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Das Abenteuer Armstorf

Lesezeit: 7 Minuten

Fünf Kühe, sieben Rinder, eine Sau: So startete Klaus Wiesen mitseiner Ehefrau Margret 1959 in die Selbstständigkeit. Eigentlich träumte er davon, Förster oder Molkereidirektor zu werden.


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Wer über acht Jahrzehnte gelebt hat, ruht sich aus, blickt zurück und lässt es langsam angehen. So könnte man denken. Auf Klaus Wiesen – kräftig, kernig, 83 Jahre – trifft die Beschreibung nicht zu. Zwar frühstückt er mit seiner Frau Margret (79) heutzutage erst um halb acht und sitzt häufiger einmal im Sessel. Die Hüften machen Probleme. Einige Geschichten undAnekdoten, die er am liebsten auf Platt erzählt, entstammen tatsächlich einer fernen, früheren Zeit. Doch zum „alten Eisen“ kann man Klaus Wiesen beim besten Willen nicht zählen. Er hat immer noch viele Termine, die Arbeitsschuhe stehen parat, Hobby- und Urlaubsideen sprudeln nur so aus ihm heraus. Was hält den betagten Landwirt fit und aktiv? Was bewegt ihn?


Wenn Klaus Wiesen mit dem Radlader zwischen den Mais- und Putenmist-Silos rangiert, wirkt er routiniert und konzentriert. Schaufel um Schaufel leert er in den hochgemauerten Fütterungsbehälter der 500-kW-Biogasanlage. Seit 2008 ist sie der Dreh- und Angelpunkt des Familienbetriebs nördlich von Bremervörde. Die Türen des früheren Kuhstalls sind geschlossen. Das Gebäude steht leer, seit bereits vier Jahren.


Für Sohn Uwe und seine Frau Susanne, die den Hof 1993 übernahmen, kamen verschiedene Gründe, vor allem gesundheitliche Themen, zusammen. In einer Region, in der Milchviehhalter in den vergangenen Jahren auf bis zu 400 oder 500 Kühe aufstockten, stellten sie das Melken ein. Das Paar fokussierte sich auf die Bioenergie.


Hofleben heute:

„Wenn man mir früher gesagt hätte, dass wir die Tiere einmal abschaffen – ich hätte es nicht geglaubt. Margret und ich haben den Betrieb mit den Kühen großgemacht“, erzählt der Senior. Die betriebliche Veränderung und Neuausrichtung bewegt ihn, doch entmutigt oder enttäuscht klingt er nicht. „Es war richtig, diesen Schritt zu gehen. Rückblickend sind wir in gewisser Weise sogar erleichtert. Der heutige Milchpreis ist untragbar.“


An die Anfänge in Armstorf erinnert sich Klaus Wiesen lebhaft: „Es war der1. November 1959, da fing unser Abenteuer hier an.“ Er schmunzelt und hält kurz inne. „Im Juli gaben wir uns das Ja-Wort. Und erst während der Hochzeitsfeier verstand ich, dass uns Margrets Familie diese Hofstelle anbot. Etwas Land, etwas Vieh, ein Hofhund, Onkel, Tante und ein sehr baufälliges, strohgedecktes Niedersachsenhaus – mehr war es nicht. Doch der Standort schien mir lukrativer als der elterliche Hof am Rande des Teufelmoors bei Worpswede.“


Mit großem Unternehmergeist startete das junge Paar – und riskierte dabei viel. „Steine sammeln, den Acker urbar machen, Kühe kaufen, den Stall neu bauen – manchmal hätten wir uns vielleicht auch etwas mehr Zeit geben können“, sagt Klaus Wiesen. Die 1960er-Jahre nennt er „schwere Jahre“, geprägt von körperlicher Arbeit und hohem Schuldendruck. „Meist standen Margret und ich alleine vor all den Aufgaben. Die Kinder waren klein, Hilfe hatten wir nicht.“


Voller Tatendrang:

Doch damals wie heute scheint das Paar eine stille Übereinkunft zu verbinden. „Der Blick ging nur nach vorn. Ganz ehrlich, wir hatten keine Alternative“, sind sich Margret und Klaus Wiesen bewusst. Innerhalb eines Jahrzehnts stockten sie auf über 60 Kühe und knappp 60 ha Eigenland auf. Klaus Wiesen entdeckte zudem die Kartoffelvermehrung für sich.


Umso erstaunlicher ist es dabei zu hören, wie stark sich der Landwirt zeitgleich im Ehrenamt engagierte. 1972 wählten ihn die Einwohner in den Gemeinderat, ab ’76 agierte er als Schöffe, wurde ’86 Bürgermeister, saß für die CDU im Kreistag und bekleidete von 2001 bis 2004 auch das Amt des stellvertretenden Landrats. Pionierarbeit leistete Klaus Wiesen zudem für die grüne Branche: 1976 richtete er den ersten niedersächsischen Grünlandtag auf seinem Hof und den umliegenden Flächen aus.


