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Den Kritikern gut begegnen

Lesezeit: 9 Minuten

Mit Kritikern zu sprechen, kostet oft viel Kraft. Doch wer sich mit den Gedanken seines Gegenübers beschäftigt, stärkt auch den eigenen Standpunkt.


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Kaum steigt man bei der Feldarbeit kurz vom Trecker ab, sieht man sich Radfahrern und Gassi-Gängern gegenüber, die kritisch nachfragen, ob das Güllefahren denn gerade jetzt und eigentlich auch generell wirklich nötig sei?


Vor allem in diesem Sommer, in dem das soziale Leben voraussichtlich bis in den September hinein größtenteils auf Eis gelegt wird, zieht es die Leute zum Wandern, Radfahren und Sporttreiben vermehrt auf die Wirtschaftswege. Möchte sich jemand am Feldrand –meist lautstark – Gehör verschaffen, löst das bei vielen Landwirten erst einmal eines aus: schlechte Laune und Unmut.


Dr. Silvia Riehl, Coach und Mediatorin aus Ganderkesee in Niedersachsen, meint: Kritische Äußerungen gibt es, aber man sollte versuchen, positiv mit ihnen umzugehen. Wie das auch in nervenaufreibenden Situationen gelingen kann, erklärt sie hier.


Die Arbeit der Landwirte ist weithin sichtbar. Ihre komplexen Zusammenhänge sind für Außenstehende jedoch nur schwer greifbar. Und das Bild, das die Medien vermitteln, ist nicht gerade positiv. Dieses Misstrauen bekommt dann der nach bestem Wissen arbeitende Bauer auf dem Feld ab.


In solchen Situationen wäre der Landwirt als Vermittler, Lösungsfinder und Netzwerker gleichermaßen gefragt. Dieser ist aber durch die Kritiker nicht selten persönlich so stark angegriffen, dass er selbst nur schwer zurück auf die Sachebene findet.


Er ist genervt und fühlt sich von Pauschalurteilen wie „Umweltverschmutzer“ oder „Subventionsempfänger“ beleidigt. Verständlich, dass man darauf am liebsten gar nicht reagiert oder selbst pampig etwas erwidern möchte. Aber auch aus dieser Situation heraus kann man zu einer respektvollen Diskussion finden. So aussichtslos das im ersten Moment auch klingen mag.


Einfach nicht reagieren?


Denn es gibt ihn, den Weg mit Kritik so umzugehen, dass sie nicht belastet oder aggressiv macht. Das Ziel: Das Gespräch in sachliche Bahnen zu lenken, um wertschätzend miteinander zu kommunizieren. Im Anschluss kann man dann mit einem guten Gefühl wieder auf den Trecker steigen.


Übrigens: Der Begriff „Kritik“ bedeutet zunächst nicht mehr als „beurteilen“ oder „unterscheiden“. Kritik umfasst positive und negative Aspekte. Jeder Mensch braucht Kritik, um sich selbst und sein Handeln einzuordnen und weiterzuentwickeln. Doch wie erzeugt man auch beim Gegenüber die Offenheit, sich nach dem Pöbeln auf eine Unterhaltung einzulassen?


Die Bedürfnisse ergründen


Erst einmal heißt es: Durchatmen! Wer dem Gegenüber auf Augenhöhe begegnen möchte, sollte hinterfragen, warum der andere dieses oder jenes sagt. Versetzen Sie sich in die Situation von jemandem, der nicht seit Kindertagen Hofluft atmet.


Folgendes Beispiel: Landwirt Ackermann bringt Gülle mit Schleppschläuchen aus. Als er beim Wenden von seinem Trecker absteigt, um etwas an seiner Maschine zu richten, begegnet ihm der Spaziergänger Stadtlander mit seinem Hund. Missmutig ruft dieser ihm zu: „Müssen Sie schon wieder derartig die Luft verpesten und alles in Gülle ertränken“


Puh, auf solch ein Gespräch hat erst mal niemand Lust. Landwirt Ackermann hat jetzt zwei Optionen. Er kann zurückpoltern: „Und Ihr Köter scheißt regelmäßig auf meine Flächen“, wieder auf seinen Trecker steigen und weiterfahren. Leider passiert Ähnliches in der Mehrzahl der Fälle. Stadtlander geht angesäuert seiner Wege und Ackermann erzählt beim nächsten Stammtisch womöglich, wie ihn wieder „einer ohne Ahnung“ für nichts angebölkt hat.


