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Chefin auf Zeit

Lesezeit: 6 Minuten

Betriebshelfer sind im Ernstfall binnen kürzester Zeit bereit, das komplette Hofgeschehen zu übernehmen. Eine Männerdomäne? Der Maschinenring Steinfurt-Bentheim beweist das Gegenteil.


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Dieser Frühlingsmorgen ist kalt, Tau liegt auf der Wiese. Mareen Konjer zieht ihre Jacke zu und geht in den Stall. Sie ist landwirtschaftliche Betriebshelferin. Ihr Job beginnt dann, wenn der Betriebsleiter auf dem Hof ausfällt.


Denn viele Landwirte und Landwirtinnen sind Einzelkämpfer auf ihrem Hof. Krankheit, Urlaub und Freizeit können sich nur wenige erlauben.


Hier setzt der Betriebshilfsdienst an! Er vermittelt im Notfall binnen weniger Stunden tatkräftige Allround-Talente. Denn trotz Unfall, die Schweine brauchen ihr Futter, die Kühe warten vor dem Melkstand. „Die meisten Einsätze kommen spontan, Krankheit oder Unfälle passieren nunmal plötzlich – in einer solchen Notsituation lasse ich alles stehen und liegen, ziehe mich um, packe meine Stiefel und los geht’s“, sagt Mareen.


In Rufbereitschaft


Die 28-Jährige arbeitet seit 2014 in der Grafschaft Bentheim (Landkreis Nordhorn, Niedersachsen) als Betriebshelferin. Man merkt gleich: Sie ist fesch und dynamisch, hat eine durchweg positive Einstellung und vor allem hohe Ansprüche an ihre eigene Arbeitsleistung. „In meinem Job gibt es häufig keine große Einweisung. Oft ist der Landwirt nicht vor Ort, sodass ich mich zuerst einmal zurechtfinden muss. Da kann es auch passieren, dass ich z.B. einen Lichtschalter suche, bevor ich mit dem Melken beginne“, sagt sie.


Erfahrung aus 27 Einsätzen


Sich binnen weniger Stunden in eine neue Situation einzufinden, fordert Improvisationstalent und Lernbereitschaft. Die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben Mareen souverän gemacht, sie vertraut ganz auf ihre Fähigkeiten, die sie sich in bereits 27 Einsätzen angeeignet hat. Als Betriebshelferin ist sie je nach Situation nur wenige Tage, aber auch mehrere Monate auf einem Betrieb im Einsatz.


In welche Gruppen sind die Kühe eingeteilt? Welche Kuh darf sie nicht in den Tank melken? Welches Programm nutzt der Betrieb zur Dokumentation? „Ich muss so handeln, wie es am besten für den Landwirt ist, ich bin quasi eine Betriebsleiterin auf Zeit“, sagt Mareen. Bei unserem Rundgang über den Hof fällt gleich auf, dass die Kühe ihre Leidenschaft sind.


Wer muss, der kann


Dabei kommt Mareen selbst nicht vom Hof. „Nach der Ausbildung zur Landwirtin habe ich einen abwechslungsreichen Job gesucht und bin so zum Betriebshilfsdienst gekommen“, sagt sie. Für die Zukunft hat sie sich fest vorgenommen, noch das Farmleben in Kanada kennenzulernen.


Kein Tag wie der andere


Gerade die Vielfalt ihrer Tätigkeit begeistert Mareen Konjer heute. Sie sieht sich selbst nicht nur als Landwirtin. Als Betriebshelferin ist sie für die Versorgung der Tiere zuständig und zeitgleich Schlosserin, Büroangestellte und auch Seelsorgerin. „Das sind meistens emotionale Ausnahmesituationen, in denen ich hier die ganze Hoffamilie kennenlerne“, sagt sie. Auch eine Betriebsauflösung kann dazugehören. „Diese Schicksale gehen mir immer nahe. Hier war es zum Glück nicht so“, sagt sie und treibt die Kühe von Frank Scholte Nielink in den Melkstand.