„Ich wollte mich stets einbringen, mitreden, die Region stärken“, so Klaus Wiesen. Im Austausch, auch im Vergleich mit anderen zu stehen, scheute er niemals. „Wenn Du Dich engagierst, musst Du zunächst gut zuhören, und dann klipp und klar Deine Meinung sagen. Einen Dank bekommst Du nicht, höchstens Anerkennung“, resümiert er ohne Verdruss. „So ist Politik.“ Man spürt noch heute, mit wie viel Leidenschaft er um Lösungen in der Lokalpolitik, auf Kreis-ebene oder im Aufbau einer Städtepartnerschaft mit dem polnischen Wladyslawowo gerungen haben muss.


Jetzt, da Klaus Wiesen das politische Geschehen beobachtet, anstatt weiter aktiv mitzugestalten, reißt der Meinungsaustausch dennoch nicht ab. „Opa weiß genau Bescheid, mit ihm können wir super diskutieren“, erklärt Enkelin Ira (21), die dritte der vier Töchter von Uwe (53) und Susanne Wiesen (51).


Ira hat 2014 eine Lehre zur Raum-ausstatterin abgeschlossen und sich vor Kurzem zum Agrarstudium entschlossen. Aktuell absolviert sie ein Praktikum daheim. Der Großvater sieht die Entscheidung mit Freude: „Ira versteht die Technik an der Biogasanlage bis ins Detail. Sie geht voll darin auf.“


Zu viel Druck und Erwartungshaltung möchte er allerdings nicht auslösen. Rückblickend ist er froh, bereits mit 61 Jahren an Sohn und Schwiegertochter übergeben zu haben. Auch gedanklich hat er sich von dem Ideal eines „Bauernhofes mit Kühen“ gelöst. „Wer die meiste Arbeit auf dem Hof hat, der sollte auch das Sagen haben. Der Betrieb läuft heute anders – aber rund. Die Rentabilität ist gut. Ich bin froh, dass Uwe den Betrieb längst zukunftsfähig gemacht hat.“


Reiseziel Thailand:

Weltoffen und experimentierfreudig zeigt sich Klaus Wiesen zudem in Sachen Urlaub. Ohne Laptop und Smartphone, sondern althergebracht über das Festnetztelefon organisiert er seit Jahren gemeinsame USA-Reisen und Kreuzfahrten mit Freunden. Nur im Notfall befragt er mithilfe der Familie das Internet.


Im vergangenen Dezember schließlich verreisten Margret und Klaus Wiesen zum ersten Mal nur als Paar, das Schiff führte sie nach Singapur und Bangkok. „Vielleicht holen wir jetzt nach, was wir früher nicht so sehr kannten: Zweisamkeit“, sagt die Seniorin und streichelt ihrem Ehemann zart die Wange. „Morgens nehme ich Klaus in den Arm, ich kann gar nicht anders. Es ist ein großes Glück: Wir sind weiterhin zu zweit, können alles teilen.“


Ob die Abenteuerlust des Duos so weit reicht, die älteste ihrer insgesamt sechs Enkeltöchter in Neuseeland zu besuchen? Nein, das schließen Margret und Klaus Wiesen aus. Sie wählen den pragmatischen Weg: Das Urlaubsziel für 2016 heißt Skandinavien, in Kiel werden sie an Bord eines Dampfers gehen. Und mit der Enkelin „schnacken“ sie auf elektronischem Wege – über Skype.


Klaus Wiesen betont den hohen Stellenwert der Familie. Seine Augen leuchten, wenn er von Weihnachten und Geburtstagsfeiern erzählt, zu denen auch die Kinder und Enkel aus Hamburg anreisen. Tränen sammeln sich, als er den Tod des ältesten Sohnes im Sommer 1978 erwähnt. „Ein Schmerz, ein Verlust, der immer bleibt.“


Dann zählt Klaus Wiesen auf, was ihn jetzt im Alter dankbar macht: Die Verbundenheit zu „seiner Margret“, das Mittendrin-Sein auf dem Hof, das Lachen, die Geselligkeit und „auch mal ein Schnaps“ mit dem Kartenclub. Nicht zuletzt: Die tägliche Routine und Normalität. „Aufstehen, frühstücken, Zeitung lesen, die Anlage füttern, so beginnt mein Tag“, sagt er. „Pünktlich um viertel vor zwölf bin ich zurück im Haus, dann stellt Margret das Essen auf den Tisch.“Reingard Bröcker

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