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„Der Hof sitzt immer mit am Tisch“

Lesezeit: 5 Minuten

Familienbetriebe aus Industrie und Landwirtschaft stehen im Fokus der Beratung von Dr. Karin Ebel. „Das Denken in Generationen ist ihre größte Stärke“, sagt die Rechtsanwältin und Steuerberaterin.


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Frau Dr. Ebel, wie nehmen Sie die Landwirtsfamilien im Zuge Ihrer Beratungen wahr?


Ebel: Als uneitel und bodenständig. Da wird erst einmal angepackt und dann diskutiert. Meist gilt: Hof geht vor Bauer. Soll heißen, der Hof muss laufen, egal wer ihn bewirtschaftet. Anders als in der Industrie, steht ein Fremdgeschäftsführer häufig nicht zur Diskussion.


Welche Stärken würden Sie den Familienbetrieben zuschreiben?


Ebel: Sie denken in Generationen. Das ist außergewöhnlich. Man tätigt größere Investitionen, z.B. in die Digitalisierung, um davon womöglich erst in Jahren zu profitieren. DAX-Vorstände sind hingegen eher auf kurzfristige Rendite aus.


Einer meiner Mandanten hat das Denken in Generationen mal wie folgt beschrieben: Er fühle sich wie der Fahrer eines Geldtransporters – hinten drin habe er eine hoch wertvolle Ladung, die er von einer Generation zur nächsten fahre. Er sei zwar für den Transport und die Ladung verantwortlich, reingreifen sei aber tabu. Die Ladung gehöre ihm nicht.


Was finden Sie noch bemerkenswert?


Ebel: Die hohe Krisenfestigkeit der Familienunternehmen. Geld, das an die Seite gelegt wird, hilft, auch mal schwere Zeiten auszuhalten oder dann zu expandieren, wenn allen anderen die Hände gebunden sind. Darüber hinaus beeindruckt mich, wie kurz die Entscheidungswege sind und dass die Eigentümerfamilien gerne Verantwortung für den meist ländlichen Standort und die Mitarbeiter übernehmen.


Worum geht es bei Ihren Beratungen genau?


Ebel: Vor allem um den Generationswechsel. Viele wollen wissen, wie sie das Unternehmen zukunftsfest aufstellen und ihre Nachkommen absichern können. Fragen wie „Wird eins der Kinder übernehmen, und was ist mit den anderen? Wie gestalten wir den Übergang“ treiben alle Unternehmerfamilien um, egal aus welcher Branche.


Diese Überlegungen betreffen nicht nur das Vermögen. Vielmehr geht es um das Wohlergehen jedes Familienmitglieds. Deshalb versuche ich immer, neben Konzepten, Verträgen und Steueroptimierungen auch die Emotionen der Beteiligten einzubeziehen.


Welche Gefühle schwingen denn mit?


Ebel: Jede Familie ist anders. Hier nur meine Beobachtungen: Die abgebende Generation will meist niemanden bevorteilen, sondern allen Kindern gerecht werden. Die Kinder stellen die Liebe ihrer Eltern und die Beziehung zu den Geschwistern jedoch teils infrage. Frei nach dem Motto: Wer die Firma bekommt, ist wohl Mamas und Papas Liebling – wobei die Höfeordnung in der Landwirtschaft natürlich lange eine Richtung vorgegeben hat.


Manche potenziellen Übernehmer belastet zudem die Rolle, die die Tradition ihnen zuweist. Dem Lebenswerk der vorigen Generationen den Rücken zu kehren, ist umso schwerer, wenn es keinen Alternativ-Kandidaten gibt.


Auch wenn es nicht leicht ist: All das muss auf den Tisch kommen. Denn wenn Unausgesprochenes im Raum steht, drückt das auf die Stimmung im Betrieb und anders herum.


Vor welchen Herausforderungen stehen die Familien generell?


Ebel: Schwierig wird es, wenn einzelne Mitglieder in Positionen kommen, die sie nicht ausfüllen können. In der Beratung frage ich häufig: Was ist entscheidend, wenn jemand in die Führung will – Verwandtschaft oder Qualifikation? 100% sagen: Qualifikation! In 20% der Fälle bin ich allerdings geneigt zu fragen: Warum haltet Ihr Euch nicht daran?


Darüber hinaus ist Abgrenzung ein wichtiges Stichwort. In der Firma wird schnell mal zu viel „Familiensoße drüber gekippt“ und man trägt private Streitigkeiten aus. Zu Hause mutet der Betrieb wie ein weiteres Kind an, das immer mit am Tisch sitzt und stets Thema ist.


Sobald nicht mehr alle Familienmitglieder ins Tagesgeschäft eingebunden sind, z.B. weil eines mit seinem Partner in die Stadt gezogen ist, können sich Lager bilden. Kommen die „Städter“ zu Besuch, fühlen sie sich vielleicht ausgeschlossen oder hinterfragen das Hofgeschehen.


Apropos Abgrenzung: Haben Sie da konkrete Tipps für die Landwirte?


Ebel: Sicherlich ist die Situation auf den Höfen besonders. Eine räumliche Trennung zwischen Betrieb und Wohnhaus ist quasi nicht gegeben. Trotzdem könnte man versuchen, „hoffreie Zonen“ zu schaffen, etwa im Wohnzimmer. Wer dennoch über die Arbeit spricht, muss einen Betrag X in die Kasse zahlen. Mit dem Geld könnte man einen Ausflug oder einen Besuch im Restaurant finanzieren. Oft hilft es auch, gemeinsam zu überlegen, wann über den Hof gesprochen werden soll und wo man sich dazu trifft, z.B. nach dem Füttern im Betriebsbüro.


Vor gut 20 Jahren haben Sie entschieden, sich vollständig auf die Arbeit mit Familienunternehmen zu konzentrieren. Was hat sich in dieser Zeit getan?


Ebel: Zum einen hat sich das Bild von Familienbetrieben geändert. Anfang der 2000er kamen sie verstaubten, schwerfälligen Dampfern gleich. Nachfolger – und das waren selten Töchter – wollten lieber Schnellboot fahren und Start-ups gründen. Heute gelten inhabergeführte Unternehmen als fundamentaler Teil unserer Wirtschaft.


Und was hat sich noch geändert?


Ebel: Hatte ich damals noch häufig mit Patriarchen zu tun, die ihren Söhnen wenig zugetraut haben, ist die abgebende Generation heute offener und gewohnt, im Team zu arbeiten. Die Nachfolger, jetzt vermehrt auch Töchter, sind in der Regel selbstbewusster, sagen, was sie wollen und legen großen Wert auf Nachhaltigkeit. Mein Rat für alle: Das Thema Generationswechsel frühzeitig angehen und über die jeweiligen Vorstellungen und Ideen sprechen.


Ihr Kontakt zur Redaktion:melanie.suttarp@topagrar.com


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Wie ticken die Familienbetriebe? Darüber diskutieren wir live am 24. März um 19.30 Uhr mit prominenten Gästen. Weitere Infos finden Sie auf Seite 18 in diesem Heft.

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