Ackermann kann sich aber auch fragen, was Stadtlander zu seinem Ausspruch bewegt hat? Welche Gefühle und Bedürfnisse stehen dahinter? Vielleicht ist er genervt, weil er bei dem schönen Wetter in Ruhe spazieren gehen und Blumen anstatt Gülle riechen wollte. Von „Nährstoffbedarf“ und „Düngeverordnung“ hat er womöglich noch nie etwas gehört. Allein sich in Stadtlanders Gefühlswelt zu versetzen und zu versuchen, sein Bedürfnis hinter der patzigen „Anmache“ zu ergründen, kann schon die hineininterpretierte Schärfe aus Stadtlanders Ausspruch nehmen. Ackermann muss ihn dann nicht als Vorwurf hören, sondern als – wenn auch unfreundlichen – Ausdruck von Stadtlanders Bedürfnis, ungestört in der Natur zu spazieren.


Kritik als Chance sehen


Gleichzeitig ist aber auch Ackermanns Gefühl der Wut über solche Anfeindungen verständlich. Sein Bedürfnis ist, als verantwortungsbewusster Landwirt in der Öffentlichkeit zu stehen, der seine Flächen nachhaltig und nach dem neuesten Stand der Technik bewirtschaftet. Beiden sollte es gelingen, ein Gespräch auf Augenhöhe zu beginnen, in dem sie genau diese Gefühle und Bedürfnisse artikulieren – ohne sich gegenseitig Vorwürfe zu machen. So könnte das in unserem Beispiel laufen:


Ackermann: „Ich merke, dass Sie genervt sind, weil Sie in Ruhe das schöne Wetter genießen wollen. Ich ärgere mich aber maßlos über die Aussage, ich sei ein Luftverpester. Ich tue alles, um die Gülle umweltschonend und entsprechend des Nährstoffbedarfs auszubringen. Können Sie das nachvollziehen“


Gegenüber Stadtlander signalisiert man so zumindest die Offenheit, sich aufeinander einzulassen. Wenn jemand merkt, dass der andere seine Gefühle wahrnimmt und nachvollzieht, zeigt die Mehrheit der Menschen Bereitschaft, sich mit den Argumenten des anderen auseinanderzusetzen. Im besten Fall kommt man ins Gespräch über Düngung und landwirtschaftliche Technik. Vielleicht auch über die Frage, ob gerade an einem sonnigen Maisonntag die Gülle am Feld entlang des Wanderweges ausgebracht werden muss.


Ähnlich kann man sich einen Gesprächsverlauf zur Pflanzenschutzmittelanwendung vorstellen. Der Landwirt will seine Bestände ordentlich führen, weil sie seine Einkommensgrundlage sind. Der Spaziergänger sorgt sich um seine Gesundheit und den Zustand der Natur. Beides sind berechtigte Anliegen. Auch im Kegelklub, beim Stammtisch oder einfach beim Grillen mit Freunden können ähnliche Themen und Gespräche stattfinden.


Übrigens: Wenn Stadtlander nur „pöbeln“ will, bleibt immer noch die Chance, höflich zu sagen: „In diesem Ton bin ich nicht dazu bereit, mit Ihnen zu diskutieren“.


Ich-Botschaften


Hat man sich aber über kritische Äußerungen geärgert und möchte reagieren, lautet das oberste Gebot, bei sich selbst zu bleiben. Wenn ich rede, sollte ich über meine Gefühle, über meine Bedürfnisse und Werte sprechen. Ohne den anderen für meine Stimmung verantwortlich zu machen oder ihn zu verurteilen. Also nicht: „Sie sind ein grüner Spinner“, sondern „das verletzt mich, wenn ich so etwas höre. Eine nachhaltige Landwirtschaft ist mir sehr wichtig“. Oder nicht: „Sie verpesten die Umwelt“, sondern „ich habe Angst, wenn ich sehe, wie so viel Gülle ausgebracht wird, weil mir eine gesunde Umwelt wichtig ist“. So einfach das vielleicht klingt – die eigenen Gefühle zu benennen braucht viel Übung und vor allem zu Beginn auch oft etwas Überwindung.


Wichtig sind aber die Informationen hinter solchen Ich-Botschaften: Sie basieren auf der Einstellung, dass beide Seiten gleichberechtigt sind. Dass es kein absolutes Richtig oder Falsch gibt, sondern verschiedene Bedürfnisse und Interessen. Sicher gibt es viele Punkte, über die man ins Gespräch kommen muss.


Die Grenzen der Kritik


Denn die moderne Landwirtschaft ist schon lange ein Spannungsfeld. Mit Sicherheit gibt es einige Aspekte, die kritisch zu hinterfragen sind. Das ist legitim und wichtig – auch wenn es manchmal unangenehm ist und nervt.


