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Burn-out

Lesezeit: 5 Minuten

Erschöpfung, Überlastung, Leere: Der eigentlich erfüllende und sinnstiftende Beruf „Landwirt“ ist für viele zum Krafträuber geworden. Warum ist das so? Wir haben bei Betroffenen, Beratern und einer Psychologin nachgefragt.


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Unbeirrbar und beharrlich; daran gewöhnt, Krisen zu wuppen – ob sie nun das Wetter, die kaputte Maschine oder andere Notfälle betreffen. Das ist nicht nur das Selbstbild vieler Landwirte, sondern auch die Wahrnehmung anderer. Studien zeigen zudem: Die Gefahr, im Beruf auszubrennen, ist geringer, wenn die Arbeit als selbstbestimmt und sinnstiftend erlebt wird. Also – eigentlich müsste es den Landwirten und Landwirtinnen gut gehen, bietet ihr Beruf doch viele Aspekte, die vor Burn-out schützen.


Die Zahlen sagen etwas anderes. Psychische Erkrankungen liegen in der Branche auf Platz zwei der Ursachenstatistik zu Krankheitsausfällen. Auch Berater der ländlichen Familienberatungen bestätigen: Bei vielen Konflikten, die sie betreuen, ist mindestens eines der Familienmitglieder an Burn-out erkrankt.


Es ist alles Zu viel


Gründe für chronischen Stress gibt es in der Landwirtschaft reichlich: Darunter die angespannte finanzielle Situation auf vielen Höfen, verursacht durch schlechte Preise und hohe Verbindlichkeiten. Ein großes Arbeitspensum ist oftmals Standard. Auch die enge Verflechtung von Familie und Betrieb kann in Konfliktsituationen zur Doppelbelastung werden. So weit, so bekannt.


Neu hinzugekommen sind in den letzten Jahren steigende gesellschaftliche Anforderungen. Eine Beraterin, die anonym bleiben möchte, hat beobachtet, dass die fehlende Wertschätzung für ihre Arbeit gerade konventionelle Landwirte sehr belastet. „Es grenzt an Feindseligkeit, was ihnen vielfach entgegenschlägt“, meint die Beraterin.


Psychologin Birgitta Thiel, die mit der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau (SVLFG) zusammenarbeitet, sieht dieses Phänomen ebenfalls als zentralen Punkt. „Hinter fast jedem Burn-out steckt eine tiefe ‚Gratifikationskrise‘“, sagt die Expertin. Das heißt: Die Sinnfrage, „Was mache ich hier eigentlich – und für wen“, können sich viele Landwirte und Landwirtinnen nicht mehr zufriedenstellend beantworten. Das Gefühl, sich abzurackern und dafür keine Anerkennung zu bekommen, ist für sie ein großer Erschöpfungstreiber. Dabei könne die Missbilligung der Familie ebenso sehr zehren wie die Kritik des weiteren Umfeldes.


Willkür statt selbstbestimmung


Auch die Selbstbestimmung auf der eigenen Scholle, die für die Landwirtschaft immer prägend war, hat abgenommen. Politische Maßnahmen und Regelungen nehmen viele Landwirte zunehmend als „willkürlich“ und als „fern der guten fachlichen Praxis“ wahr. Dennoch sind die Bauern ihnen ausgeliefert. Das löst bei vielen ein Gefühl der Hilflosigkeit aus. Die Umsetzung der Vorgaben ist darüber hinaus oft mit großem bürokratischen Aufwand verbunden, der Ressourcen bindet und das Zeitkonto zusätzlich belastet.


Zudem habe sich der Alltag von Männern und Frauen in den letzten Jahren stark verändert, sagt eine Beraterin, die Burn-out-Symptome vor allem bei jungen Betriebsleitern beobachtet. Während es Männern früher reichte, ein guter Betriebsleiter zu sein, ist es vielen heute auch sehr wichtig, viel Qualitäts-Zeit mit der Familie und der Partnerin zu verbringen. Die gleiche Doppelbelastung gelte für Frauen. „Die Angleichung der Rollen hat ohne Frage ihr Gutes. Aber sie führt auch zu großer Erschöpfung auf allen Seiten“, konstatiert Psychologin Thiel.


Wer ist Betroffen?


Fest steht: Fast alle Landwirte und Landwirtinnen sind arbeitsmäßig stark belastet. Einen Höhepunkt erreicht die Belastung in den mittleren Lebensjahren, wenn die Kinder klein sind, die Eltern hilfsbedürftig und der Betrieb mitten in der Expansion steckt. Dazu kommt eine schier endlose Pandemie. Doch längst nicht alle erkranken an einem Burn-out. Wen trifft es also?


Birgitta Thiel erklärt, dass vor allem Menschen mit hohem Verantwortungsbewusstsein und hoher Leistungsbereitschaft an Burn-out erkranken. Beide Faktoren können sowohl in der Persönlichkeit als auch in der Prägung durch das Elternhaus liegen. Äußere Faktoren wirken sich daher nicht bei allen Menschen gleich belastend aus.


WAnn Hellhörig Werden?


Wenn Landwirte mit Burn-out-Symptomen Hilfe suchen, sind sie oftmals schon lange im roten Bereich. Auch für Angehörige ist die Situation sehr belastend. Das Gute: Vielen Betroffenen können Fachleute schnell Entlastung bringen (siehe Interview und Reportagen ab Seite 150). Wer sich selbst beobachtet, sollte einen Arzt aufsuchen, wenn er Symptome wie Schlafstörungen, Reizbarkeit, Unkonzentriertheit oder Freudlosigkeit bis hin zu Suizidgedanken feststellt. Auch körperliche Anzeichen, wie Rückenschmerzen oder Engegefühl in der Brust, kommen vor.


Burn-out oder Depression?


Viele Fachärzte sehen ein Burn-out bis heute nicht als eigenständige Krankheit an. Für sie handelt es sich dabei um eine „Depression mit einem starken Leistungsbezug“. Es stimmt: Die Symptome beider Erkrankungen überschneiden sich stark. Ein schweres Burn-out ist von der Depression kaum zu unterscheiden. „Dennoch fällt es den Menschen leichter, sich ein Burn-out einzugestehen als eine Depression. Ein Burn-out ist mit Leistung verbunden“, sagt Birgitta Thiel.


Insgesamt sei es heute akzeptierter, sich mit einer psychischen Erkrankung Hilfe zu suchen und offen damit umzugehen. „Das ist eine positive Entwicklung“, sagt die Expertin. Viele Betroffene fühlten sich bereits besser, wenn ihre Probleme ernst genommen werden. ▶


kathrin.hingst@topagrar.com

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