Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Sonstiges

Stilllegung 2024 Agrardiesel-Debatte Bürokratieabbau

topplus Aus dem Heft

„Auf dem Hof finden die Kinder wieder zu sich“

Lesezeit: 4 Minuten

Auf dem Hof von Michaela Tenti leben Kinder und Jugendliche mit besonderem Förderbedarf. Der Betrieb ist als Projektstelle anerkannt.


Das Wichtigste aus Agrarwirtschaft und -politik montags und donnerstags per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Seit 17 Jahren nehmen Michaela Tenti und ihre Familie Kinder und Jugendliche auf ihrem Reiterhof im niedersächsischen Hemsloh auf. „Die meisten bleiben, bis sie 19 oder 20 Jahre alt sind“, sagt sie. Während jüngere Kinder ein ganz normales Zimmer im Wohnhaus der vierköpfigen Familie beziehen, wohnen die Jugendlichen häufig lieber in einem kleinen, eigenen Zwischenzimmer auf dem Weg vom Haus in den Stall. „Um in die Küche zu kommen, brauchen sie nur eine Tür zu öffnen. Aber so haben die Älteren ihren Freiraum und können selbst entscheiden, wann sie den Familienanschluss suchen“, sagt Tenti.


Insgesamt haben bisher sechs Kinder und Jugendliche, teilweise für wenige Monate, teilweise über Jahre, im Kreis der Tentis gelebt. Aktuell sorgen sie für ein junges Geschwisterpaar.


Die Betreuung der Kinder vermittelt der Neukirchener Erziehungsverein, bei dem Michaela Tenti angestellt ist. Dabei handelt es sich vor allem um Kinder mit traumatischen Erfahrungen, für die eine Betreuung in einer Wohngruppe nicht infrage kommt.


Viele der Kinder haben seelische Verletzungen und sind stark verhaltensauffällig. Bei den Tentis sind sie ins Hofgeschehen mit eingebunden. Die Mädchen helfen gerne bei den Pferden. Die Jungs wollen eher Trecker oder Rasenmäher fahren. „Bei uns muss nichts perfekt erledigt werden. Ein Mädchen hat z.B. jeden Tag die Pferde gewaschen. Wir nutzen die Hofarbeit als Medium, um einen Zugang zu den Kindern zu bekommen“, sagt Reitlehrerin Tenti.


Der Ansatz des Erziehungsvereins: Die Umgebung finden, die am besten zu den Kindern passt. „Wir wollen sie über ihre Stärken greifen. Diese Kinder sind es gewohnt, dass man sie an ihren Schwächen misst, was sie nicht können oder in welcher Umgebung sie sich nicht zurechtfinden“, sagt sie. Bei ihr geht es dagegen darum, das Selbstbewusstsein der Kinder zu stärken. „Egal, ob sie sechs Monate oder sechs Jahre bleiben. Jeder Tag in einer intakten Familie ist wertvoll“, sagt Tenti.


Eine sichere Umgebung


Vor allem an konfliktreichen Tagen hilft ihr der Gedanke, dass die Kinder irgendwann auf die Erfahrungen auf ihrem Hof zurückgreifen. „Zum Beispiel, wenn sie heiraten und ihre eigenen Familien gründen“, sagt sie. Knifflige Momente gebe es dabei zur Genüge. Denn die Kinder kommen mit ihrer eigenen Biografie und Persönlichkeit in die Familie. „Vor allem den Teenagern merkt man an, dass sie aus einer härteren Welt stammen“, erklärt Tenti.


Kontakt mit den Herkunftsfamilien haben sie oft weiterhin. Je besser Tenti sich mit den Eltern verstehe, umso glücklicher seien auch die Kinder. Sie ist auch nach dem Auszug immer für die Kinder da. „Die Ehemaligen kommen alle paar Wochen zu Besuch und essen mit uns. Das ist auch für die Jüngeren gut, zu sehen, dass Familie immer wieder zusammenkommt“, sagt sie.


Tentis eigene Söhne sind inzwischen 23 und 25 Jahre alt. Dass die Kinder, die sie aufnimmt, einen Altersunterschied zu den eigenen Kindern haben, war ihr immer wichtig. „Ich wollte nicht, dass sie ein Konkurrenzgefühl entwickeln“, sagt sie.


Die Zusammenarbeit mit dem Erziehungsverein entstand Anfang der 2000er zunächst zufällig, durch ein Anschreiben per Brief. „Es wurden Familien gesucht, die sich vorstellen konnten, Kinder in ihren Alltag aufzunehmen“, sagt die heute 52-Jährige. Neben einer hohen Belastbarkeit müssen diese Familien vor allem soziale Fähigkeiten mitbringen. Eine pädagogische Ausbildung, z.B. zum Erzieher oder Sozialpädagogen, ist Grundvoraussetzung, um als Projektstelle infrage zu kommen. Als Michaela Tenti damals anfing, galten noch andere Regelungen.


Mit dem Erziehungsverein steht sie dabei ständig in Kontakt. Alle drei Wochen besucht ihr Ansprechpartner, Peter Jurczyk, den Hof. „Die regelmäßigen Gespräche helfen, einen klaren Kopf zu bewahren“, sagt sie. „Spricht man über ein Problem, ist es schon fast gelöst.“


Beim Verein gibt es zudem eine 24-stündige Rufbereitschaft, an die sie sich ständig wenden kann. „In einer Krise, die ich nicht allein lösen kann, bekomme ich dort sofort Hilfe“, sagt Michaela Tenti.


Die meiste Zeit über sammle sie aber durchweg positive Erfahrungen mit den Kindern. „Man gibt natürlich jede Menge Herz und Liebe und die Kinder verlangen einem einiges ab. Aber sie geben auf ihre Weise auch sehr viel Liebe und vor allem Dankbarkeit zurück“, sagt sie.


katharina.meusener@topagrar.com

Die Redaktion empfiehlt

top + Letzte Chance: Nur noch bis zum 01.04.24

3 Monate top agrar Digital + 2 Wintermützen GRATIS

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.