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Aus dem Heft

Angst

Lesezeit: 4 Minuten

…ist ein diffuses Gefühl. Immer mehr Landwirte sind besorgt und verängstigt, zeigen die Anrufe bei den landwirtschaftlichen Sorgentelefonen. Hinterlässt die kritische Haltung der Gesellschaft Spuren bei den Bauern? Diese Vermutung legt auch die top agrar-Glücks-Umfrage vom Jahresbeginn nahe. Wir haben Beraterin Anne Dirksen dazu interviewt.


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Frau Dirksen, welche Probleme sprechen Landwirte am Sorgentelefon besonders häufig an?


Seit Jahren gibt es Dauerbrenner: Dazu gehören familiäre Probleme, vor allem Generationenkonflikte. Auch finanzielle Sorgen sind immer wieder Thema. In den letzten 12 Monaten hat sich aber etwas verschoben. Die Angst der Landwirte stellt zurzeit alle anderen Probleme in den Schatten. Genauso wie die Verunsicherung in der Gesellschaft insgesamt zugenommen hat, muss man in aller Deutlichkeit sagen: Viele Landwirte haben offenbar einfach Angst.


Welche Ängste quälen die Landwirte?


Existenzängste haben stark zugenommen. Wir vermuten, dass die letzte Milchkrise bei vielen Milchviehhaltern tiefe Spuren hinterlassen hat. Mitten in der Preiskrise 2016, als die Familien ums wirtschaftliche Überleben gekämpft haben, haben sie funktioniert. Da war kein Platz für das Äußern von Sorgen und Nöten. Erst jetzt, in der Entspannungsphase, kommen die Zweifel. Viele Familien fragen sich: Bis hier hin – und wie geht es weiter?


Sind die Probleme je nach Alter und Position unterschiedlich gelagert?


Ja. Besonders auffällig ist die Verzagtheit der Jungen. Wir erleben junge Hofnachfolger, die große Betriebe übernehmen sollen und nachts nicht in den Schlaf finden, weil sie fürchten, dem Druck nicht standzuhalten, das Arbeitspensum und die Verpflichtungen nicht zu packen. Gleichzeitig haben sie das Gefühl, dass sie ihre eigenen Ideen im Betrieb gar nicht verwirklichen können, weil der neue Stall und der zu bedienende Kredit den Rahmen bereits voll ausgeschöpft haben. Was die Übergeber gut gemeint haben, entpuppt sich später offenbar als Bürde für manchen Übernehmer.


Was befürchten die Älteren?


Viele Hofübergeber zweifeln, ob sie ihren Nachfolgern überhaupt guten Gewissens zu einem Leben als Landwirt raten können. Das ist ambivalent: Einerseits wünschen sie sich natürlich, dass der Hof in Familienhand bleibt. Andererseits sehen sie mit Angst, welche Forderungen auf die Landwirtschaft zukommen und wie schwer es die Jungen haben werden. Das wünscht niemand den eigenen Kindern.


Haben Sie eine Erklärung, warum einige Landwirte so sorgenvoll in die Zukunft blicken?


Die Landwirte sind dünnhäutig geworden. Und das liegt ganz sicher auch an der massiven Kritik, die Tierhalter und Ackerbauern in den gesellschaftlichen Debatten einstecken müssen. Viel Arbeit, wenig Freizeit, das wirtschaftliche Risiko – damit sind die meisten Landwirtsfamilien immer klargekommen. Das steigende Misstrauen dem Berufsstand gegenüber und vor allem der Mangel an Wertschätzung und Respekt seitens Politik, Medien und Verbrauchern trifft viele Bauern aber offenbar hart. Außerdem gibt es kaum Strategien, wie sich dieses Klima ändern lässt. Das macht mürbe.


Was raten Sie den Landwirten, die bei Ihnen anrufen?


Wir stellen immer wieder fest, dass in vielen Bauernfamilien eine Kultur des „Nicht-Miteinander-Redens“ herrscht. Scherzhaft sage ich immer: Landwirte sind Sprachökonomen. Deshalb ist es oft schon ein großer Schritt, wenn die Betroffenen sich überhaupt an uns wenden. Unsere Aufgabe ist es, die Anrufer zu ermutigen, ihre Sorgen und Ängste mit den Familienmitgliedern zu teilen, sich jemandem anzuvertrauen. Denn es ist wichtig, über seine Ängste zu sprechen und zu spüren, dass sie ernstgenommen werden. Sonst können Ängste auch krank machen und lähmen.


Viele Landwirte leben in großen Familien und intakten Nachbarschaften. Warum gelingt es ihnen trotzdem immer weniger, sich anzuvertrauen?


Viele Landwirte leben in großen Familien und intakten Nachbarschaften. Warum gelingt es ihnen trotzdem immer weniger, sich anzuvertrauen?


Viele Landwirte leben in großen Familien und intakten Nachbarschaften. Warum gelingt es ihnen trotzdem immer weniger, sich anzuvertrauen?


Tatsächlich haben viele Anrufer Angst, zu vereinsamen. Die Altenteiler, weil im hektischen Betriebsalltag keiner mehr Zeit für sie hat und der kurze „Schnack über’n Zaun“ mit dem Nachbarn kaum noch stattfindet. Die Jungen, weil sie nur noch wenige Berufskollegen haben und für andere soziale Kontakte keine Zeit bleibt. Immer häufiger wählen Menschen die Nummer des Sorgentelefons inzwischen, weil sie sich um jemand anderen sorgen und Scheu verspüren, einfach zu fragen: „Was belastet Dich? Wie kann ich helfen“ Auch in diesem Fall ermutigen wir, den ersten Schritt zu tun. „Reden hilft“, ist unsere Erfahrung. Egal, worum es geht. Das Interview führte Kathrin Hingst.

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