Der Landwirt ist nach einem Sturz im Oktober wieder auf den Beinen und steigt parallel zu einer intensiven Physiotherapie langsam in den Betriebsablauf mit ein. „Die meisten Kälber kenne ich jetzt gar nicht mehr“, sagt der Landwirt und sieht sich im Stall um. Mareen hat hier sechs Monate lang alles in Gang gehalten: im Stall, auf dem Acker und im Büro. Auch Betriebsleiter Frank Scholte Nielink ist froh, dass die Betriebshelferin so souverän für ihn eingesprungen ist. „Am Ende hatte Mareen ein paar Kniffe drauf, die ich auch noch nicht kannte. Da hab ich sogar noch was Neues gelernt!“


Dennoch, manchmal trifft Mareen als Frau in einer Männerdomäne auf Vorurteile. „Die sind aber meist nur von kurzer Dauer“, sagt sie. „Für mich ist es kein Problem, mit moderner Technik und neuesten Maschinen umzugehen“, sagt sie stolz. Eine Woche genügt der jungen Frau, um sich auf einen Hof einzustellen. Spätestens dann sind auch die größten Skeptiker von ihrer Arbeitsweise überzeugt.


Abstand ist wichtig


Mareens Freunde und Familie wissen schon, dass sie zu Beginn eines Einsatzes nur wenig Zeit hat. Dennoch, auch ihr Arbeitseifer hat ganz klare Grenzen. „Man muss ‚Nein‘ sagen können“, sagt sie bestimmt. „Mein Job ist es, den Betrieb in Bewegung zu halten, nicht liegen gebliebene Arbeiten zu erledigen. Meist ist das aber kein Problem“, betont sie.


Gerade die soziale Ader ist ihre Stärke. „Ich bin gar nicht besonders gesprächig. Es reicht oft schon, dass ich einfach da bin, ohne viel zu sagen. Dieses familiäre Verhältnis, das man schon nach ein paar Wochen auf einem Hof, in einer Familie spürt, das gibt es nur in der Landwirtschaft“, sagt sie.


Zehn Frauen, 90 Männer


Dennoch, nach Feierabend fährt Mareen nach Hause. „Den Abstand brauch ich einfach“, sagt sie. Mareen ist aktive Jägerin und Jagdhundführerin. „Der Ausgleich ist wichtig bei so einem anstrengenden Job“, sagt sie.


Nach einem langen Einsatz nimmt sie Urlaub, baut Überstunden ab. Ein gesunder Ausgleich ist Grundvoraussetzung für diese emotionale Arbeit. „Ich finde es aber auch schon entspannend, für mich allein im Melkstand zu stehen und Radio zu hören“, sagt sie. Die meiste Zeit über ist sie auf dem Hof für sich allein. „Das macht mir gar nichts. Ich bin super naturverbunden. Auf dem Trecker sitzen, säen, düngen, ernten, das wird mir nie langweilig.“


Beim Maschinenring Steinfurt-Bentheim arbeiten insgesamt über 100 Haushaltshilfen sowie landwirtschaftliche Betriebshelfer. Zehn Betriebshelferinnen sind Frauen.


Einmal im Jahr setzen sie sich zusammen, um sich auszutauschen. „Dabei sprechen wir über die letzten Einsätze, lassen alles noch einmal Revue passieren und lernen dadurch für die nächsten Einsätze!“, sagt Mareen.


Videodreh: Ein Tag mit Mareen


Wir haben einen Tag mit Mareen auf einem Milchviehbetrieb im niedersächsischen Halle verbracht und unsere Eindrücke in einem Kurzfilm festgehalten.


„Und bitte. – Cut! – Das müssen wir noch einmal machen.“ So ein Drehtag ist ganz schön lang. Bis die Kameraeinstellung stimmt, das Licht passt und jede Szene gleich aus mehreren Einstellungen hintereinander im Kasten ist, vergehen locker einige Stunden. Dennoch, Mareens Arbeitsalltag ist so vielfältig und spannend, dass ein richtiger Einblick durch die Kamera nicht fehlen darf. Einen ganzen Tag lang haben wir die Niedersächsin begleitet und dabei auch die anderen neun landwirtschaftlichen Betriebshelferinnen des Maschinenrings Steinfurt-Bentheim kennengelernt.


Eines zeigte sich dabei immer wieder: Mareen ist im Außenbetrieb ein echter Profi. Die Handgriffe sitzen, als hätte sie nie woanders gearbeitet. „Nummer 22 ist ganz zahm, mit der können wir das problemlos drehen. Für das Füttern brauche ich nicht lange, mit dem selbstfahrenden Futter-Mischwagen habe ich hier auf dem Hof auch zum ersten Mal gearbeitet, das ist super!“, sprudelt es den ganzen Tag über aus ihr heraus.


Das kurze Video finden Sie unter www.topagrar.com/betriebshelferinnen2019 oder über den QR-Code auf Seite 133.


katharina.meusener@topagrar.com

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