber deutlich geringer als bei der Fichte ist, und der Zuwachs doppelt so hoch, ist sie trotzdem wirtschaftlicher. Und in Zukunft deutet sich u.a. durch den Waldumbau eine Versorgungslücke beim Nadelholz an. Auch das spricht dafür, heute auf diese Baumart zu setzen. Wenn sich der Anteil in Grenzen hält, haben auch die Zertifizierungssysteme PEFC und FSC damit kein Problem.

Das Betriebsziel fasst er so zusammen: ein hoher Anteil starker, wertvoller (Laub-)Hölzer auf möglichst der gesamten Fläche; dazu die Küstentanne, die Masse in kurzer Zeit bringen soll. Das Ganze dann im Dauerwaldkonzept mit geringem Risiko und stetig hohem Reinertrag. Das Juliusspital setzt auf die naturnahe Waldwirtschaft – auch aus wirtschaftlichen Gründen.

Intensiv um die Jagd kümmern

Und wie alle Förster, die auf das Dauerwaldkonzept mit Naturverjüngung setzen, wird Matthias Wallrapp leidenschaftlich, wenn es um Reh- und Rotwild geht. An dem Thema bleibt er dran. Die Wälder sind in Pirschbezirke unterteilt. Etwa 40 bis 50% der Abschüsse laufen über die Ansitzjagd. Was durch die sehr dichten Bestände anspruchsvoll ist. Viel Zeit bleibt nicht für die Einzelansprache der Tiere: „Hier musst du schnell sein und kannst nicht erst auf kapitale Trophäen warten.“

Deutlich mehr als die Hälfte der Stücke bringen sie im Spitalwald in zwölf Drückjagden zur Strecke. Dabei arbeiten die Förster mit Profijägern zusammen. Ganz kritiklos sehen die benachbarten Reviere das nicht. Der dünne Wildbestand zieht von dort Rehe und Hirsche an. Den Ärger der Nachbarn kann der Förster nicht nachvollziehen. Je weniger Stücke in seinen Wäldern, desto besser für die Natur, und aufgrund des höheren Nahrungsangebots auch für das einzelne Tier, findet er.

Dass es nicht darum geht, die Rehe komplett aus dem Wald zu verbannen und es durchaus noch Tiere in den Wäldern gibt, sehen wir bei der Fahrt ins Revier. Da springt uns direkt eine muntere Ricke über den Weg …

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