Davon zu unterscheiden sind Anfeindungen und unsachliche Vorwürfe bzw. Verurteilungen. Plakative Beschimpfungen sind wenig hilfreich. Und wem das nicht guttut, der muss für sein eigenes Wohl versuchen, davon Abstand zu gewinnen, z.B. indem man sich nicht auferlegt, jede Diskussion führen zu müssen.


Schlägt sich die negative, öffentliche Wahrnehmung auf das eigene Gemüt nieder, fühlen sich einige Landwirte durch stereotype Äußerungen schnell angegriffen. In solchen Situationen ist es verständlich, das Gefühl zu haben, generell mit dem Rücken zur Wand zu stehen und sich verteidigen zu müssen.


Das Ergebnis: Viele Landwirte argumentieren ihrerseits mit Vorwürfen, wie z.B. „du grüner Spinner“. Es liegt auf der Hand, dass beide Seiten so nicht zu einem konstruktiven und wertschätzenden Gespräch kommen können. Was helfen kann, ist sich in nervenaufreibenden Situationen bewusst zu machen, dass der Mensch eine Art fundamentalen Wahrnehmungsfehler hat. Er kennt die Hintergründe seiner Entscheidungen und erklärt sich daher sein eigenes Verhalten gerne mit den gegebenen Umständen. Das Verhalten des anderen versucht er aber oft durch dessen Eigenschaften zu beurteilen. „Ich kann ja nicht anders, weil… – aber du bist starrsinnig!“


Respektlose Kritik führt vermutlich in keiner Situation zu einer echten Verhaltensänderung. Aber man kann sich vor ihren negativen Auswirkungen schützen. Ziehen Sie sich nicht jeden Schuh an! Das verhindert, selbst aggressiv zu reagieren. Wenn man vom eigenen Tun überzeugt ist, werfen Kritik und Anfeindungen einen nicht so leicht aus der Bahn. Rufen Sie sich auch hier ins Gedächtnis: Es gibt kein absolutes richtig oder falsch. Für das Ausbringen der Gülle oder den Pflanzenschutz gibt es beispielsweise klare und gut kommunizierbare Gründe, auf die man sich in einem Gespräch berufen kann.


Erwachsen miteinander reden


Wie man die eigene Kritik formuliert und auf die Kritik anderer reagiert, hat man selbst in der Hand! Wer Kritik nur in Vorwürfen und von oben herab vorträgt, wirkt dabei wie ein strafender Vater. In solchen missbilligenden Unterhaltungen reagiert der Gesprächspartner dann oft wie ein trotziges Kind. Häufig wirkt die Argumentation der Landwirte in Umweltdiskussionen wie solch eine Trotzreaktion. Das ist psychologisch leicht erklärbar, bringt die Diskussion aber nicht voran. Beide Seiten müssen sich bemühen, wieder auf die „erwachsene“ Ebene zu kommen, also auf Augenhöhe.


Nur wer seine eigene Haltung wahrnimmt und ggf. ändert, also aus der bevormundenden oder trotzigen Einstellung auf die gleichwertige Ebene zurückkehrt, kann etwas beim anderen bewirken. Wenn ich sachlich reagiere, kommt mein Gegenüber vielleicht auch wieder auf die Sachebene zurück. Garantien gibt es wie immer im Zusammenleben allerdings keine. Kritik ist eine Chance, das eigene Verhalten zu überprüfen und zu justieren. Insofern sollte ich dankbar sein, wenn mich jemand kritisiert. Es muss allerdings mit Respekt und Wohlwollen geschehen.


Festzuhalten bleibt: Wenn wir uns klarmachen, dass man jede Situation auch anders betrachten kann, öffnen wir uns für Kritik und haben damit die Chance, zu neuen Erkenntnissen zu gelangen. Dann muss ich Kritik nicht als Vorwurf verstehen, sondern kann sie als Denkanstoß nehmen. Ich sollte aber auch klare Grenzen setzen, wenn Kritik beleidigend wird. Nicht indem ich den anderen auch beleidige, sondern ihm mitteile, wie schmerzhaft ich solche Äußerungen empfinde. Niemand ist allwissend und Kritik und Meinungsverschiedenheiten sind ein wichtiges Werkzeug zu Wachstum und Erfolg.


katharina.meusener@topagrar.com


Unsere Autorin


Dr. Silvia Riehl ist Mediatorin und Kommunikationscoach aus Ganderkesee in Niedersachsen.

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